Das Thema Asylpolitik ist derzeit in Deutschland so aktuell wie schon lange nicht mehr, auch für die Piraten. In ganz Deutschland protestieren sie aktiv mit, für die Menschenrechte, für eine menschenwürdige Asylpolitik und gegen die aktuellen Zustände in vielen Asylbewerberheimen. In Nürnberg fand dazu am Samstag das Frankenplenum „Asylpolitik“ statt, mit Rednern aus Berlin und vom Bayrischen Flüchtlingsrat.
Einleitende Worte richtete Oliver Höfinghoff, einer der 15 Piraten aus dem Berliner Abgeordnetenhaus, an die Erschienenen. Er begann mit einem Bericht aus seiner Anfangszeit im Abgeordnetenhaus, vor allem den großen und kleinen Problemen mit denen sie zu kämpfen hatten. Einer seiner wichtigsten Tipps zur Vorbereitung auf die Arbeit im Parlament war, das sich Kandidaten vorher klar machen sollten was genau ihre Arbeit dort sein wird. Zu Beginn steht nicht die politische Arbeit, sondern vielmehr die organisatorische und planende im Vordergrund.
In Anschluss begann die erste Rednerin, Agnes Andrae vom Bayerischen Flüchtlingsrat (für den es seit 1986 einen unabhängigen überregionalen Dachverband gibt). Sie begann mit der aktuellen Kampagnen gegen die derzeitige Lagerunterbringung in Bayern. Auf engstem Raum müssen die ohnehin traumatisierten Schutzsuchenden mit völlig Fremden leben, in alten Bauwerken die teilweise von Ungeziefer heimgesucht werden. Berechnungen haben ergeben, dass die Unterbringung in Wohnungen den Staat günstiger kommen würde – denn für die Instandhaltung der oft sehr alten Kasernen und anderen baufälligen Gebäude ist ein sehr hoher Kostenaufwand nötig.
In Deutschland wurden im Jahr 2011 nur 45.000 Asylerstanträge gestellt, führte sie weiter aus. Die meisten Flüchtlinge kommen aus Afghanistan, dem Irak oder Serbien. Dass nur diese relativ geringe Zahl in Deutschland ankommt liegt an der Dublin II Regelung, nach der Flüchtlinge sich in dem Land melden müssen, in dem sie nach Europa kommen. Die Länder, in die die Schutzsuchenden nach Europa einreisen sind damit auch für sie verantwortlich – so bleiben viele Schutzsuchende an den Randländern Europas, beispielsweise in Griechenland oder Polen hängen. Jeder fünfte Flüchtling in Deutschland ist über ein anderes Land eingereist und nicht per Flugzeug oder Schiff. Diese werden dann über die sogenannte „Drittland-Regelung“ schon in der ersten Instanz zurück an das Land ihrer Einreise abgeschoben.
Einmal in Deutschland angekommen, kann der Asylsuchende seinen Asylantrag bei jeder Behörde stellen. Zu Anfang findet ein Interview statt, welches als Grundlage für den Asylantrag dient. Vielen ist nicht klar, welchen wichtigen Charakter dieses Interview hat. Es ist schwierig hinterher noch andere Gründe gelten zu machen, nachdem im Interview nichts anders angegeben wird.
2011 wurden in Deutschland nur 1,3% der Asylanträge genehmigt, diesen 1,3% wird anschliessend für ein Jahr Schutz in Deutschland gewährt.
Mit einer Duldung, also keinem angenommenen Asylantrag leben derzeit 87.000 Menschen in Deutschland, davon mehr als die Hälfte seit mehr als 6 Jahren. Diesen Schutzsuchenden ist es verwehrt zu arbeiten, sich frei zu bewegen oder selbstbestimmt einzukaufen.
In Bayern ist die Lage besonders schlimm, in der bayrischen Asylpolitik prägt der Wunsch, die „Bereitschaft zur Abreise zu fördern“ das Bild. So ist das Flüchtlingslager in Coburg voller Kakerlaken und das größte Flüchtlingslager, in Würzburg, ist mit Stacheldraht umzäunt. In der ehemaligen Kaserne herrscht abgesehen davon Gefängnisstimmung, inklusive Kontrollhäuschen am Eingang. Vor allem für traumatisierte Flüchtlinge, die schlimmes in ihrer Heimat erlebt haben, gleicht die Unterbringung mit Unbekannten auf engstem Raum psychischer Folter. Es gibt zwar Mindeststandards, doch werden diese nicht immer eingehalten.
Der Bayerische Flüchtlingsrat fordert drei Maßnahmen, die die Lebensqualität für die Schutzsuchenden verbessern oder überhaupt erst ein menschenwürdiges Leben herstellen könnten:
- Unterbringung in Wohnungen anstelle von Lagern
Die Kosten für den Freistaat würden nach Rechnungen des bayrischen Flüchtlingsrates sinken, der Widerstand in der Bevölkerung gegen die Flüchtlingslager würde wegfallen. Untergebracht in Wohnungen hätten die Schutzsuchende eine gewisse Privatsphäre und wären weniger separiert von der Bevölkerung.
- Aufhebung der Residenzpflicht
Möchte ein Flüchtling den Regierungsbezirk verlassen, muss er dies beantragen und dafür eine Bearbeitungsgebühr von 10 Euro zahlen. Dadurch werden Besuche von Verwandten und Bekannten, die in anderen Flüchtlingsheimen untergebracht sind, erschwert. Bei geringen Finanzmitteln wird dies nahezu unmöglich, vor allem da Fahrtkosten selbst getragen werden müssen.
- Verbesserung der Verpflegungssituation
Neben Einkäufen mit Essensmarken nur in zugelassenen Geschäften sowie Essenspaketen gibt es sehr viele andere Regulierungen, die den Bezug von Lebensmittel für Flüchtlinge erschweren. Auf der Seite der Verwaltung ist hierfür ein unverhältnismäßig hoher logistischer Aufwand nötig, der einfach zu beheben wäre: Bayern müsste sich dazu durchringen – so wie andere Bundesländer – allen Schutzsuchenden den ihnen für die Verpflegung zustehenden Betrag direkt auszuzahlen.
Ein weiterer Punkt, durch den Schutzsuchende das Leben in Deutschland erschwert wird: Es ist ihnen nicht gestattet zu arbeiten, selbst wenn sie eine gute Ausbildung haben und auf dem Arbeitsmarkt eine Stelle für sie frei wäre. In diesen Fällen müsste der Arbeitgeber die Stelle für den Flüchtling ausschreiben. Sie muss zuvor für mindestens vier Jahre nicht besetzt sein und die Ausländerbehörde prüft, bevor der Flüchtling die Stelle antritt, ob tatsächlich kein Deutscher oder EU Ausländer die Arbeit machen könnte. Die gesundheitliche Versorgung ist auch eher schlecht, so müssen Mitarbeiter des Sozialamtes eine Erkrankung bestätigen und dem Asylsuchenden die Erlaubnis erteilen zum Arzt zu gehen. Das Personal im Sozialamt ist aber i.d.R. nicht ausreichend qualifiziert, Krankheiten festzustellen.
Als zweite Rednerin schilderte Mareike aka Carridwen was sich unter dem Namen „Flüchtlingskarawane“ in den letzten Monaten in Deutschland zugetragen hat, sowie ihre Erlebnise mit den Flüchtlingen in Berlin. In ihrem Blog wird sie in den nächsten Tagen große Teile ihres Vortrags online stellen, bitte lest also dort mehr darüber!