
Wer mag sie noch zählen, die Piraten die zurück-, gar austraten? Nicht einmal die Mitgliederverwaltung ist in der Lage, verlässliche Zahlen über die Austritte zu nennen. Doch in den klassischen Piratenmedien Twitter, den Mailinglisten und in persönlichen Gesprächen wird seit Wochen von vielen Piraten der Abschied angekündigt oder erklärt. Die Piraten, von denen in der Vergangenheit viel zu hören war, weil sie weit vorne standen, stehen ein letztes Mal im Scheinwerferlicht der Aufmerksamkeit. Die, die bisher im Stillen für die Partei wirkten gehen auch leise.
Aber allen ist gemeinsam, dass ihnen bewusst ist, dass die politischen Ungerechtigkeiten, die durch die Piratenpartei beseitigt werden sollten, mit dem Austritt nicht verschwinden. Da ist die stattfindende Überwachung zu beklagen und das, was von Überwachungs-Hardlinern schon wieder gefordert wird. Nachdem die Erfolge der Piratenpartei – auch wenn es nur Umfrageergebnisse waren, die nur gelegentlich realisiert werden konnten – so manchen Überwachungsfanatiker zurückhaltend werden lies, reiben die sich gerade verwundert die Augen und kommen aus der Deckung heraus.
Der Stillstand beim Urheberrecht, wegen dem jetzt sogar bei Streams politischer Veranstaltungen der Netzwerkstecker gezogen wird, wird durch Austritte nicht beseitigt. Die Transparenz, die vielerorts noch fehlt wird nicht hergestellt, indem ein Pirat seinen Platz räumt. Fragen des Asyls oder der Einwanderung, auf die Mitglieder anderer Parteien mit einem Festungsdenken reagieren werden nicht beantwortet, wenn der Chor der Piraten verstummt. Bürgerrechte, notwendige Korrekturen am Patentrecht und ein besseres Bildungssystem, das tatsächlich Chancen für die Zukunft eröffnet statt Missstände schön zu reden rücken nicht näher, wenn sie keiner mehr fordert. Aber wer macht eine Politik mit dem Blick nach vorne, statt glorreiche Tage der Vergangenheit zu beschwören? Wer, wenn nicht wir?
Natürlich gibt es den AK Vorrat, den CCC, Amnesty International und Ärzte ohne Grenzen. Aber selbst wenn diese Organisationen 1 Mio. oder 10 Mio. Demonstranten für ihre Anliegen auf die Straße brächten: Politik in Deutschland funktioniert anders. Nur die Angst vor dem Machtverlust bringt Parteien im Bundestag und den Länderkammern dazu, ihre Linie zu überdenken. Alles andere wird weggelächelt, ignoriert und ausgesessen. Das betrifft Demonstrationen, Petitionen, ja selbst die winzige Opposition im Bundestag, die so machtlos ist als wäre sie nicht vorhanden – solange sie nur 20% der Sitze einnimmt.
Ex-Pirat zu sein bedeutet innere Immigration, die Bedeutungslosigkeit beim Versuch Zustände zu ändern. Denn damit sich politisch etwas ändert müssen sich die Machtverhältnisse in den Parlamenten ändern. Dazu aber braucht es Alternativen auf dem Wahlzettel, sonst bleiben auch die Wähler zuhause und ziehen sich in ihr eigenes kleines inneres Biedermeier zurück. Um es mit einer Twitterweisheit auszudrücken: Unsere Demokratie braucht ein Update, keine Deinstallation! Aber der Traum vieler Bürger, mit den Piraten Politik neu und anders zu gestalten, droht derzeit zu zerplatzen. Dabei braucht es eine Partei, die sich nicht an der Vergangenheit orientiert, sondern auf die Zukunft konzentriert ist. Inhaltlich trifft dies auf die Piratenpartei zu. Deswegen ist sie auch für viele noch die politische Heimat – jenseite von ihr ist nur Leere.