Gestatten: Bonds, Euro-Bonds… Das klingt zunächst nach Wodka-Martini, schnellen Autos, Explosionen und nur spärlich bekleideten Frauen. Anders als der Geheimagent mit der Lizenz zum Töten geistert der Begriff aktuell durch fast alle Medien. Doch dieser Begriff, der im Moment die Medien beherrscht, hat mit Geheimagenten nichts zu tun. Was aber sind dann Euro-Bonds überhaupt?
Was ist ein (Euro-)Bond?
Ein Bond ist zunächst ein festverzinsliches Wertpapier und stellt als solches einen Sammelbegriff für alle Formen von zinstragenden bzw. -bringenden Wertpapieren dar, die in der Regel zur langfristigen Fremdfinanzierung bzw. Kapitalanlage dienen. Beispiele hierfür sind Schuldverschreibungen, Anleihen, Pfandbriefe, Rentenpapiere oder Obligationen (Quelle: Wikipedia). Herausgeber (Emittenden) von Bonds können Privatunternehmen hoher Bonität, Staaten oder supranationale Institutionen sein, wobei das Wechselkursrisiko bei währungsüberschreitenden Anleihen vom Herausgeber getragen wird. Ein Euro-Bond ist somit eine Euromarkt-Anleihe mit mittlerer oder langfristiger Laufzeit, die von einem europäischen Land oder der EU selbst auf dem internationalen Kapitalmarkt platziert werden und in einer diesem Land bzw. Staatenbund fremden Währung aufgelegt werden. Der erste Eurobond wurde im Jahre 1963 von italienischen Autobahnbetreiberkonsortium Autostrada zur Finanzierung des weiteren Streckenaufbaus aufgelegt (Quelle: Wikipedia).
Im Sinne der aktuellen Berichterstattung bezeichnet der Begriff Eurobond erstmals eine gemeinsame Anleihe aller 17 Staaten der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion, also aller Staaten welche die Gemeinschaftswährung Euro eingeführt haben.
Direkte Folgen von Euro-Bonds
Eine solche gemeinsame Anleihe hätte für jene Staaten Vorteile, die von der Euro-Krise bedroht sind, denn sie könnten aufgrund der gemeinsamen Haftung aller emittierenden Staaten zu einem geringeren Zinssatz als momentan Fremdkapital aufnehmen und wären daher nicht auf Rettungsschirme oder den Verkauf von Staatsbesitz wie Land oder Unternehmen, teils weit unter Marktwert, angewiesen. Profiteure wären nach aktuellem Stand der Euro-Krise die Staaten Griechenland (welches gegenwärtigen Staatsleihen mit einem Zinssatz von ca. 16% ausgeben muss), Spanien, Portugal, Irland und Italien.
Nachteile entstünden insbesondere für Deutschland und Frankreich, welche Anleihen zu Zinssätzen von unter 3% emittieren können. Bei den Nachteilen müssen jedoch die Kosten für die Weiterführung des sogenannten Rettungsschirmsystems gegengerechnet werden. Sofern die Kosten durch den steigenden Zinssatz auf dann schätzungsweise 5-6% geringer sind als weitere Rettungsschirmkosten, würde jedoch dieser Nachteil bei einer Gesamtbetrachtung ausgeglichen werden. Die Kosten für ein Auseinanderbrechen der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion, also der €-Zone, dürften die Mehrkosten von Euro-Bonds mit einem höheren, gemeinsamen Zinssatz übersteigen.
Im Gegensatz zu einem einmaligen Rettungsschirm sollte ein deutliches Bekenntnis zur Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion das Vertrauen in den Euro und auf eine europäische Verbundenheit steigern. Zumal gerade am Rettungsschirm für Griechenland deutlich geworden ist, dass durch diesen weniger dem in Finanznot geratenen Staat als vielmehr den deutschen und franzöischen Finanzinstituten, die von den hohen Zinsen der griechischen Staatsanleihen profitieren wollten ohne an ein Kreditausfallrisiko zu denken, geholfen wird. Da Griechenland nur geholfen wird, indem Kapital zur Zahlung anstehender Zinslasten – aber nicht für Neuinvestitionen – zur Verfügung gestellt wird, regt sich bereits seit Wochen Widerstand innerhalb der griechischen Bevölkerung. Diese Protestbewegung lehnt Zahlungen aus dem Ausland ab, da diese trotz des Namens Finanzhilfe bzw. Rettungsschirm nicht zur Zahlung von Renten oder Löhnen staatlicher Bedienster verwendet werden können und somit nicht bei den Bürgern ankommen. Lieber solle die EU Griechenland pleite gehen lassen, damit man aus eigener Kraft neu beginnen könne (siehe z.B. “300 Griechen“).
Indirekte Folgen
Nach der bisherigen Betrachtung sähen Euro-Bonds also nach einem WIN-WIN aus. Zu den vorgenannten direkten Folgen kommen jedoch noch indirekte und teils langfristige Folgen hinzu: Um einen Wertverlust durch eine inflationäre Ausgabe von Euro-Bonds durch ein einzelnes Land vorzubeugen, müsste eine Kontrollinstanz eingeführt werden. Ebenso müsste durch eine Aufsicht eine Überwachung der Finanzpolitik der einzelnen Länder erfolgen. Das hieße die bislang souveränen Finanzminister würden einem europäischen Kontrollsystem mit einem “europäischen Finanzminster” an der Spitze unterstellt. Eine Teilentmachtung der einzelnen Finanzminister hat bereits mit dem Betritt zur €-Zone stattgefunden: die EU-Konvergenzkriterien und Stabilitäts- und Wachstumspakt. Anders als der Euro-Stabilitätspakt, der zwar als bissiger Tiger beschlossen wurde, doch befliessendliches Überhören seiner Förderungen jedoch zum zahnlosen Tigerchen verkümmerte, müsste eine europäische Fiskalbehörde jedoch weitreichende Kompetenzen und Befugnisse – auch und gerade in die Finanzhoheit der einzelnen, souveränen Staaten – haben. Defacto würden die nationalen Finanzminster weitgehend entmachtet werden um so einen Mißbrauch des neuen Haftungssystems, Euro-Bonds, durch einzelnde Staaten zum Ausgleichen deren Finanzlage zulasten der übrigen Staaten vorzubeugen. Denn das Einführen einer gemeinsamen europäischen Haftsgemeinschaft stellt einen kaum rückgängig zu machenden Schritt dar.
Langfristige Folgen
Langfristig würde die Idee einer dauerhaften Befriedung der europäischen Staaten untereinander durch wirtschaftliche Verflechtung, die vor dem Hintergrund des Zweiten Welkrieges geboren wurde und mit der Gründung der Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS bzw. Montanunion) am 18. April 1951 begonnen wurde umzusetzen, konsequent fortgeführt werden. Mit der Schaffung einer europaweiten Finanzaufsichtsbehörde würde nach der EG, der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik sowie der Polizeilichen und justizialen Zusammenarbeit eine vierte, wichtige Säule für einen “Europäischen Staat” geschaffen. Lediglich ein “europäisches Innenministerium” und eine europäische Verfassung fehlten dann noch.
Die Frage ob es Euro-Bonds geben soll oder nicht, ist somit auch die Frage nach der Auflösung der Souveränität der Nationalstaaten zugunsten eines paneuropäischen Staates und ob wir als EU-Bürger bereit hierzu sind. Nicholas Sarkozy und Dr. Angela Merkel haben dies angesichts des gestrigen Gipfels bzgl. des weiteren Vorgehens in der Euro-Krise nicht verkündet, denn die Frage nach Euro-Bonds wurde explizit von der Themenliste gestrichen. Darüber hinaus kündigten FDP und CSU bereits an, eher die Regierungskoalition zu beenden als Euro-Bonds mitzutragen. Und auch Merkel steht einer gemeinsamen Schuldenpolitik mittels Euro-Bonds ablehnend gegenüber – die Erfahrung des Atomausstieg zeigt allerdings das dies nichts zu heißen hat.
Wenn wir uns eher als Europäer denn als Deutsche sehen, den durch die Euro-Krise angeschlagenen Staaten helfen wollen aus eigener Kraft wieder “auf die Beine” zu kommen und letztlich Steuergelder sparen könnten – wieso sollte man da nicht das Experiment von weniger Deutschland und mehr Europa wagen?
Euro-Bonds und Europäischer Staat durch die Hintertür?
Interessanter Weise wurden auf dem gestrigen deutsch-franzöischen Krisengipfel einerseits die Schaffung einer Wirtschaftsregierung (also jener erwähnten europäischen Finanzbehörde) neben einer bislang von der schwarz-gelben Koalition abgelehnten Transaktionssteuer sowie einer gemeinsamen deutsch-franzöischen Körperschaftssteuer, welche ebenfalls bislang von Seiten der deutschen Regierung abgelehnt wurde, vorgeschlagen. Auch soll es verbindliche Regelungen für die zulässige Staatsverschuldung der einzelnen Euroländer geben. Andererseits wurden Euro-Bonds weiterhin abgelehnt, da sie nach Merkels Ansicht keine Lösung der Euro-Krise hilfreich seien und laut Sarkozy erst am Ende des Prozesses der europäischen Integration stehen könnten.
Da die Vehemenz der Ablehnung von Euro-Bonds durch die Bundeskanzlerin in der letzten Woche bereits deutlich abgenommen hat und die Rahmenbedingungen mit einer Wirtschaftsregierung durch die beiden wirtschaftlichen Leitstaaten Frankreich und Deutschland besprochen wurden, bleibt abzuwarten wie lange der Widerstand gegen die alternative Lösungsmöglichkeit der Euro-Krise noch aufrecht erhalten wird.
Gleichzeitig ist die bereits für 2013 vorgesehene Harmonisierung der Körperschaftssteuer zwischen Deutschland und Frankreich interessant, denn hier wird noch vor der Einführung der eigentlichen Wirtschaftsregierung begonnen die Souveränität der beiden Staaten einzuschränken – und dies bislang ohne erkennbare Befragung oder Beteiligung der Bürger. Ob die später mögliche Wirtschaftsregierung der 17 Euro-Staaten ebenso im Hinterzimmer beschlossen wird, bleibt abzuwarten.