Ein Kommentar vom Sperling

Die Diskussionen rund um unseren EU-Wahlwerbespot und Phillip Mißfelders #megafail haben ein altes Thema erneut aufs Tapet gebracht: Wann spricht und handelt ein Politiker im Namen seiner Partei und wann als Privatperson? Darf ein Politiker bei privaten Veranstaltungen Beschlüsse seiner Partei ignorieren – und wie wird dies in der Öffentlichkeit aufgenommen?
Wir fordern oft, dass Abgeordnete nach ihrem Gewissen, nicht nach vorgegebenen Parteibeschlüssen abstimmen sollen – das fordern wir zumindest für Abgeordnete, die nach dem Grundgesetz nur ihrem Gewissen verpflichtet sind. Jeder Kandidat, Vorstand oder Beauftragte vertritt in seiner Rolle die Partei und ihre Beschlüsse – und nicht ihre „Nicht-Beschlüsse“ oder privaten Wünsche was Parteiprogramm sein sollte. Im Zweifelsfall sind alle Äußerung als „nicht-privat“ einzustufen. Denn der Mensch hinter dem Politiker wird immer als Repräsentant seiner Partei wahrgenommen, gilt doch das öffentliche Interesse primär der politischen Botschaft hinter jeder Handlung, jedem Interview, jedem Händeschütteln, jedem Flyer und jedem Wahlwerbespot.
Wie uns sehr anschaulich der Fall Phillip Mißfelder (das Handelsblatt erklärt das ganz ausgezeichnet) zeigt ist privates in der Mediendemokratie für Politiker, wenn überhaupt, nur im familiären Bereich möglich. Wenn in einem Wahlwerbespot einer Partei ein Kandidat oder der Parteivorsitzender sich zu einem Thema oder einer Vision äußert, versteht der Großteil der Wähler dies als Aussage oder Ziel der Politik dieser Partei. Also als das, was die Partei will.
In der Mediendemokratie ist es irrelevant, warum wer etwas gesagt oder getan hat. Niemand, der nach acht Stunden Arbeit heim kommt und Nachrichten oder einen Wahlwerbespot sieht, interessiert sich für eine Differenzierung zwischen „privater Meinung“ und „offiziellem Ziel der Parteipolitik“. Deswegen ist es wichtig darauf zu achten, was draußen ankommt und ob dies zur Identität der Partei passt.

Der CDU-Außenpolitiker Phillip Mißfelder hat mit seiner Teilnahme an Altkanzler Schröders Geburtstagsfeier in St. Petersburg seiner Partei eine Glaubwürdigkeitskrise beschert. Während Schröder, Mißfelder und Putin sich zuprosteten hielten prorussische Milizen Bundeswehrsoldaten in der Ostukraine gefangen. Prompt wirkte Mißfelders Versuch, die Party mit Putin als „Privatsache“, später gar als „Versuch des guten Zuredens“ zu werten, nur hilflos und peinlich.
Ähnlich ist der Wahlwerbespot mit dem Weltraumaufzug gelagert, der wie die piratige Vision unserer brüsseler Politik rüber kommt. Der ausgesprochene Wunsch, Vorgetragen als Herzensangelegenheit, lässt sich nachträglich nicht zur Privatangelegenheit erklären. Der Schaden in der Außenwahrnehmung ist hier zum Glück gering, da wir uns als Partei derzeit unterhalb der Wahrnehmungsgrenze bewegen. Innerhalb der Partei kam jedoch die Frage auf, wozu es bei Parteitagen Abstimmungen über Wahl- und Wahlkamfprogramme gibt, wenn im Fernsehen dann doch etwas anderes ausgestrahlt wird.
Spätestens wenn einige unserer Kandidaten als Abgeordnete im EU-Parlament sitzen schaden solche Alleingänge aber unserer öffentlichen Wahrnehmung. Der Fackel-und-Heugabel-Lynch-Mob wartet nur darauf, die Protagonisten auf dem Twitter-Scheiterhaufen zu rösten. Doch mit jedem neuen Gate geht ein Stückchen Piratenpartei verloren.
Dieser Umstand bringt mich zu einem Fazit: Liebe Kandidaten, Vorstände und Beauftragte die ihr auch mich vertretet, überlegt euch gut, was ihr tut oder sagt. Ihr werdet in den Medien immer, als Vertreter der Partei wahrgenommen. Egal wann, egal wo, egal zu welchem Thema. Ihr repräsentiert sowohl in den Augen der Parteimitglieder als auch für die Öffentlichkeit die Partei mit eurer Aufgabe, und nicht euch selbst – Themen statt Köpfe ist unser Motto. Wir wollten von Anbeginn an und wollen auch heute noch unsere Themen im Vordergrund stehen haben. Und die Themen, hier unterscheidet sich die Piratenpartei nicht von anderen demokratischen Parteien, die beschließen die Parteitage.
Redaktionsmitglied Sperling
Redakteur seit 2011, Kernteam der Redaktion seit 2013. De facto "Leitung" ab 2016, irgendwann auch offiziell Chefredakteur - bis 2023. Schreibt und Podcastet nur wenn ihm die Laune danach steht, zahlt aktuell die Infrastruktur der Flaschenpost, muss aber zum Glück nicht haften 🙂