Dieser Artikel entstand in Zusammenarbeit von Marina Weisband und Gefion Thürmer
Ich-Botschaften, gewaltfreie Kommunikation, Empowerment – das klingt alles ein bisschen hippiemäßig. Wenn man ordentlichen Zoff hat, weil der Andere einfach nichts versteht, möchte man sich mit sowas nicht herumschlagen. Im Streit aggressiv gewordene Konfliktparteien erwarten von so einem Vorgehen oft nicht, dass es ihnen irgendwie behilflich sein könnte. Auseinandersetzungen lassen sich doch durch bloßes reden nicht lösen. Oder doch? Streitschlichtung bedient sich der härtesten, der effizientesten Waffe der Menschheit: Kommunikation.
Was ist Streitschlichtung?
Streitschlichtung legt vom Namen her nahe, dass jemand von außen kommt und einen Streit beilegt; im Stil der alten Herrscher, die einen Kompromiss beschlossen, den die Streitparteien umzusetzen hatten. In Wirklichkeit handelt es sich bei der Streitschlichtung – oder Mediation – aber eher um eine Gesprächshilfe. Eine in Kommunikationstechniken geübte Person strukturiert die Verständigung der Kontrahenten so, dass sie die Möglichkeit haben, sich selbst auf ein weiteres Vorgehen zu einigen.
Wie funktioniert das?
Es gibt verschiedene Wege eine Mediation zu beginnen. Zunächst wird in jedem Fall, über die Mediation und ihre Möglichkeiten an sich aufgeklärt und Regeln für das Gespräch festgelegt. Dann können entweder die Konfliktparteien eine Hierarchie der zu behandelnden Themen herausarbeiten und dasjenige heraus stellen, das konkret am wichtigsten ist. Oder beide Parteien erhalten in Einzelgesprächen mit dem Mediator erst einmal Gelegenheit, sich auszukotzen – das verschafft diesen Erleichterung und ermöglicht so einen guten Start, und ermöglicht dem Schlichter einen ersten Einblick in die Problematik.
In jedem Fall schildert dann jede Konfliktpartei, wiederum in Einzelgesprächen, erstmal die Situation mit allen Begleitumständen. Das tut sie, ohne vom anderen unterbrochen oder ergänzt zu werden. Nachdem sie die Situation erklärt hat, geht sie auch darauf ein, was ihre Motive und Interessen in dieser Situation sind und welche Lösung sie zufrieden stimmen würde. Wenn die eine fertig ist, bekommt die andere Partei die Möglichkeit, dasselbe aus ihrer Sicht zu schildern. Allein schon diese umfangreiche Darstellung der eigenen Position ist oft hilfreich, um zu erkennen, dass der Konflikt meist nicht auf Handlungsebene liegt, sondern auf Wahrnehmungs- oder Interessensebene.
Dem Mediator fällt dabei die Rolle zu, den Konfliktparteien von einem neutralen Standpunkt aus zuzuhören. Er urteilt nicht, sondern wägt das Gesagte lediglich ab und versucht dabei, die Kernprobleme herauszufinden. Dazu reflektiert er was die Parteien erzählen und und führt beide mittels Gesprächen zu einem tieferen Verständnis des tatsächlichen Problems. Er legt dadurch auch den Grundstein auch für ein Hineinversetzen in die Gegenseite. Ziel ist dabei, dass beide Seiten ihre jeweilige Motivation nachvollziehen können – oft stellt sich dabei heraus, das der Grund allen Übels ein Missverständnis oder eine falsche Auffassung einer Tat oder weniger Worte war.
Wenn die Situation beschrieben und klar ist, geht es in Gemeinschaftsgespräche, die vom Mediator begleitet werden. Zunächst gibt es dabei ein wildes Brainstorming. Alle sammeln erstmal bewertungsfrei Lösungsvorschläge für den konkreten Konflikt. Diese werden festgehalten und anschließend von den Medianten selbst bewertet. Dieser Prozess darf ruhig dauern, man sollte nicht auf die erstbeste Lösung verfallen. Aufgabe des Mediators ist es hier auch, zu überprüfen, ob die Lösung realistisch ist und umgesetzt werden kann. Im Zweifel erfragt er mögliche Hindernisse und weist auf mögliche Probleme bei den jeweiligen Lösungen hin. Er hilft also auch bei der Abwägung der verschiedenen Lösungswege.
Die gewählte Lösung wird am Ende schriftlich vereinbart. Dieser Schlichtungsvertrag sollte möglichst detailliert sein und Umsetzungsfristen beinhalten. Im Zweifel sollte auch das Vorgehen bei neuen Konflikten festgelegt sein. Der Vertrag bildet den physischen Abschluss der Mediation.
Was ist wichtig?
Die Streitschlichtung unterliegt – je nach Schule – einem Katalog von Regeln. Sie bleibt immer streng problemlösungsorientiert. Sie trennt Person und Sache. Sie erkennt an, dass Wahrnehmung von Person zu Person verschieden ist und daher konfliktauslösend sein kann. Die Medianten sprechen immer von sich selbst und ihrer Sichtweise, nicht von der Gegenseite als Subjekt. Sie machen keine Unterstellungen und beleidigen nicht. Die Rolle des Zuhörers ist genauso aktiv, wie die Rolle des Sprechers.
Der Streitschlichter achtet darauf, dass diese Regeln eingehalten werden. Er setzt darüber hinaus selbst Kommunikationstechniken ein, die die Kontrahenten ermutigen, ihre Perspektive und Bedürfnisse wirklich umfassend zu schildern und das Vorgetragene zu strukturieren. Dazu gehören aktives Zuhören, Paraphrasieren (das Gesagte kurz zusammenfassen), Empowerment oder Perspektivwechsel. Sehr vereinfacht gesagt, sorgen die Regeln der Mediation dafür, dass ein vernünftiges Gespräch entsteht.
Wie geht es danach weiter?
Der erarbeitete Vertrag wird im Verlauf der Schlichtung so konzipiert, dass beide Parteien ihn umsetzen möchten. Nach der Schlichtung machen sie sich genau daran und sind hoffentlich mit dem Resultat zufrieden. Handlungsanweisungen für neue Konflikte sind möglicherweise schon im Vertrag festgelegt. Im Zweifel kann auch nochmal der Mediator hinzugezogen werden. Was auch nicht zu unterschätzen ist: Abgesehen vom Vertrag, haben die Medianten auch Wissen aus der Schlichtung mitgenommen. Sie haben trainiert, zielführende Kommunikationstechniken einzusetzen und sind sensibilisiert für die unterschiedlichen Bedürfnisse und Wahrnehmungen. Bestenfalls haben sie Einsicht in die Sichtweise ihres Gegenübers gewonnen und können bei zukünftigen, potentiellen Konfliktsituationen besser auf diese eingehen und weitere Auseinandersetzungen vermeiden. Allein das hat schon das Potential, neue Konflikte zu verhindern. Eine gute Mediation ist also nicht nur gut geeignet, um ein konkretes Problem zu lösen, sondern auch eine Übung zum Kommunizieren allgemein. Und Kommunikation hat die Macht, Frieden herzustellen.
Und wie kann man das machen?
Schlichter findet man am besten über verschiedene Verbände, darunter die Deutsche Gesellschaft für Mediation oder den Bundesverband Mediation. Beide vermitteln auch Ausbildungen, die es aber auch an vielen anderen Einrichtungen gibt. Die Ausbildung zum Mediatior ist langwierig und teuer (zwischen 800 und 7.000 Euro). Die Berufsbezeichnung ist nicht geschützt, was bedeutet, dass sich jeder unabhängig von seiner Qualifikation Mediator nennen kann. Es gibt viele Abstufungen, unter anderem wird in vielen deutschen Schulen neben dem Unterricht eine Ausbildung zum Streitschlichter angeboten, die für die Schüler kostenfrei ist.
Innerhalb der Piratenpartei entsteht gerade unter der Schirmherrschaft des Stellvertretenden Bundesvorsitzenden Bernd Schlömer ein Streitschlichterteam. In vielen Landesverbänden gibt es zudem Vertrauenspiraten, die bei Schlichtungen beratend zur Seite stehen. Der Versuch einer Schlichtung ist Voraussetzung, um ein Verfahren vor einem Schiedsgericht zu beginnen.