

Jede neue Umfrage zum Thema ‚Vertrauen in die Politik‘ wird mit dem Wort Tiefpunkt betitelt. Die Meinungsforscher fragten bisher „Glauben Sie, dass Politiker aufrecht sind?“. Neu hinzukommen muss nun die Frage „Glauben Sie, dass Politik sich und ihr Wirken über die Gesetze stellen?“!
Mit der Enttarnung des Bayerntrojaners ging wieder ein Stückchen Vertrauen verloren. Begründet wurde die Spionagesoftware mit dem Kampf gegen den Terror. Also einzig den Schlimmsten der Schlimmsten der Schlimmsten sollte dieses Wunder-Programm untergeschoben werden. Als das Bundesverfassungsgericht dem Einsatz enge Grenzen setzte, hörten die Verantwortlichen in der Politik und bei den Behörden wohl weg – die Software sollte alles können!
Der gesunde Menschenverstand wird nicht leugnen, dass es in einer durchtechnisierten Zeit auch technisierte Methoden für Kriminalisten geben muss. An jedem Tatort werden Fingerabdrücke gesucht in der Annahme sie seien vom Täter. Und während die Polizei früher die Nachbarn am Tatort fragten „wen haben sie in der fraglichen Nacht gesehen“, wird diese Frage heute an die Betreiber der Mobilfunkmasten gestellt. Während früher „Fangschaltungen“ halfen Erpresser zu fangen, werden heute Funkzellen abgefischt. Und wenn Sicherheitsbeamte und ihr politischer Arm von CDU uns CSU sagen „wir brauchen das um die Schlimmsten der Schlimmsten der Schlimmsten zu fangen“ dann möchte ich ihnen glauben! Denn ich weiss, dass es nicht nur die Sonnenseite des Lebens gibt. Sondern auch Schattenreiche, in denen Gewalt und Rechtlosigkeit besteht. Deswegen gibt es seit Uhrzeiten die Polizei und Behörden, die hohes Vertrauen in der Bevölkerung geniessen.
Und dann sehe ich, dass dieses Vertrauen missbraucht wird. Viele dieser „Schlimmsten der Schlimmsten der Schlimmsten“ wurden erst von unseren Sicherheitsbehörden radikalisiert oder zu Anschlagsplänen animiert – um sie dann vor laufenden Fernsehkameras zu verhaften. Und der Beifang der angeblich unverzichtbaren Telefonüberwachung kommt mir tragisch-komisch vor: ein koksender Promi, ein kleiner Steuerhinterziehungsfisch (Bewährung) und vieles andere bis zum Bonbondieb. Mit der Keule der Funkzellenüberwachung sollten in Dresden mal nicht Terroristen oder das Organisierte Verbrechen, sondern „Linke Gewalttäter“ bei einer gegen die NPD gerichteten Demonstration beobachtet werden. „Nun ja“ denkt man sich, Gewalt geht gar nicht. Auch nicht bei einer Demonstration gegen die NPD. Doch gegen Ende des Tages fanden sich fast 1 Mio. Datensätze in den Polizeicomputern. Denn abgegriffen wurden die mobilen Daten aller, die sich zur fraglichen Zeit am fraglichen Ort befanden: Anwohner, Spaziergänger, Demonstranten, Journalisten und selbst Bewegungsprofile von Bundestagsabgeordneten, die an der (Gegen-)Demonstration teilnahmen.

Und nun der Bundestrojaner aus Bayern. Kein Vorzeigeobjekt des High-Tech-Standortes. Denn die technischen Mängel sind eklatant – und bei einer hessischen Softwareschmiede gekauft. Bei der Begutachtung der Fähigkeiten dieses Programms wird klar: bei der Erstellung des Pflichtenheftes blieb die Einhaltung der Verfassungsvorgaben außen vor.
Der Einsatz dieser Software bedeutet den offenen Verfassungsbruch. Und Herr Uhl lässt frech prüfen, ob der Chaos Computer Club (CCC) juristisch belangt werden kann? Seine Buben handelten kriminell, nicht der CCC, der die Aufklärungsarbeit leistete. Die Rollen sind ohnehin seltsam vertauscht: die einen vertuschen, wiegeln ab, lügen über wahrscheinlich oder angeblich erfüllte Informationspflichten. Die anderen ermitteln, klären auf, informieren vor Gefahren. Die Behörden entpuppen sich als Gesetzesbrecher, der CCC, der das Wort ‚Chaos‘ im Namen führt verhält sich staatstragend, ein zweites Karlsruhe!
Jeder Rest von Vertrauen ist verloren. Ausgerechnet die Sicherheitsbehörden, die uns versprechen den Rechtsstaat zu schützen, treten die Verfassung, das höchste aller Gesetze, mit Füssen. Kein Anflug von Anstand, von Aufrichtigkeit oder Gesetzestreue – ganz anders als der Rest der Bevölkerung, die zum Großteil Werte und hohe moralische Ansprüche an sich selbst hat! Unter normalen Umständen ziehen sich nach jedem derartigen Skandal einige hunderttausend Bürger in politisches Schneckenhaus zurück und bleiben den Wahlen fern – es ändert ja doch nichts. Dieses Mal jedoch kann es anders kommen. Es gibt eine einzige Partei, die offensiv gegen Grundrechtsbruch streitet und gleichzeitig die reelle Chance hat bei der Bundestagswahl nicht an der 5% Hürde zu scheitern. Das Interesse und die öffentliche Zustimmung, die wir als Partei seit der Enttarnung des Bundestrojaners erfahren ist enorm. In der „Sonntagsfrage“ liegen wir stabil bei 10%, die Mitgliedszahlen bewegen sich auf die 20.000 zu. Der Zyniker in mir will den Herren Friedrich, Uhl und Zierke zurufen „weiter so“. Mein rationaler Verstand murmelt leise „hört doch auf mit dem Scheiss, es ist doch unser Leben und unser Land, das ihr hier kaputt betrügt“.
Redaktionsmitglied Michael Renner
Meine Karriere als Redakteur bei der Piratenpartei startete 2009 beim Bundesnewsletter, aus dem 2010 die Flaschenpost hervorging. Im Sommer 2012 wurde ich stellvertretender Chefredakteur, Anfang 2014 Chefredakteur. Da die unzähligen Aufgaben an der Spitze der Flaschenpost einen Vollzeitjob in der Freizeit mit sich bringen, machte ich nach zwei guten, aber auch stressigen Jahren zwei Schritte zurück und gab die Redaktionsleitung ab. Die gewonnene Freizeit wird in die Familie und mein zweites großes Hobby, den Amateurfunk, investiert.