Der Verein Digitalradio e.V. hat sich auf die Fahnen geschrieben, Digitalradio als „Radio der Zukunft“ in Deutschland zu etablieren. Seit der Erfindung und Erprobung digitaler Radiostandards konnte sich die neue Technik aber nicht durchsetzen. Jetzt soll die zwangsweise Abschaltung der alten Technik der neuen zum Durchbruch verhelfen.
Radio auf UKW gibt es seit den späten 40-er Jahren. Vorangetrieben wurde diese Entwicklung vor allem von Deutschland. Dabei spielte der Wunsch nach Innovation im kriegszerstörten Deutschland sicher die geringste Rolle. Aber die knappen Sendefrequenzen auf Mittelwelle, damals „state of the art“, bekamen nach 1945 vor allem die Staaten zugeteilt, die den Krieg gewonnen hatten. Bei der Suche nach Alternativen zur Mittelwelle wurde der UKW-Rundfunk ersonnen. Bei der Gelegenheit wurden die Standards der 1920-er Jahre gleich über Bord geworfen und damit die Chance auf eine bessere Klangqualität genutzt. Die neue Technik ließ die alten Empfänger der 30-er und 40-er Jahre schnell altaussehen und trat ihren Siegeszug an.
Das neue Sendeverfahren, im englischsprachigen Raum „FM“ (von Frequenzmodulation) genannt, erwies sich als zukunftssicher. Denn ohne dass betagtere UKW-Radios darunter leiden müssten, kam im Lauf der Jahre der Stereoton dazu, der Verkehrsfunk, sogar die Übertragung digitaler Daten mit RDS. Egal welche Innovationen die Technik brachte: Ein vorhandenes Gerät konnte einfach weiter genutzt werden. Allerdings änderte sich die Nutzung selbst. War bis in die frühen 60-er Jahre das Radio das zentrale Möbelstück, um das sich die Familie abends versammelte, wurde das Radio mehr und mehr an den Rand gedrängt: Als Radiowecker, zur Beschallung für den Arbeiter am Fließband, im Auto und auf Reisen. In diesen Bereichen aber konnte sich das Radio behaupten. Aus heutiger Sicht lässt die vom UKW-Radio gebotene Qualität zu wünschen übrig, doch Konzerte und ähnliches hört man ohnehin von CD und nicht als Liveübertragung.
Digitale Rundfunkverfahren versprechen dem Radiohörer einige Innovationen: Perfekte Klangqualität, weniger Platzbedarf im Frequenzspektrum und deswegen zusätzlichen Platz für weitere Sender, größere Reichweite und neue Möglichkeiten Sender auszuwählen. Dass fast niemand die digitale Technik nutzt und kennt, hat einen einfachen Grund: Die bisherigen Geräte können dafür nicht genutzt werden, es ist eine Neuanschaffung notwendig. Aber die digitalen Empfänger, mehr Computer mit angeschlossener Antenne als Radios, sind teurer als die analogen Geräte und können ihre Vorteile dort, wo sie eingesetzt werden, oft nicht ausspielen. Dazu kommt ein gewisses Grundmisstrauen bei denjenigen, die sich mit den Details der neuen Technik beschäftigten. Während Omas Dampfradio noch heute spielt, sind die Innovationszyklen beim digitalen Radio deutlich kürzer. Die frühen Standards DAB, DRM und DMB sind heute schon wieder Vergangenheit. Wer ein Gerät kaufte, musste es oft entsorgen, da die Möglichkeit eines Updates nicht vorgesehen war. Wie lang DAB+, angeblich das Verfahren der Zukuft, genutzt werden wird, ist offen. Dazu kommt die Befürchtung, dass einzelne Sender ihre digitalen Signale verschlüsseln könnten, um so den Hörer zur Kasse zu bitten. Aber auch für Urlauber bringt die Festlegung auf eine einzige Technik Nachteile: Anders als beim UKW-Rundfunk nutzen unterschiedliche Länder verschiedene Verfahren. Digitale Geräte aus den USA, der Schweiz oder Norwegen würden hier stumm bleiben – auch im Auto auf der Autobahn.
Die zwangsweise Einführung des digitalen Rundfunks würde von heute auf morgen einen gigantischen Müllberg produzieren. Von der alten Musiktruhe über den Radiowecker bis zum Autoradio würde dort alles landen, das nach 2025 nichts mehr empfangen kann. Tatsächlich dürfte diese Zwangsverschrottung nur in wenigen Fällen zum Neukauf eines digitalen Radios führen. Im Zeitalter des WLAN und LTE gibt es tatsächlich Alternativen – und die Geräte dafür sind bereits vorhanden. So würde UKW zu einer rauschenden Ödnis, mit toller neuer Technik, der jedoch die Hörer fehlen!
Gelegentlich muss der Gesetzgeber eingreifen, falls sich sinnvolle Neuerungen nicht durchsetzen. Der Sicherheitsgurt und der Schutzhelm sind Beispiele dafür. Digitales Radio gehört nicht dazu. Ähnlich wie beim Leistungsschutzrecht und dem Meldegesetz von 2012 bliebe der Verdacht, dass ein Gesetz einzig dazu dienen soll, jemandem die Tasche zu füllen.
Redaktionsmitglied Michael Renner
Meine Karriere als Redakteur bei der Piratenpartei startete 2009 beim Bundesnewsletter, aus dem 2010 die Flaschenpost hervorging. Im Sommer 2012 wurde ich stellvertretender Chefredakteur, Anfang 2014 Chefredakteur. Da die unzähligen Aufgaben an der Spitze der Flaschenpost einen Vollzeitjob in der Freizeit mit sich bringen, machte ich nach zwei guten, aber auch stressigen Jahren zwei Schritte zurück und gab die Redaktionsleitung ab. Die gewonnene Freizeit wird in die Familie und mein zweites großes Hobby, den Amateurfunk, investiert.