

Als der Sperling heute das Netz aufschlug, sprangen ihm wieder viele „News“ an, die er so kaum glauben wollte. Unter anderem, dass jeder sechste Jugendliche im Internet gemobbt würde – das wären grob gesagt 17%.
„Holla die Waldfee“, dachte er sich, „da klingt unrealistisch – da schau ich mir doch mal die Quelle an!“ Und siehe da: Fast alle Artikel zitierten zwar einen Inhalt der JIM-Studie (S. 42) korrekt: „17 Prozent der Jugendlichen, die das Internet nutzen, berichten, dass über ihre Person schon einmal Falsches oder Beleidigendes im Internet verbreitet wurde“. Allem Anschein nach fehlte aber das nötige Verständnis des geschriebenen Wortes, denn entgegen den reißerischen Titeln bedeutet „etwas Falsches oder Beleidigendes“ nicht etwa Mobbing, sondern „Falsch“ oder „Beleidigend“. Wenn der Sperling hier schreiben würde „Onkel Mathias popelt in der Nase und müffelt heftig“, dann ist das ja auch kein Mobbing.
Im weiteren Verlauf der Studie findet sich dann auch der Fakt: „Selbst schon einmal fertig gemacht wurden sieben Prozent der Jugendlichen, glücklicherweise hat sich dieser Anteil im Vergleich zum Vorjahr nicht erhöht.“ Wobei „fertig machen“ nicht automatisch gleichzusetzen mit Mobbing ist. Da scheinen die Autoren der Studie im Gegensatz zu unserem Pipmatz auf die Feinheiten der deutschen Spache zu pfeifen.
„Warum lesen die Leute nicht alles durch?“, fragt sich unser kleiner Freund, „Da steht doch was ganz Anderes als in den Überschriften suggeriert wird!“. Für die mangelhafte Qualität kann es verschiedene Gründe geben:
- entweder fehlt die Zeit für eine ausführliche Recherche (nun ja, der Sperling hat nur fünf Minuten gebraucht, um den Fakt zu finden)
- oder die Info zu Beginn des Absatzes der Studie passt ins persönliche Weltbild des Schreibers (das böse Internet, das verdirbt die Kinder!) und da passt die Info genau in die eigene Version der Realität
- es kann auch sein, dass einer vom anderen abschreibt (Zeitmangel, fehlende Kreativität, Schludrigkeit, Faulheit … sucht euch was aus)
- die Überschriften werden nicht vom Autor gestaltet (Headliner sollen ja gut bezahlt werden, da sie im Netz dafür sorgen, dass geklickt wird)
- es besteht die Möglichkeit einer „Stallorder“ in den Redaktionen, dass alles so weit als möglich dramatisiert werden muss (dafür sprächen die Formate vieler Magazine, die diese Meldung so brachten)
- zu guter Letzt die Verschwörungstheorie: Gezielte Manipulation mit Halbwahrheiten, um eine gesellschaftliche Akzeptanz für Klarnamensregelungen zu befördern (Die Kinder! Wir müssen die Kinder schützen!)
- – …
Was auch immer der Grund ist, der Sperling findet diese Sache – vor allem da sie so leicht nachzuprüfen ist – beinahe schon exemplarisch für den Umgang mit Fakten in der kommerziell veröffentlichten Meinung. Das ist nichts Neues, zeugt aber von dem immer mehr um sich greifenden Qualitätsverlust, der Manipulation der Wahrnehmung über Nuancen statt plumper Propaganda und einer Vereinheitlichung der Aussagen in vielen journalistischen Veröffentlichungen.
Das kann man sich nur noch schönsaufen, und genau das wird der Sperling jetzt machen. Prost!
Redaktionsmitglied Sperling
Redakteur seit 2011, Kernteam der Redaktion seit 2013. De facto "Leitung" ab 2016, irgendwann auch offiziell Chefredakteur - bis 2023. Schreibt und Podcastet nur wenn ihm die Laune danach steht, zahlt aktuell die Infrastruktur der Flaschenpost, muss aber zum Glück nicht haften 🙂