

Am 1. November findet die Demo “Glücklich ohne Überwachung” in Frankfurt statt. An dieser Stelle möchte ich zuallererst zu einer aktiven Teilnahme aufrufen. Das Thema geht uns alle an!
Als ich die Webseite der Demo besuchte, fiel mir allerdings eins sofort auf: an keiner Stelle war ersichtlich, dass Piraten an der Organisation der Demo beteiligt sind, geschweige denn, dass sie die Hauptorga stellen. Erst Nachfragen über Twitter und die Angaben im Impressum stellten das klar. Ich als Parteimitglied und Flaschenpost-Redakteur bin natürlich daran interessiert, die Beteiligung der Piraten hervorzuheben; ein neutraler Journalist muss nicht so hartnäckig sein, und ein Interessent, der vielleicht bloß auf die Webseite schaut, um Zeit und Ort der Veranstaltung in Erfahrung zu bringen, wird sich die Arbeit fast sicher nicht machen.
Nun ist die Organisation von Demonstrationen oder ähnlichen Veranstaltungen als Partei immer eine heikle Angelegenheit. Die Piratenpartei hat nicht die Manpower oder die Reichweite, um im Alleingang eine Großdemo zu organisieren. Deshalb müssen Bündnisse geschmiedet werden, an denen auch andere Parteien, Organisationen und Verbände beteiligt sind. Diese lassen sich allerdings ungern von einer einzelnen Partei zu Wahlwerbezwecken vereinnahmen, weshalb immer ein Kompromiss gesucht werden muss. Dennoch ist auffällig, das gerade bei Aktionen, die von den Piraten (mit-)organisiert werden, die Piratenpartei oft in der öffentlichen Wahrnehmung weit hinter den anderen Teilnehmern bleibt. Das ist für die Außendarstellung, die wir dringend benötigen, um wieder Wahlerfolge einzufahren, nicht gut und wirkt nicht zuletzt auch demotivierend für die vielen, meist ehrenamtlich tätigen, Parteimitglieder, die ihre Arbeit in die Organisationsarbeit reinstecken, nur um dann zusehen zu müssen, wie andere dadurch ins Rampenlicht kommen. Auch die politische Arbeit von Piraten in Landes- und Kommunalparlamenten ist wesentlich erfolgreicher, als es nach Außen den Anschein erweckt. Die Flaschenpost wird zukünftig eine eigene Rubrik führen, um von den Erfolgen der Piraten zu berichten. Hier gilt ebenfalls, dass inhaltliche Ergebnisse nicht nur erbracht, sondern auch nach außen kommuniziert werden müssen, was bisher oft zu kurz gekommen ist.
Es gibt mehrere Gründe, warum Piraten tendenziell in der Öffentlichkeit weniger präsent sind, als es unsere Arbeit ermöglichen würde. Einerseits kommen viele Piraten aus Organisationen wie dem CCC oder AK Vorrat. Diese müssen nicht zu Wahlen antreten und für Stimmen werben, sondern können sich alleine auf ihre inhaltlichen Ziele konzentrieren. Je mehr Partner für eine Veranstaltung gefunden werden können, umso besser. Wenn eine Partei ihre Teilnahme an eine Möglichkeit zur Eigenwerbung knüpft oder die Präsenz anderer Parteien eingeschränkt sehen möchte, ist das aus dieser Sichtweise vollkommen akzeptabel, solange dadurch mehr Aufmerksamkeit für die Aktion und deren Inhalte erzeugt wird. Wir als Partei befinden uns hingegen in einem Spannungsfeld, denn die Mitstreiter bei einer Demo sind gleichzeitig Mitbewerber, wenn es um Wählerstimmen geht. Die etablierten Parteien haben wesentlich mehr Erfahrung auf dem politischen Parkett und wissen es, jede Gelegenheit für Werbung in eigener Sache zu nutzen. Die im Bundestag vertretenen Parteien haben zudem den Vorteil, dass die Medien von sich aus – verständlicherweise – dazu tendieren, diesen Parteien mehr Aufmerksamkeit einzuräumen, als Kleinparteien. Das bedeutet, dass wir mehr Aufwand für die Öffentlichkeitsarbeit betreiben müssen, um die gleiche Außenwirkung zu erzeugen.
Neben mangelnder Erfahrung kommt bei Piraten an dieser Stelle aber noch ein weiterer Faktor dazu, der uns nicht nur bei der Organisation von Demos, sondern auch im Wahlkampf und in der täglichen politischen Arbeit das Leben erschwert. Wir haben uns seit unserer Gründung einem sehr sachlichen Politikstil verschrieben, was nicht zuletzt auf den technisch-naturwissenschaftlichen Hintergrund vieler Gründungsmitglieder zurückzuführen ist. So betonten wir stets unsere “Ideologiefreiheit” und einen lösungsorientierten Politikansatz, der die Vernunft als wichtigstes Maß für die Ausarbeitung und Beurteilung politischer Vorschläge betrachtet. Auch das bekannte und immer noch nicht ganz aufgegebene Motto “Themen statt Köpfe” entspringt diesem Gedanken: Rational gesehen, kann es keinen Unterschied machen, wer eine bestimmte Position vertritt, da es keine Auswirkungen auf die logische Stimmigkeit der Position hat. Doch der demokratische Politikbetrieb ist maßgeblich durch irrationale Entscheidungen, persönliche Sympathien und „Bauchgefühl“ geprägt. Die Sympathie- und Bekanntheitswerte eines Kandidaten färben in einem nicht unerheblichen Maße auf die Attraktivität der von ihm vertretenen Positionen ab. Genauso ist die positive Wahrnehmung kein automatisches Ergebnis von guter Arbeit, sondern verlangt auch bewusste Bemühungen zur Selbstdarstellung. Das mag uns wenig sympathisch erscheinen, aber wir haben uns nun mal für die Organisationsform einer Partei entschieden, und das bedingt die Notwendigkeit, bestimmte Spielchen mitzumachen, auch wenn wir sie als irrational und kontraproduktiv ansehen.
Wir sollten dabei keineswegs andere Parteien darin nachahmen, einen Mangel an inhaltlicher Arbeit mit möglichst viel öffentlichkeitswirksamen Getöse zu überschallen. Wir dürfen uns auch nicht aus Bündnissen zu unseren Kernanliegen, wie Überwachung oder Zensur, zurückziehen, bloß, weil uns dort keine Bühne für Parteiwerbung geboten wird. Was wir aber machen können und müssen ist, das Spannungsfeld zwischen Einsatz für die Sache und Werbung für die Partei bewusst wahrzunehmen und stets ein Auge darauf zu behalten, wie die eine oder andere Aktion sich auf unsere Außendarstellung auswirkt. Dabei werden wir, gerade bei Demonstrationen, immer auch Kompromisse eingehen müssen. Aber ein Kompromiss setzt voraus, dass sich alle Seiten aufeinander zubewegen – und nicht, wie es bisher oft der Fall war, dass die Piraten durchgehend Zugeständnisse machen und die Früchte unserer Arbeit kampflos anderen Akteuren oder gar dem politischen Gegner überlassen.