Seit der Landtagswahl 2012 kämpfen Schleswig-Holsteiner Bürgerinitiativen gemeinsam mit dem Landesverband der Piratenpartei und der Piratenfraktion im Kieler Landtag gegen „Fracking“.
Das angestrebte Ziel ist ein umfassendes Verbot der „Hydraulic Fracturing-Technologie“, kurz „Fracking“, genannten Methode zur Förderung letzter Erdöl- und Gasreserven. Fracking erfordert den Einsatz hochgiftiger Substanzen, die in den Erdboden gepresst werden. Umweltschützer mahnen, dass der durch Fracking kurzfristig erzielte Profit keinesfalls die Umweltschäden rechtfertigen, die in den USA bereits erkennbar sind.
Patrick Breyer, Landtagsabgeordneter der Piratenpartei im Kieler Landtag, schaltete im Februar 2013 die EU-Kommission ein, weil eine Überprüfung der Umweltverträglichkeit des Frackings hierzulande nicht vorgesehen ist. Durch die Aufmerksamkeit der Medien hielten die Piraten den Druck auf die Landesregierung aufrecht. Trotz dieser Etappensiege war allen engagierten Schleswig-Holsteinern klar, dass der Kampf weiter gehen musste. „Aufgeschoben ist nicht aufgehoben“, sagt das bekannte Sprichwort.
Im Gegenzug steckten unter Inanspruchnahme des uralten Bergbaurechts, das nur durch den Bundestag geändert werden kann, internationale Firmen ihre Claims ab. Diese Unternehmen gehen offensichtlich davon aus, dass bürokratische Hindernisse zwar den Einsatz des Frackings verzögern, aber keinem generellen Verbot gleichkommen.
Die Piratenfraktion im Landtag konterte mit kleinen Anfragen, um der Öffentlichkeit die Informationen zugänglich zu machen, an welchen Orten in Schleswig-Holstein bereits Claims abgesteckt und Probebohrungen geplant sind. Der öffentliche Druck zwang das niedersächsische Landesamt für Bergbau Energie und Geologie (LBEG) in Hannover, die Akten über die Erteilung von Erdgas- und Erdöl-Lizenzen in Schleswig-Holstein endlich offen zu legen. Das Ergebnis war schockierend: In zwölf teilweise dicht besiedelten Gebieten waren Probebohrungen in aller Stille genehmigt worden.
Aus den Antragsakten der Firmen beim LBEG ging klar hervor, dass die Förderung von Erdöl und Erdgas in Schleswig-Holstein ohne Fracking gar nicht möglich ist. Für die Erlaubnisfelder Schwarzenbek, Bramstedt und Elmshorn wurden auch noch „Problemanträge zur Aufsuchung von Kohlenwasserstoffen in Gesteinsschichten (Posidonienschiefer)“ ohne Einwände genehmigt. Das gefährliche Detail: In diesen Gebieten kann ausschließlich mittels des umstrittenen Frackings gefördert werden. Durch diesen Sachverhalt war eigentlich von Anfang an die rechtliche Begründung gegeben, nach der die Landesregierung die Anträge hätte ablehnen müssen. Davor aber hatten die verantwortlichen Politiker die Augen verschlossen.
Umweltminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) geriet im Frühjahr 2014 durch sein inkonsequentes Handeln heftig unter Beschuss und beeilte sich, sein Engagement für ein Fracking-Verbot deutlich zu steigern. Im Februar sprach sich der Schleswig-Holsteinische Landtag gegen Fracking aus, und auf Initiative Schleswig-Holsteins einigten sich die Umweltminister von Bund und Ländern gegen eine Zulassung dieser umstrittenen Gasfördermethode.
Zu diesem Zeitpunkt war allerdings bekannt geworden, dass die betroffenen Firmen bereits an Methoden von sogenannten „nichttoxischen Fracking“ tüftelten. Die neue Methode sollte unbedenklich für die Umwelt sein, um die Förderung durch Fracking doch noch ermöglichen. Diese Auffassung teilen die besorgten Bürger Schleswig-Holsteins jedoch nicht, denn
- Verunreinigung von Grundwasser, Trinkwasser, offener Gewässer und der Böden durch Gefahrstoffe aus dem Untergrund (Gas, Erdöl, Schwermetalle, radioaktive Elemente, krebserregende Substanzen, Salzlösungen)
- hoch belastetes Wasser, das aus der Bohrung aufsteigt und an anderer Stelle wieder ungeklärt in den Untergrund verpresst wird
- Absenkung des Grundwasserspiegels durch extrem hohen Verbrauch an sauberem Wasser
- Luftbelastung durch Abfackeln von Nebenprodukten sowie Feinstaub
- Erdbeben, Erdsenkung, Gebäudeschäden
- Straßenschäden, Feinstaubbelastung, Lärmbelastung, Schwerlastverkehr
- Unsachgemäße Handhabung von Betriebsstoffen und Abfällen
- Bohrungen können auch noch nach Jahrzehnten undicht werden
- Verpresstes Lagerstättenwasser, welches in gigantischen Mengen anfällt, verunreinigt das Grund-Trinkwasser
sind auch durch den Einsatz des „nichttoxischen Frackings“ zu befürchten.
In einer öffentlichen Petition im April 2014 forderten über 5.000 Schleswig-Holsteiner ein Verbot, unabhängig von den eingesetzten Betriebsstoffen und der Art der Lagerstätte.
Im nächsten Schritt legte die Piratenfraktion im Kieler Landtag einen Gesetzentwurf zum Schutz des Wassers vor den Gefahren des Fracking-Verfahrens vor. Die Verlagerung der Entscheidungsgewalt über die wasserrechtlichen Genehmigungen vom Bergamt auf die unteren Wasserbehörden versprach eine rechtliche Besserstellung und Rechtssicherheit auch auf regionaler Ebene. Über diesen Entwurf aus dem Februar 2014 berät der Kieler Landtag, und im Herbst 2014 wird sich außerdem der Bundestag mit dem Thema „Fracking“ beschäftigen.
Die Ergebnisse stehen zwar noch aus, aber die Kieler Piraten-Fraktion hat aus dem Hase-und-Igel-Spiel zwischen Lobbyisten und Politikern gelernt und sorgt vor: Konsequent setzen sich Patrick Breyer und Angelika Beer auf der bundespolitischen Ebene für ein Fracking-Verbot ein.
Die ersten politischen Erfolge machen den Menschen in Schleswig-Holstein Mut: „Der Druck der Bürgerinitiativen und die ständigen kleinen Anfragen der Piraten im Kieler Landtag trugen Früchte. Bürger und Politiker haben gemeinsam etwas bewirkt. Transparenz und gelebte Bürgernähe der PIRATEN können maßgeblich zu einer Wiederbelebung eingeschlafener Demokratiestrukturen beitragen. Die Einführung einer öffentlichen Petitionsplattform in Schleswig-Holstein und das Bürgerportal Open Antrag bieten jedem Bürger eine demokratische Beteiligungsmöglichkeit. Dieser Erfolg macht Mut für weitere Demokratie-Experimente.“, erklärte Sven Stückelschweiger, der damalige Vorsitzender der Piratenpartei im Landesverband Schleswig-Holstein.
Derweil geht der Kampf weiter, denn Schleswig-Holsteins Umweltminister Habeck setzt sich nach wie vor nur für ein Verbot toxischer Substanzen im Rahmen des Fracking-Verfahrens ein. Für die Landtagsabgeordneten Angelika Beer und Patrick Breyer ist das zu wenig.Auch das transatlantische Handelsabkommen („TTIP“) könnte wegen der so genannten „Investorenschutzklauseln“ Fracking doch noch ermöglichen. Die Zeit läuft und die Gefahr, dass in Schleswig-Holstein in Zukunft doch gefrackt wird, wächst.
Hoffen wir, dass auch Etappensiege beflügeln und Kraft geben. Wir werden sie brauchen.