Grade eben klingelte beim Sperling das Telefon. Sein Nachbar war dran und regte sich furchtbar auf, was denn die Piraten wieder so machen würden, und die arme AfD, und endlich eine Strafanzeige … und so weiter und so fort.
Der Sperling beschloss, sich das alles mal durchzulesen. So wie es aussieht, picken ein paar echt schräge Vögel regelmäßig so lange auf irgendwelchen Servern der AfD rum, bis diese aufgehen – dann veröffentlichen sie ihre Funde (Adressen von Parteimitgliedern etc.) an verschiedenen Stellen im Netz – mit dem Ziel, diese bloßzustellen.
„Moment mal“, fragt sich da der Sperling, „wieso bloßstellen? Ist die Mitgliedschaft bei der AfD etwas, für das man nicht öffentlich einstehen will?“ Dem scheint so zu sein, im Gegensatz zur Mitgliedschaft bei den Piraten, derer man sich nicht (mehr) zu schämen braucht und die auch in Kleidung mit Parteilogo erkennbar ist, ist das bei der AfD anders. Nicht nur, dass man hie und da von Linksextremen angefeindet wird, auch in der Mitte der Gesellschaft regt sich Widerstand gegen die mit Geld von Banken und Industrie gestopften neo-/rechtsliberalen Besserwisser.
„Aber was hat das mit den Piraten zu tun?“, fragt ihn sein Spatz, „Das sind doch irgendwelche anderen Leute!“ Nun, mit den Piraten hat das an sich gar nichts zu tun. Die Partei bietet im Rahmen ihrer Funktionen eine freien Etherpad-Server (ähnlich wie Google seine Textverarbeitung Google-Docs) zur Nutzung für Parteimitglieder und alle anderen Menschen an – unzensiert, kostenlos und ohne Schnüffelei ob der Inhalte. Und als Anbieter nach TMG auch ohne sich die Inhalte zu eigen zu machen. Die oben genannten schrägen Vögel haben u.a. diesen Etherpad-Server genutzt und die Inhalte wurden sofort nach Beschwerde durch die AfD von den Parteiservern gelöscht.
Jeder Anwalt mit einer grundlegenden Ausbildung im „Internet-Recht“ weiß, dass die Partei und ihre Mitarbeiter nicht dafür verantwortlich sind. Und er weiß auch, dass Anzeigen gegen Betreiber nur einem Zweck dienen können – und zwar dem, das Geld ihres Mandanten möglichst peinlich zu verbrennen. Dieses Wissen scheint jedoch nicht bis zur AfD oder ihrem Anführer vorgedrungen zu sein, denn laut Spiegel online wurde „Strafanzeige gegen die Piratenpartei Deutschland sowie alle für den Inhalt der Webseite verantwortlichen Personen“ gestellt.
Nun ja, wir sind immerhin in der Politik – da heißt es eben: „Verklagen Sie die alle, und kommen Sie mir nicht mit Fakten, ich will klagen, weil ich recht habe!“ und die Realität ist egal. So werden schließlich auch hierzulande Gesetze gemacht (die dann hin und wieder das BVerfG oder der EuGH einkassiert), so wird gewählt (nachher war es keiner) und so werden auch Verträge (man nehme ein beliebiges staatliches Großprojekt) unterschrieben.
„Normalerweise“, sinniert der Sperling, „dauert es etwas, bis Parteien dermaßen in sich gefangen sind, dass sie die Realität nicht mehr kümmert“. Nun, bei der AfD geht das viel schneller. Kein Wunder, dass sie noch mehr gemieden werden, als die PDS weiland in den „Neunzigern“ – nicht nur komische Gestalten mit Anklängen von Blut und Boden, auch noch verstrahlt wie der Kindergarten in Pripyat.
Redaktionsmitglied Sperling
Redakteur seit 2011, Kernteam der Redaktion seit 2013. De facto "Leitung" ab 2016, irgendwann auch offiziell Chefredakteur - bis 2023. Schreibt und Podcastet nur wenn ihm die Laune danach steht, zahlt aktuell die Infrastruktur der Flaschenpost, muss aber zum Glück nicht haften 🙂