Die Geschichte kennt sich abwechselnde Phasen der Freiheit und der Überwachung. Letztere waren weiß Gott nicht die glücklichsten Epochen der Menschheitsgeschichte. Doch egal wie groß die Repression war, egal wie sehr Meinungen unterdrückt wurden oder gedankenlos hingeworfene Äußerungen dramatische Folgen haben konnten: Künstler thematisierten die Situation in ihren Werken und Bürger machten Witze über die Zustände. Und eines Tages kamen wieder liberalere Zeiten, in denen Menschrechte und Meinungsfreiheit wieder zählten.
Gehen wir gedanklich in das Jahr 1819 zurück. Die sogenannten Befreiungskriege lagen 4 Jahre zurück, die Franzosen waren aus den deutschen Ländern geworfen worden. Die alten Dynastien machen die Monarchie erneut zur Staatsform. Doch im Land gärte es. Die Untertanen, die bis 1815 doch Bürger waren, vermissten die lieb gewonnenen Freiheiten und die fortschrittliche Staatsform. Aus Angst vor Aufruhr und Revolutionen wurden nun durch die Karlsbader Beschlüsse strenge Presseregeln erlassen, die jede freie Berichterstattung unmöglich machten. In dieser Zeit entstand die Karikatur „Der Denker-Club“, der die Frage „Wie lange möchte uns das Denken wohl noch erlaubt bleiben!“ in den Raum wirft.
Später, als die Herrschenden überall sozialistische Umtriebe vermuteten, waren allerorten Spitzel unterwegs. Kein Platz, keine Kneipe ohne Geheimagent der Polizeibehörden, der genau darauf achtete, wer welche innere Einstellung erkennen ließ – was Folgen haben konnte. Schön thematisiert hat das der tschechische Schriftsteller Jaroslav Hašek in seinem Roman Der brave Soldat Schwejk:
Seine nicht gerade altruistische Klugheit verbirgt sich hinter der Maske des amtlich beglaubigten Trottels, der sich gleich im ersten Kapitel in all seiner nur scheinbar dummen Beredsamkeit präsentiert und der den k.u.k.-Spitzel Bretschneider schwindlig redet, der sich anlässlich der Ermordung des Thronfolgers in den Prager Kaschemmen der Kleinbürger umschaut: Was Schwejk denn vom Franz Ferdinand halte? — Nun, dessen Tod in Sarajewo erinnere ihn an mehrere Ereignisse um Viehhändler und Waldhüter, nicht schad sei’s um die gewesen… und freilich lasse der Ferdinand sich nicht „durch jeden beliebigen Trottel ersetzen“…
Und jetzt schwadroniert Schwejk dem regierungsamtlichen Spitzel beide Ohren ab und andersrum wieder dran. Zwar hilft ihm diese rhetorische Meisterleistung zunächst nichts; er wird des Hochverrats angeklagt und landet nach einigen satirischen Breitseiten auf jedwede Staatsgewalt schließlich im Irrenhaus, das sich wegen Schwejks allzu großer Dummheit für unzuständig erklärt.
(Wer lieber Filme schaut statt Texte zu lesen findet diese Szene in den Minuten 03:27 bis 06:38 auf video.google.com)
In einem Spielfilm, der in der Zeit des 2. Weltkrieges spielt wird folgender Witz erzählt: Kommt ein Mann zum Arzt. Aus seinem Mund hängt ein Kabel. Fragt der Arzt: ‚Was ist Ihnen passiert?‘ Der Mann erzählt: ‚Ich war gestern auf einem Empfang und habe das Brötchen mit dem Mikrophon erwischt‘.
Zeichner, Autoren und Filmemacher fanden ihren Umgang mit Unterdrückung und staatlicher Willkür, teils schon während Freiheiten gerade eingeschränkt wurden und teils im Rückblick auf zurückligende Jahre.
Nun schreiben wir 2011. Wieder machen Künstler Witze über die stattfindende Überwachung. Letzte Woche war es Scott Adams, der seinem tragischen Helden Dilbert erkennen lässt, dass dessen Boss die volle Kontrolle über Dilberts Mobiltelefon ausübt.
Dass jetzt Scott Adams das Thema Überwachung in seine Comics packt lässt nichts gutes für die Zukunft erwarten. Von angezapften Mobiltelefonen – der modernen Variante des Brötchens mit Mikrofon – war in den letzten Jahren bereits häufiger zu lesen. Die gerade heraufdämmernde Epoche der ständigen Beaufsichtigung werden Chronisten späterer Zeitalter mit Sicherheit nicht als die Glücklichste beschreiben. Bis es soweit ist machen wir noch einige Witzchen.
Redaktionsmitglied Michael Renner
Meine Karriere als Redakteur bei der Piratenpartei startete 2009 beim Bundesnewsletter, aus dem 2010 die Flaschenpost hervorging. Im Sommer 2012 wurde ich stellvertretender Chefredakteur, Anfang 2014 Chefredakteur. Da die unzähligen Aufgaben an der Spitze der Flaschenpost einen Vollzeitjob in der Freizeit mit sich bringen, machte ich nach zwei guten, aber auch stressigen Jahren zwei Schritte zurück und gab die Redaktionsleitung ab. Die gewonnene Freizeit wird in die Familie und mein zweites großes Hobby, den Amateurfunk, investiert.