Ein Gastartikel von Wilm Schumacher.
Am kommenden Wochenende ist es soweit. Die Partei trifft sich zum außerordentlichen Bundesparteitag und wählt einen neuen Bundesvorstand. Aber zu diesem Parteitag geht es um mehr. Dieser Parteitag ist der vermutliche Höhepunkt einer innerparteilichen Auseinandersetzung, die als ”Richtungsstreit” bezeichnet wird. Die Frage ist aber: worum geht es überhaupt? Welche “Lager” stehen sich gegenüber, und was soll das Ziel der ganzen Veranstaltung sein?
Meiner Meinung nach geht es weder um personelle Fragen, noch um inhaltliche Auseinandersetzung, noch um strukturelle Fragen und vor allem geht es nicht um Themen. Es ist ein methodischer Streit!
Wer streitet überhaupt? Und warum?
In den vergangenen Monaten wurden die gegeneinander stehenden Lager mit verschiedensten Bezeichnungen überhäuft. So wurde von konservativen geredet, oder progressiven, sozialliberalen, linken, rechten, linksradikalen oder antifaschistischen und nationalistischen Gruppen. Aber sind das wirklich die Unterschiede?
Schauen wir auf die programmatische Ebene: sind die Lager wirklich “progressiv” und “konservativ”, bzw. “links” und “liberal”? Tatsächlich sind alle Piraten im Kern Liberale, und zwar dem Wortsinne nach. Kein Pirat interessiert sich dafür, mit wem Du Deine Zeit verbringst, wie Du deine Zeit verbringst, ob Du dabei high sein willst, welche Partner Du Dir an Deiner Seite wünschst, oder wie viele. Piraten stehen alle dafür, dass jeder sein Leben so führen kann wie er möchte, ohne Diskriminierung oder Beeinträchtigung. Somit ist im Kern jeder Pirat liberal. Somit ist das Wort “liberal” als Unterscheidung eigentlich nicht geeignet.
Genauso ungeeignet ist das Wort “links” (bzw. die Neudefinition der Marke durch “progressiv”). Tatsächlich sind die Piraten eine linke Partei. Um genau zu sein sogar eine linksradikale. Die “progressivste” Forderung der Piraten ist dabei aber nicht irgendwelche Quotierung, oder das BGE, sondern eine sehr alte Forderung: keine Patente auf Lebewesen! Die Piraten sehen in der Zukunft eine wachsende Bedeutung der “Gentechnik”, bzw. allgemeiner, der Mikrobiologie und der Biochemie. Das 21 Jahrhundert wird das Jahrhundert der Biochemie werden, so wie das vergangene Jahrhundert von der Elektrizität und der Spaltung des Atoms dominiert wurde. Im Gegensatz zu Atombomben und Mikrocontrollern sind aber die Umwälzungen, die uns bevorstehen, deutlich größer und tiefgreifender. Wer die Biochemie beherrscht, beherrscht die Welt. Die Techologien und Methoden dieser kommenden Zeit sind aber nicht mehr so stark an materielle Produktionsmittel gebunden, sondern sehr viel mehr wissensbasiert. Wer also fordert, dass Patente auf Lebewesen verboten werden, verhindert den Erwerb von Produktionsmitteln durch einen riesigen Industriezweig und überführt das Wissen in die Hand aller.
Und diese Forderung ist so alt wie die Piraten selbst, eine Forderung, die mehr oder weniger alle Piraten stützen. Also wenn schon, dann sind alle Piraten Linksradikale!
Es wird auch angeführt, dass die Lager sich durch ihre Abgrenzung und Ablehnung faschistischer Gruppierungen oder Parteien unterschieden. Auch das halte ich für einen ungeeigneten Gradmesser. Die Vorstellung, dass der Faschismus in Deutschland in Form von Menschen wieder kommt, die mit Hakenkreuzfahnen und Parolen durch die Straßen marschieren, ist fast schon lächerlich naiv. Tatsächlich besteht die größte Gefahr für Minderheiten, Andersdenkende oder Freigeister nicht in Form von rechtsradikalen Splittergruppen, sondern in Form des Staatsterrors. Ein Weg, der in diesem Deutschland wieder eingeschlagen wird, und genauso gefährlich ist wie der aufkommende Nationalsozialismus in Deutschland um 1929 herum. Die Bekämpfung der Vorratsdatenspeicherung, der Bestandsdatenauskunft oder der Errichtung von Zensurinfrastruktur (wie z.B. Zugangserschwerungsgesetz) ist damit im Kern antifaschistisch. Die drohende Gefahr eines deutschen Faschismus geht nicht von den rechten Jugendclubs in Mecklenburg aus, sondern von der Regierungsbank. Ein Antifaschismus, der sich ausschließlich an rechtsradikalen Kleinstgruppen abarbeitet, verkennt die drohende Gefahr und ist schon lange nicht mehr zeitgemäß. Aus dieser Argumentation heraus sind die Piraten die umfänglich antifaschistische politische Kraft. Genauso stehen aber die Piraten auch für die Beseitigung der Ursachen des Rechtsradikalismus, z. B. Perspektivlosigkeit und Armut. Und auch das gilt für alle Piraten. Somit entfällt auch dies als mögliches Unterscheidungsmerkmal der Piratenlager.
Die Piraten also in “links” (bzw. “progressiv”) und “rechts” (bzw. “konservativ” oder „liberal“) zu unterschieden, ist damit mehr als fragwürdig und trifft nicht den eigentlichen Kern des Konfliktes
Methodischer Streit
Ich sehe jedoch tatsächlich große Unterschiede zwischen den beiden Lagern, und zwar methodische Konflikte. Aus diesem Grund möchte ich eine alternative Bezeichnung vorschlagen: “Aktivisten” und “Parteipolitiker”.
Nehmen wir dafür ein Beispiel: #Bombergate. Ziel der Aktion war es, gegen die rechten Gruppierungen zu demonstrieren, die sich im Rahmen des Jahrestages der Bombardierung Dresdens versammelt hatten. Es sollte verhindert werden, dass diese Gruppen den Tag für sich instrumentalisieren. Zuletzt sollte an den Tag der Bombardierung und die Ursachen erinnernt werden. Die Bombardierung Dresdens ist eine menschliche Katastrophe gewesen. Aber es war eben auch ein Tag, an dem der Krieg, der von Deutschland ausging, wieder zurück kam. Über diese Aussagen würde sich kein Pirat aufregen. Aber über die Methode der Demonstration sehr wohl. Ich kenne Anne Helm nicht persönlich, kann mir aber beim besten Willen nicht vorstellen, dass sie sich über die Bombardierung von Menschen freut. Wenn sie sich aber mit einem Schild auf die Straße gestellt hätte mit: “Die Sachlage bzgl. der Bombardierung Dresdens ist kompliziert, und wir sollten aufpassen, dass sie nicht von rechtsradiaklen Gruppierungen instrumentalisiert wird…”, wären genau 0 Journalisten gekommen. Mit einer absurden These auf entblöster Brust hingegen, hat die Angelegenheit so viel Aufmerksamkeit erzeugt, dass es zumindest für kurze Zeit in die Massenmedien getragen wurde. Genau so funktioniert Aktivismus. Aktivisten sind selten eine Massenbewegung und müssen das jeweilige Thema trotzdem in die Medien kommunizieren. Das geht nur mittels zumindest fragwürdiger Aktionen. Dabei ist die öffentliche Antwort auf die Aktion nicht wichtig. Man will ja nicht unbedingt gewählt werden, man will Öffentlichkeit herstellen.
Aber genau hier beißt sich das Vorgehen mit der Arbeit sehr vieler kommunalpolitisch eingebundener Piraten. Gerade auf kommunaler Ebene “auf dem Land” müssen Piraten den anderen Abgeordneten und vor allem dem Wähler beweisen, dass sie vertrauenswürdig sind, dass sie zu Kompromissen bereit sind (auf denen ja politische Arbeit nun einmal basiert). Die Piraten sind eine neue Kraft und müssen ihre großflächige Wählbarkeit erst nach und nach unter Beweis stellen. Und die „Parteipolitiker“ wollen durch konsequente ruhige und sachliche Poltik nach und nach ihre Wählbarkeit unter Beweis stellen, und so nach und nach eben die Parlamente erobern. Bombergate hat da sicher nicht geholfen. Sollte es aber auch nicht, da es einen ganz anderen Zweck hatte.
Ein weiteres Beispiel für diese Unterscheidung ist das sogenannte #Eiergate. Dabei wurde ein AfD-Kandidat für die EU-Wahl mit einem Ei beworfen, was von einigen Piraten für ein sinnvolles Zeichen für den Protest gewertet wurde. Dies führte dann zu einer weiteren innerparteilichen Auseinandersetzung, die als #Eiergate bezeichnet wird. Es ist die methodische Frage bzgl. des Einsatzes von Gewalt in der politischen Auseinandersetzung. Der Wurf von Gegenständen auf Menschen ist ein Symbol. Ob ein gutes oder schlechtes, sei mal dahingestellt. Aber niemand glaubt ernsthaft, dass ein Wurf eines Eies irgendwelche Menschen davon abhält, das zu tun, was sie tun. Aber es ist ein Symbol … und nichts weiter. Der Wurf von Gegenständen auf Menschen hat jedoch im normalen politischen Betrieb keinen Platz. Die Zustimmung unterscheidet eben einige “Aktivisten” und “Parteipolitiker”.
So verhält es sich aber auch mit der Lösung aktueller politischer Probleme. Nehmen wir dafür als Beispiel die berühmte “dritte Toilette”, die von der Piraten-Fraktion in der BV Friedrichshain-Kreuberg eingeführt wurde. Niemand glaubt ernsthaft, dass mit der Einführung der dritten Toilette die Diskriminierung gegen Transsexuelle aufgehoben, oder dass damit ein fundamentaler Schritt für die Rechte von Transsexuellen getan wurde. Es ist aber ein Zeichen. Ob ein gutes oder schlechtes, sei auch hier dahingestellt. Genauso verhält es sich mit der Frauenquote und Binnen-I, dem Verbot von Glühlampen oder dem Abknicken von kleinen Deutschlandfähnchen an Autos. Nichts davon rettet auf Dauer die Welt. Ich kenne niemanden, der behauptet, dass damit die gesellschaftliche Gleichstellung der Frau, eine nachhaltige Energiepolitik oder ein weltoffenes Deutschland hergestellt werden kann. Aber es sind Symbole dafür, die eine gesellschaftliche Debatte und ein allgemeines Umdenken erreichen sollen. Genau so funktioniert Aktivismus. Die Parteipolitiker hingegen möchten versuchen, die Probleme da anzugehen, wo sie nach ihrer Meinung entstehen. Das ist deutlich langwieriger, weniger glamourös und auch nicht immer von Erfolg gekrönt. Es ist eben ein methodischer Unterschied.
Ein weiteres aktuelles Beispiel sind die Vorgänge in Duisburg. Dabei wurde eine rechte Splitterpartei in das kommunale Parlament gewählt, und alle “etablierten” Parteien haben eine Erklärung aufgesetzt, wo jede Zusammenarbeit mit diesen Vertretern abgelehnt wurde. Die Piraten Duisburg (der Kreisverband, nicht Abgeordnete) haben diesen Konsens abgelehnt, da er für sie reine Symbolpolitik ist. Die Piraten Duisburg haben stattdessen gefordert, dass man die Ursachen für dieses Problem angeht, anstatt Symbole zu setzen. Auch hier zeigt sich meiner Meinung nach der methodische Unterschied zwischen den Aktivisten und den Parteipolitikern.
Auch wenn diese Unterteilung im ersten Moment recht nachvollziehbar klingt, so ist sie bei weitem nicht so scharf, wie hier dargestellt. Es heißt nicht, dass das Lager, das ich mit “Aktivisten” bezeichnet habe, niemals parlamentarische Methoden benutzt, und es heißt auch nicht, dass das Lager, das ich als “Parteipolitiker” bezeichnet habe, niemals zu den Mitteln des Aktivismus greift. Beispiele sind die Aktionen rund um “ein Bett für Snowden”, was natürlich vor allem dadurch funktioniert hat, dass ein Bett in Fußgängerzonen aufgebaut wurde, was Journalisten anlocken sollte.
Auch der beschriebene Vorgang aus Duisburg ist dafür ein Beispiel. Da der Konsens ja etablierte Poltik ist, ist das Ablehnen dieser Symbolpoltik ein Aufreger, der Öffentlichkeit erzeugt hat, und damit auch ein Beispiel für “Aktivismus” ist.
(Anmerkung: Die Piraten Duisburg haben übrigens einen Weg gefunden, den Kuchen zu essen und zu behalten. Der KV hat sich gegen die Verlautbarung ausgesprochen und die Symbolpolitik kritisiert. Die Abgeordnete, die ja mit diesen Leuten zusammenarbeiten muss, hat sich für den Konsens ausgesprochen, und damit den politischen Frieden gewahrt.)
Nichts ist schwarz und weiß, und nichts ist 100%.
Spaltung der Partei? (Und was hat OpenBSD damit zu tun?)
Nun stellen sich zwei Fragen: zum ersten, welcher Weg der sinnvollere ist, und ob diese beiden Lager zusammen in einer Partei koexistieren können.
Zur Frage nach der Effektivität der Methoden kann man nur sagen: beide Lage haben recht, beide Lager haben unrecht. Wer einwenden mag, dass dies eine Partei ist, und da nun einmal Parteipolitik gemacht wird, dem möchte ich entgegnen, dass die Piratenpartei als Partei der Aktivisten gegründet und groß wurde. Ich erinnere z.B. an die “Nacktproteste” wegen der Terrahertz-Scanner (die sogenannten “Nacktscanner”) an Flughäfen, oder den Aufbau von Tor-Exit-Nodes durch die Piraten Bayern. All dies sind Mittel des Aktivismus gewesen. Eine Partei als Plattform für Aktivismus ist also sehr wohl möglich.
Aber wir sind nicht mehr im Jahre 2006 und auch nicht mehr im Jahre 2009. Die Piraten sind eine Kraft mit hunderten von kommunalen Abgeordneten, mit Fraktionen in Landtagen und auch einer EU-Abgeordneten. Die Piraten sind aber bei weitem noch nicht in den Parlamenten angekommen, und der Einzug in die Landesparlamente in 2014 – die Wahlkämpfer mögen mir verzeihen – ist mehr als fragwürdig. Man kann also beide Wege sehr wohl argumentieren.
(Anmerkung: ausgenommen der Einsatz von körperlicher Gewalt zur Erreichung politischer Ziele. Dies lehne ich konsequent ab. Aber andere sehen das nun einmal anders. Und darum geht es hier.)
Bleibt die Frage, ob diese Lager in einer Partei koexistieren können. Und dies ist nicht möglich! Wie Bombergate gezeigt hat, kann mit den Mitteln des Aktivismus sehr wohl Öffentlichkeit hergestellt werden, aber man hat dadurch die Arbeit vieler kommunal arbeitender Piraten kaputt gemacht. Die Glaubwürdigkeit als stabile Kraft wurde dadurch erheblich gestört. Ein weiteres Beispiel in diesem Kontext ist auch #Mollygate, wo eine brennende Fackel auf die russische Botschaft geworfen wurde und ein entsprechender Spruch auf dem unbekleideten Oberkörper einer Aktivistin zu lesen war. Diese Aktion war sicher symbolträchtig (da es im Rahmen der Vorbereitung der olympischen Spiele passiert ist), ist aber eine Katastrophe für „parteipolitische arbeitende“ Piraten. Die Akzeptanz der Unantastbarkeit der Botschaften ist von unglaublicher Wichtigkeit für die Außenpolitik. Und auch wenn einem nicht gefällt, was in einem Land vor sich geht, so müssen doch die Botschaften immer geachtet werden. Eine Partei, die auf lange Sicht Regierungsverantwortung übernehmen könnte, auf der anderen Seite aber Angriffe auf Botschaften gutheißt, ist nicht wählbar, da sie noch nicht einmal die grundlegenden internationalen Übereinkünfte akzeptieren kann.
Genauso verhält es sich aber andersherum, wenn kommunale Abgeordnete Kröten schlucken müssen und für die Stabilität von Fraktionen oder sogar Regierungskoalitionen sorgen müssen. Man kann in Parlamenten nur arbeiten, wenn man Mehrheiten hat oder schaffen kann. Und das geht nicht ohne Kompromiss. Und diese Kompromisse werden in Zukunft zunehmen. Und sie werden uns nicht immer gefallen. Aber genau diese Kompromisse sind Gift für die Arbeit der Aktivisten, da eben nicht alles schwarz und weiß ist, eine Annahme, die für Aktivismus aber z. T. grundlegend ist. Wie sollen Aktivisten glaubhaft Aktionen zum Asylrecht durchführen, wenn eine kommunale Fraktion z. B. gegen ein Asylantenheim gestimmt hat?
In diesem Rahmen kann auch #Mollygate genannt werden. Ein Bundesvorstand, der jede Aktion wie #Mollygate verhindern will, und sich immer wieder davon distanziert, macht die Aktivisten unglaubwüdig (“nicht mal eure eigene Partei …” etc.) und sabotiert damit jede Aktion.
Kurzum: ein Lager wird auf lange Sicht immer die Arbeit des anderen Lagers einreißen. Die Kräfte, die dabei dann im innerparteilichen Streit verschwendet werden, werden aber alle Gruppen lähmen und niemand wird irgendwelche Arbeit verrichten können. Eine Teilung ist damit aus meiner Sicht unumgänglich.
Eine Spaltung bedeutet dabei nicht, dass das andere Lager doof und gemein und prinzipiell im Unrecht ist. Es ist eben genau das: ein Richtungsstreit. Man will zum selben Ziel, aber auf unterschiedlichen Wegen. Und man hält sich dabei an den Händen und kommt kein Stück weiter. Vielleicht sollten wir einfach loslassen.
Oder um es mit Theo de Raadt zu sagen:
»Why are you guys so fork paranoid? Do you want everyone to vote for the same political party, too?«
Und der BuVo soll’s richten?
Der Bundesvorstand hat eigentlich kaum Befugnisse und wird in diesem Streit auch kaum Wirkung entfalten können. Aus eigener Erfahrung in Vorständen, unter anderem im Bundesvorstand, weiß ich um den begrenzten Einfluss der Gremien. Aber darum geht es meiner Meinung nach auch überhaupt nicht.
Oben wurde die Spaltung der Partei angesprochen. Tatsächlich ist eine Spaltung einer Partei aber nicht möglich. Der eigentliche Vorgang ist der Austritt des entsprechenden Lagers aus der Partei und ggf. eine Neugründung. Die Partei selbst, der Apparat, die Verwaltung und die Mitgliederdatenbank können nicht gespalten werden.
Es geht bei diesem Richtungsstreit eigentlich nur um eins: Wer behält die Strukturen und vor allem den Namen der Partei! Genauso verhält es sich auch mit dem Verwaltungsapparat und den Mitteln aus der Parteienfinanzierung. Nur die „Piratenpartei“ kann dies behalten. Die Partei ist unteilbar.
Welche Frage also eigentlich zu klären ist: “Wer ist die Mehrheit?”. Die Piraten sind eine demokratische Partei. Und auch wenn die Minderheiten durch das Recht geschützt sind, so entscheidet auf lange Sicht immer die Mehrheit über die grundlegenden Fragen. Dies ist aber kein Plädoyer gegen Meinungspluralismus in dieser Partei. Denn um Themen und politische Positionen geht es in diesem Streit überhaupt nicht. Es geht um die Methode und das Wesen der Partei.
Und diese Frage wird im Moment über die Wahl des Bundesvorstands abgebildet. Natürlich hat das eine mit dem anderen erst einmal nichts zu tun. Aber wir sollten uns auch nicht dumm stellen. Die Richtungsentscheidung wird über diese Wahl abgebildet. Wir könnten diesen Streit auch genauso gut über die Wahl eines Logos oder über die Organisation der Raucherbereiche abbilden. Jede strittige Frage ist dafür möglich,.
(Anmerkung: jedoch nicht mit der Ausrichtung der Bratwurst auf dem Rost. Zu diesem Thema gibt es eine unwiderlegbare Wahrheit und nur einige Irregeleitete, die das nicht akzeptieren wollen!)
Aber die Wahl zum Bundesvorstand steht nun einmal an und ist das einzige, was wir haben, um die Mehrheiten herauszufinden.
Genau das hat sich auch in der Vergangenheit am kBuVo gezeigt. Niemand wird leugnen, dass der kBuVo z. T. schwerste Fehler gemacht hat. Aber ebenfalls wird niemand leugnen, dass dieser BuVo eben auch oft nicht anders handeln konnte und unter schwerster Belastung vieles richtig gemacht hat. Aber ein Lager fand alles, was der kBuVo getan hat doof, das andere Lager fand alles gut. Ähnlich verhielt es sich mit dem Orgastreik oder den Rücktritten, die alles ins Rollen gebracht haben. Über diese Stellvertreterkonflikte wurde der „Richtungsstreit“ eben ausgetragen.
Nun liegt der Gedanke nahe, diese methodische Frage eben auch durch den aBPT klären zu lassen (oder gar als Plädoyer für eine SMV zu sehen). Jedoch ist dieser Streit kaum zu formulieren. „Sind wir gegen jegliche kontroverse Aktion?“ Natürlich nicht! „Sind wir für sachliche parlamentarische Arbeit“ Natürlich! „Sind wir gegen Gewalt?“ „Selbstverständlich.“ Aber was sind kontroverse Aktionen, sachliche parlamentarische Arbeit und Gewalt? Nichts ist 100%, nichts ist schwarz oder weiß. Das einzige, was wir tun können, ist Menschen zu wählen, die eine ähnliche Einschätzung zu diesen Themen haben wie man selbst, und einen Rahmen setzen, in dem sie sich bewegen können.
Wird der kommende BuVo diesen Richtungsstreit also entscheiden? Nein. Aber er ist ein Maß dafür, wer die Mehrheit ist, und was sie will.
Es wäre auch naiv zu glauben, dass nach den Vorstandswahlen alles gut wird, die Partei sich spaltet und alle glücklich und zufrieden sind. Denn niemand kann irgendjemanden zwingen, diese Partei zu verlassen. Das Versprechen einiger BuVo-Kandidaten, mal in der Partei “aufzuräumen”, ist daher völlig unrealistisch, vom etwas verrückten Anspruch mal ganz abgesehen. Die Spaltung wird nicht auf dem Parteitag passieren, sondern damit nur einen vorläufigen Höhepunkt erreichen. Eine Spaltung ist ein langsamer Prozess, keine plötzlich enstehende Situation. In diesem Rahmen werden immer wieder, in verschiedensten Einheiten und Gliederungen, die Mehrheiten für die eine oder andere Position hergestellt und abgefragt werden müssen. Aber dies ist schon längst im Gange. Es sind Landesparteitage, die sich für Labels (in NRW und TH z.B. “sozialliberal”) ausprechen, es sind Kreisverbände, die ihren Wahlkampf planen, und es sind eben Wahlen für Kandidaten und Vorstände.
Ich möchte daher diesem Text einen Aufruf beifügen: wählt auf diesem aBPT keine Kandidaten, die Euch versprechen, dass sie die Lager einen wollen. Denn dies ist nicht möglich. Und sucht keine Kandidaten, die perfekt sind und nie Fehler machen. Denn die gibt es nicht. Wählt Kandidaten, die Eure Linie klar vertreten, wählt Kandidaten, die für Eure Idee einer Piratenpartei stehen, ob Kernthemen oder nicht, ob Bürgerrechtspartei oder soziale Bewegung.
#reclaimyournetzpartei eben. Die Frage ist nur: welche.