Seit kurzer Zeit gibt es in Frankreich ein Projekt, das Hoffnungen auf echte Basisdemokratie macht. „Demos Kratos“, griechisch für „Volk ist Herrscher“, ist eine parteineutrale, dezentrale Initiative in ganz Frankreich. In kommunalen Bürgerversammlungen soll jeder volljährige, politisch interessierte Franzose eine Plattform haben um seine Meinung einzubringen, über Themen von lokaler, regionaler und nationaler Bedeutung abzustimmen und gemeinsam mit anderen Anträge an die gewählten Berufspolitiker zu erstellen.
Demos Kratos soll zwischen repräsentativer und direkter Demokratie vermitteln, gegebene Strukturen ergänzen und politische Erfahrung mit niedriger Einstiegsschwelle ermöglichen.
Es ist als Lösung für große Probleme der Demokratie gedacht:
1. Beteiligung der Bürger an der Politik
Die Mittel zur Teilnahme an den Entscheidungsprozessen der Politik außerhalb von Wahlen sind sehr begrenzt. Wer seine Meinung einbringen möchte, muss dafür an Demos teilnehmen und Petitionen unterzeichnen. Und wenn es diese nicht gibt, weil man ländlich wohnt, oder das Thema nicht sehr populär ist? Dann muss man Gleichgesinnte finden, sich organisieren, Plakate aufhängen, Stände machen, den Kampf gegen die Windmühlen mit der lokalen Verwaltung aufnehmen, um dann vielleicht eine Demo oder Petition starten zu können, von der der Abgeordnete im Landtag vermutlich nie etwas erfährt. Außerdem fehlen vielen Menschen dafür schlicht Zeit und Geld.
2. Verständnis für und Erfahrung mit politischen Prozessen
Kritiker der direkten Demokratie rufen immer wieder, sie funktioniere nur unter idealen Bedingungen: exzellentes Bildungsniveau, viel Zeit um sich zu informieren, allgemeine „Vernünftigkeit“ der Menschen… Wie oft ärgert man sich an Infoständen oder in privater Runde über Aussagen wie „Ja, ist doch ganz einfach, gleich abschieben diese Ausländer!“ „EU? Der Mist bringt uns doch gar nichts!“ usw. Und solche Menschen sollen Politik machen?
Was will Demos Kratos?
Demos Kratos hat sich zur Aufgabe gemacht, den Teilnehmern Verständnis für die Prozesse der Politik und die Komplexität der Themen zu vermitteln, sie sozusagen für die Demokratie zu bilden. Es dient auch als Plattform für Informationen, Diskussionen und intensive Beschäftigung mit den Themen. Außerdem – und das macht es zu einer großen direktdemokratischen Bewegung, mehr als nur ein paar groß geratene Stammtische – soll ab November ein umfassendes „social network“ der Organisation eröffnet werden. Hier sollen die Arbeiten der „assemblées“ (so heißen die Bürgerparlamente im Original) transparent gemacht, Diskussionen geführt, Erklärvideos zu einzelnen Themen geteilt, und so ziemlich die gesamte Koordination des Projekts gemanagt werden.
Organisation
Die Teilnehmer von Demos Kratos treffen sich wöchentlich, Samstags oder Sonntags, in der „assemblée“. Diese kann man sich weniger als klassisches Parlament, sondern eher als Mischung aus Ausschuss für alles, Forum und Antragswerkstatt vorstellen. Diese kommunizieren einerseits digital über die Online-Plattform von Demos Kratos, die etwa die Funktionen einer Ständigen Mitgliederversammlung erfüllen soll, andererseits aber auch analog, indem sich die verschiedenen assemblées auf départementaler, regionaler und nationaler Ebene zusammenschließen. Besonders interessant könnte für die deutschen Piraten das Online-Tool von Demos Kratos sein, da es uns vielleicht neue Kommunikations-und Vernetzungsmöglichkeiten vorführt und das Problem der Mitbestimmung zwischen den Parteitagen auch über den Basisentscheid hinaus lösen kann.
Ab September werden die ersten analogen Versammlungen stattfinden, bis November sollte das System voll funktionsfähig sein, obwohl – so die Gruppe – die Arbeit an den Strukturen und der Software nie ganz abgeschlossen sein soll. Jeder könne Ideen zur Verbesserung von Technik, Benutzeroberfläche, Werkzeugen, etc. einbringen, die so gut wie möglich umgesetzt werden sollen.
Natürlich wird die Flaschenpost das Projekt weiter verfolgen und euch auf dem Laufenden halten!