Wer den Wandel des Begriffs Sicherheit begreifen möchte, kann sich auf der 50. Münchner Sicherheitskonferenz ein Bild davon machen. Denn während die Ausgaben für die konventionelle Rüstung ständig sinken, wird verstärkt in den virtuellen Krieg investiert.
Oft wird plakativ verlangt, wir müssen zwischen Sicherheit und Freiheit wählen. Doch für Cecilia Malmström, EU-Kommissarin für Innenpolitik, schliessen sich Sicherheit und Freiheit nicht gegenseitig aus. Sie vertritt den Standpunkt, dass „was getan werden kann eben nicht unbedingt getan werden muss“. Wie sollen wir auch das Internet nutzen, wenn das Vertrauen beschädigt ist? Sie will Straftaten verfolgen und gleichzeitig Freiheiten gewähren. Diese zwei Linien müssten eine Balance finden. Internetkriminalität ist ein Wachstumsmarkt, der bekämpft werden muss. Das kann aber nur funktionieren, wenn Staaten kooperieren. Derzeit bedarf das zwischenstaatliche Vertrauen aber einen Neustart – auch über den Atlantik hinweg.
Hierzulande regt sich zwar Unmut über die Praxis der NSA, „Überwachung Made in Germany“ wird inzwischen jedoch von den meisten hingenommen, wenn nicht gar als Beitrag zur Sicherheit begrüsst. Vor einigen Jahren hätten wir Überwachungskameras in der U-Bahn nicht akzeptiert, heute werden sie nur von wenigen hinterfragt. Wenn der Wandel in der Wahrnehmung des Begriffs „Überwachung“ weiter geht, glauben wir vielleicht eines nicht so fernen Tages, dass im Badezimmer installierte Kameras zu unserem Besten sind – wenn man uns nur verspricht, dass die Daten niemals weiter gegeben werden.
Für Thomas de Maizière ist, bei allem Unmut über das abgehörte Mobiltelefon der Kanzlerin, schon die Tatsache ein Thema, dass ein Sysadmin so viele Daten abgreifen konnte. Er weiss: mit jedem Gerät das wir besitzen, mit jeder weiteren Funktion die es erhält, fallen noch mehr Daten an, an denen Interesse besteht. Die Welt ist zum globalen Dorf geworden; jede Kreditkarte besitzt weltweit Gültigkeit, jede Kreditkarte kann aber auch weltweit missbraucht werden. Dafür muss ein Krimineller nicht einmal das Haus verlassen!
Für die Internetunternehmen tun sich auf der anderen Seite phantastische Möglichkeiten auf. Können sie doch, ganz wie in den Zeiten des kalten Krieges, die Zustände nutzen, um davon zu profitieren. Wenn von einem Zugangsprovider die Frage „sollen Internetunternehmen ihre Kunden schützen“ aufgeworfen wird, ist der Rückzieher „daran hindert uns leider die Verpflichtung zur Netzneutralität“ nicht weit. Auch wenn Microsoft angibt, mehr in Sicherheit wie beispielsweise Verschlüsselung zu investieren, verlangt diese Aussage wieder Vertrauen, das derzeit jedoch nicht vorhanden ist.
Etwas abseits der Diskussion stehen die USA, die nicht nachvollziehen können, dass nicht jedem Europäer der Nutzen der Überwachung klar ist. Die abgehörten Telefongespräche in Frankreich dienten demnach der Sicherheit französischer Soldaten. Die USA sehen die Überwachung als Freundschaftsdienst, der es uns erlauben soll, uns sicher zu fühlen. Das ist aber auch der grosse Unterschied zu den Zeiten des kalten Krieges: Die Raketen, die uns ein Gefühl der Sicherheit vermitteln sollten, kamen nie zum Einsatz. Die Abhöreinrichtungen, die uns nach amerikanischer Lesart ein Gefühl der Sicherheit vermitteln sollen, kommen zum Einsatz. Jeden Tag, jede Stunde, jedes Sekunde – gegen uns selbst.
Redaktionsmitglied Michael Renner
Meine Karriere als Redakteur bei der Piratenpartei startete 2009 beim Bundesnewsletter, aus dem 2010 die Flaschenpost hervorging. Im Sommer 2012 wurde ich stellvertretender Chefredakteur, Anfang 2014 Chefredakteur. Da die unzähligen Aufgaben an der Spitze der Flaschenpost einen Vollzeitjob in der Freizeit mit sich bringen, machte ich nach zwei guten, aber auch stressigen Jahren zwei Schritte zurück und gab die Redaktionsleitung ab. Die gewonnene Freizeit wird in die Familie und mein zweites großes Hobby, den Amateurfunk, investiert.