Bayern ist ein beliebtes Touristenziel. Die Berge, die Seen und die beschaulichen Städtchen des Freistaats ziehen jährlich mehrere Millionen Touristen an. Es gibt tausende Reiseführer, welche die Besonderheiten des kleinen Lands am Rand der Alpen beschreiben. Da ist beispielsweise das Rauchverbot zu nennen, das Besucher von Kneipen vor blauem Dunst schützt und so zum längeren Verweilen einlädt.
Viele Reiseführer machen darauf aufmerksam, dass es an Wochenenden unverzichtbar ist, in Restaurants und Kneipen Tische vorab zu reservieren.
Wer versucht, mit mehr als vielleicht vier Personen ohne Voranmeldung einen Platz zu bekommen, wird die Suche nach einem freien Tisch bald aufgeben und mit einer eingeschränkt positiven Erinnerung an Bayern heim reisen. Doch wo die Not so groß ist wie die freien Plätze in Bayerns Kneipen selten, ist eine Lösung nicht fern. Leider hat diese neue Art der Gastlichkeit noch keinen Eingang in die Reiseführer gefunden. Deswegen springt die Flaschenpost, das Magazin für aktuelle Publizistik, in dieses Bresche und berichtet als Erstes vom neuen Trend in Bayerns Gastronomie.
Der Bayer an sich zieht nicht gerne von Kneipe zu Kneipe, wie dies beispielsweise die Bewohner des Rheinlandes tun. Er setzt sich, sobald die Wahl auf ein bestimmtes Lokal fällt, fest und bleibt dort sitzen, solange dies eben noch möglich ist. Die bayrische Unlust an der abendlichen Bewegung geht zuweilen so weit, dass die den Rauchern vorgeschriebenen Schritte vor Tür schon zu viel sind. Zumal natürlich die Gefahr besteht, dass ein umherziehender Rheinländer sich inzwischen des verwaisten Sitzplatzes bemächtigt, was es zu verhindern gilt.
Schlaue Kneipenwirte haben Konzepte entwickelt, um die Kombination aus bayrischer Unbeweglichkeit, Rauchverbot und Überfüllung in ein gastronomisches Erlebnis der besonderen Art zu verwandeln: Die geschlossene Gesellschaft! Die geschlossene Gesellschaft besteht aus selten mehr als zehn Personen, die sich als „Hochzeitsgesellschaft“ oder „Klassentreffen“ in ehemaligen, immerhin noch funktionstüchtigen Kneipen treffen. Solche Gesellschaften sind für Außenstehende leicht zu erkennen: Die Räume fast leer, an den Wänden hängen gut sichtbar Spielautomaten, auf den Tischen stehen Aschenbecher. Es ist für Fremde nicht sehr schwer, Zugang zu solchen geschlossenen Gesellschaften zu bekommen.
Zuerst versucht der Wirt die unbekannten Besucher abzuwimmeln, befürchtet er doch Ärger mit Behörden. Nach einer kurzen Beschnupperphase ist der Gast trotzdem auf diese typisch bayrische Art willkommen. Doch gilt es für die Neuankömmlinge einige Verhaltensregeln zu beachten: Als Getränk kommt für die Herren nur Bier in Frage, das auf bayrisch „Helles“ ausgesprochen wird. Die Damen bestellen „Prosecco“, worauf hin gerne „Spritz“ serviert wird. Gegessen wird á la carte, also Pizza. Die Zigarette vor, während und nach dem Essen wird am Tisch sitzend, auf keinen Fall vor der Tür, eingenommen. Aufgestanden wird ohnehin nur für den Gang zur Toilette oder zum Spielautomaten an der Wand. Hier fühlt man sich schnell so richtig wohl!
Nächste Woche berichten wir dann aus den zeitvergessenen Gebieten des bayrischen Waldes, wo Frauen trotz bayrischem Kopftuchverbot auch heute Kopftuch tragen dürfen.
Redaktionsmitglied Michael Renner
Meine Karriere als Redakteur bei der Piratenpartei startete 2009 beim Bundesnewsletter, aus dem 2010 die Flaschenpost hervorging. Im Sommer 2012 wurde ich stellvertretender Chefredakteur, Anfang 2014 Chefredakteur. Da die unzähligen Aufgaben an der Spitze der Flaschenpost einen Vollzeitjob in der Freizeit mit sich bringen, machte ich nach zwei guten, aber auch stressigen Jahren zwei Schritte zurück und gab die Redaktionsleitung ab. Die gewonnene Freizeit wird in die Familie und mein zweites großes Hobby, den Amateurfunk, investiert.