
Am 25. Mai 2014 findet in Deutschland die achte Europawahl statt. Durch die Wahl werden die 96 deutschen Mitglieder des Europäischen Parlaments bestimmt. Wir Piraten sehen großes Potenzial in der Entwicklung Europas, sind aber sehr besorgt über die Richtung dieser Entwicklung. Deshalb stellen wir uns zur Wahl, um aktiv an unserem Traum für Europa mitzuwirken. Doch wie sieht „unser Traum für Europa“ aus?
Die Zusammenführung der einzelnen europäischen Staaten zu einem großen Europa unterstützen wir zutiefst. Die Identitäten, Sprachen und Kulturen der einzelnen Nationen in Europa sind essentiell und sollen erhalten und gefördert werden. Aber durch eine gegenseitige Öffnung und die Zusammenführung vieler staatlicher Aufgaben kann jeder EU-Bürger dazu gewinnen; mehr als das die einzelnen Staaten könnten. Europa ist größer als die Summe seiner Teile. Obwohl Europa als Idee überzeugt, braucht es noch viel Zuwendung, damit es auch in der Praxis funktioniert. In der jüngeren Geschichte hat sich zwar das Machtgleichgewicht zwischen Europa und den Einzelnationen hin zu Europa verschoben. Allerdings sind die demokratischen Strukturen dieser Machtverschiebung nicht angepasst worden. Indem wir jetzt handeln, können wir das nachholen. Nur dann werden wir nicht in Zukunft vom einem fernen Europa regiert, das keiner so richtig versteht, sondern es kann jeder Einfluss auf sein Schicksal nehmen. Ein wichtiger Bestandteil darin ist die Stärkung von Kompetenzen des Europäischen Parlaments. Denn dort sitzen die Vertreter der EU-Bürger. Dort können wir mit unserer Stimme direkten Einfluss nehmen. Gestützt von einer Europäischen Verfassung, welche neue Maßstäbe für Generationen setzt, könnte dieses Parlament eine Europaregierung wählen, hinter der wir alle stehen. Gleichzeitig mit der Stärkung der Bürger im repräsentativen Parlament, wünschen wir uns europaweite Bürgerabstimmungen zu wichtigen rechtlichen Veränderungen in der EU. Nur dadurch können die Bürger wirklich direkt Einfluss auf die ferne Europaregierung nehmen. Das unbestimmte Gefühl, dass Europa doch vom Einzelnen viel zu weit weg ist, soll der Vergangenheit angehören. Dafür können in der Zukunft die national noch sehr unterschiedlichen Bürgerinitiativen europaweit vereinheitlicht werden. Gleiches Recht und gleiche Chancen werden für alle EU-Bürger gelten. Im Vergleich zu jedem seiner Mitgliedstaaten ist Europa schon rein geografisch sehr groß. Allein diese Gegebenheit stellt seine Handlungsfähigkeit vor große Herausforderungen, die noch vor nicht allzu langer Zeit nur mit fernen Delegationen zu lösen waren. Doch seit ein paar Jahrzehnten gibt es einen technologischen Schwung, der in diesen Strukturen noch nicht berücksichtigt ist. Die digitale, weitreichende, verteilte, gleichberechtigte und schnelle Vernetzung der Menschen muss Ziel und Werkzeug werden, um ein demokratisches Europa zu gewährleisten. Das Internet muss in seinem Potenzial erkannt werden, technisch und didaktisch gefördert werden und seine Gefahren eingedämmt werden. Über Open Data kann die europäische Führung seinen Bürgern ermöglichen, ihre Arbeit beliebig detailliert nachzuvollziehen. Diese Nachvollziehbarkeit ist nur durch große Transparenz zu erreichen, wie sie jeder Staat seinen Bürgern schuldet. Eine größere demokratische Verbindung braucht größere Transparenz. Um jedem EU-Bürger die Teilnahme an diesem Prozess zu ermöglichen, müssen Netzausbau und Bildung vorangetrieben werden. Der Schutz der Netzneutralität garantiert den Zugang für jeden. Je größer das Potenzial des Netzes ist, je tiefer seine Einbindung in den Alltag und den Staat ist, desto größer sind auch die Gefahren. Aktuelle Enthüllungen offenbaren den Missbrauch und den Fehlwuchs, den Staaten sich bis zu diesem Zeitpunkt schon geleistet haben. Europa hat das Potenzial, dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten. Europa kann ein weltweites Vorbild für den Datenschutz sein. Datenschutz muss von öffentlicher Seite gefordert, gefördert und durchgesetzt werden. Dann kann Europa zu einem datenschutzrechtlichen Hafen werden, in dem Unternehmen, Bürger und Dienstleistungen festmachen. Menschenrechte und Privatsphäre können in Europa besser geschützt werden als anderswo. Wir wünschen uns dafür anonymen, verschlüsselten und schnellen Netzzugang als Menschenrecht. In unserem Traum für Europa gibt es keine anhaltslose Datenspeicherung und Überwachung, sondern Freiheit statt Angst. Dieses freie Europa kann es sich leisten, sich an die Genfer Flüchtlingskonvention zu erinnern. Solidarisch stellen sich alle europäischen Mitgliedsstaaten ihrer Verantwortung gegenüber Menschen auf der Flucht. Sie nehmen so viele Flüchtlinge auf wie sie können, unabhängig davon, ob sie geografisch zentral oder am Rand von Europa liegen. Flüchtlinge und Asylsuchende werden wie Menschen behandelt, wie es ihr Recht ist. In allen europäischen Ländern werden die Standards von Flüchtlingsanerkennung, –unterbringung, und –versorgung angeglichen. So wie es für alle Gäste Europas Mindeststandards geben kann, so könnte auch für unsere Bürger ein Existenzminimum geschaffen werden. Ohne die Knüpfung an Bedingungen könnte jedem die Erfüllung seiner Grundbedürfnisse und eine Teilhabe an der Gesellschaft gewährleistet werden. Menschen, deren Alltag sich jetzt noch nur um die Beschaffung von Nahrungsmitteln dreht, können dann nie dagewesene Potenziale nutzen. Dieser Gewinn an Wirtschaftlichkeit kann die Kosten eines bedingungslosen Grundeinkommens leicht tragen. Dieses demokratische und menschenfreundliche Europa bietet auch an anderen Stellen Öffnung an. Ein reformiertes Urheberrecht kann die verkrusteten Monopole in Informationen und Kultur aufbrechen und mehr Menschen besseren Zugang zu ihrer persönlichen sozialen, technischen und kulturellen Entwicklung geben. Patente, die Innovation bremsen und der Gesellschaft schaden, können nicht länger geschützt werden. Im gleichen Zuge wird die Schaffung von Gemeingütern, die von Anfang an der Gesellschaft gehören, gefördert und geschützt. Im Energiesektor kann sich Europa der Nachhaltigkeit öffnen und den Sprung zu den erneuerbaren Energien schaffen. Europa ist groß genug, um auf globaler Ebene solche langfristigen Entscheidungen mit zu tragen und zu treiben. All das sind nur Auszüge aus unserem Traum für Europa. Dieser Traum kann nicht über Nacht Wirklichkeit werden, sondern erfordert viel politische Arbeit. Wir Piratenparteien haben dabei gegenüber den auf europäischer Ebene zersplitterten und lokal gewachsenen Landesparteien einen großen Vorteil. Wir sind mit diesem Traum in allen europäischen Ländern parallel gegründet worden. In allen diesen Ländern treten wir mit diesem gleichen Traum als unserem Wahlprogramm in der Europawahl 2014 an. Und egal in welchem Land uns jemand wählt, jede Stimme für uns ist eine Stimme für diesen Traum. Die Piratenpartei ist überall zu finden. So wie dieser Traum.