Am Mittwoch, dem 09. November 2011, hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entschieden, dass die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei der Europawahl unzulässig ist. Zu Grunde liegt hierbei, dass bei der Europawahl 2009 wegen der Fünf-Prozent-Sperrklausel 2,8 Millionen Stimmen unter den Tisch gefallen sind.
Dies ist ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz und darum war der bekannte Verfassungsrechtler Prof. Hans Herbert von Armin mit zwei weiteren Beschwerdeführern vor das BVerfG gezogen und hat Recht bekommen. Jedoch hat dies rückwirkend keine Auswirkungen auf die Europawahl 2009. Allerdings wird bei der nächsten Europawahl in 2014 nun jede Stimme zählen.
Der für diese Entscheidung wichtige Gleichheitsgrundsatz im Wahlrecht besagt, dass alle Beteiligten, also Kandidaten, Parteien und Wähler, gleichberechtigt sein müssen. Dies kann natürlich nur erfüllt sein, wenn es nicht einen triftigen Grund gibt, der dagegen spricht. Womit wir wieder bei der Fünf-Prozent-Sperrklausel sind. Diese ist eigentlich dafür gedacht einer Zersplitterung von Parlamenten, die eine Regierung wählen müssen, vorzubeugen. Vor diesem Hintergrund ist die Entscheidung des BVerfG nachzuvollziehen. Das EU-Parlament wählt de facto keine Regierung, also ist kein triftiger Grund für eine Fünf-Prozent-Sperrklausel vorhanden. Kleine Parteien, die es bereits in EU-Parlament geschafft hatten, stellen bislang kein Problem dar, da diese sich bisher meistens den großen Fraktionen angeschlossen haben. So wurde auch auf kommunaler Ebene die Sperrklausel bereits von den meisten Landesverfassungsgerichten und dem BVerfG gekippt. Die noch bestehenden kommunalen Sperrklauseln liegen bei 5% in Bremen und 3% in Berlin für die Bezirksverordnetenversammlung.
Es ist inzwischen auch im Gespräch, die Fünf-Prozent-Sperrklausel auf Bundesebene aufzuheben. So will z.B. die Linke dagegen klagen und dadurch kleinen Parteien den Einzug in den Bundestag ermöglichen. Jedoch stellt sich hier die Hürde, dass der Bundestag sehr wohl eine Regierung wählen muss und auf ein funktionierendes Parlament angewiesen ist, um regieren zu können. Somit lässt sich die Fünf-Prozent-Sperrklausel für den Bundestag und die Landesparlamente gut begründen. Diesen Unterschied betonte das BVerfG auch ausdrücklich und man könnte durchaus aus der Entscheidung herauslesen, dass eine Klage gegen die Fünf-Prozent-Sperrklausel auf Bundesebene keinen Erfolg hätte. Jedoch wurde auch schon in der Vergangenheit versucht gegen diese Fünf-Prozent-Sperrklausel vorzugehen, unter anderem 2009 von den Piraten.
Weiter stellt sich natürlich die Frage, wie die Situation in anderen Länder ist. Da die Entscheidung über das Wahlrecht pro Land geregelt ist, ist das natürlich sehr unterschiedlich. So haben einige Länder eine Sperrklausel, andere hingegen nicht. Falls es eine Sperrklausel gibt, unterscheidet die sich sogar in der Prozentzahl. So ist diese z.B. in Griechenland bei 3%, in Österreich bei 4% – aber dort darf man schon ab 16 wählen – und in Frankreich bei 5%, aber dort nur per Wahlkreis.
Wenn man diese Entscheidung weiter denkt, besagt diese ja eigentlich, dass alle Stimmen im gesamten Wahlbereich, sprich in allen Mitgliedstaaten, gleich sein müssen. Zwar gilt das Urteil jetzt nur für Deutschland, aber das Prinzip sollte im gesamten Wahlbereich Beachtung finden, wenn doch alle Bürger der Mitgliedstaaten das selbe Parlament wählen. Dies ist jedoch nicht der Fall.
Allerdings gibt es vom EU-Parlament eine Initiative, das Wahlrecht für die Europawahl 2014 grundlegend zu reformieren. Dabei ist es vorgesehen, dass ein Teil der Sitze über gemeinsame europaweite Listen gewählt wird. Für diese europaweiten Sitze könnte dann jede Partei auf europäischer Ebene und jede Fraktion im EU-Parlament eine Liste aufstellen.
Der entsprechende Vorschlag hierzu wurde vom zuständigen Berichterstatter Andrew Duff bereits 2008 eingebracht und im April 2011 vom zuständigen Ausschuss für konstitutionelle Fragen verabschiedet. So eine Änderung erfordert aber eine Veränderung des Vertrags über die Europäische Union und müsste somit von allen Mitgliedstaaten ratifiziert werden, was unwahrscheinlich ist.