In Moskaus Metro soll den Reisenden bald kostenloses WLAN zur Verfügung stehen. So sieht es eine Forderung der russischen Regierung vor. Tatsächlich frei wird dieses WLAN nicht sein, denn frei bedeutet mehr als nur kostenlos. Russland ist heute eines der führenden Länder in Sachen Internetzensur. Inhalte werden restriktiv gefiltert, kritischen Medien die „Internetlizenz“ entzogen – also die Server abgeschaltet. Die Zensur trifft inzwischen nicht nur klassische Meinungsmedien wie Zeitung, Radio oder Fernsehen. Mittlerweile unterliegen auch Blogger und Nutzer von Twitter einer Registrierungspflicht. Zusätzlich schauen die Geheimdienste mithilfe der für jeden Provider vorgeschriebenen Blackboxen sehr genau in die Datenpakete, um protokollieren zu können, was die Benutzer sich mitzuteilen haben. Der Begriff „freies WLAN“ steht für etwas, das mit dem auf Provider- und Content-Ebene gefilterten Netz, welches jetzt in Moskaus Metro aufgebaut wird, nichts gemeinsam hat. Ein freies Netz ist öffentlich zugänglich, unzensiert und unterliegt keiner Inhaltskontrolle. Ein WLAN, das zwar nichts kostet, aber nur einen Teil der Angebote zur Verfügung stellt, ist kaum besser als gar kein Internetzugang.
Faktisch wurde Russland in nur wenigen Jahren zu dem Zensurstaat um- und zurückverwandelt, der er bereits in früheren Zeiten war. Für Putin stellen die Medien inzwischen keine Bedrohung seiner Machtbasis mehr dar. Das Netz ist allerdings immer noch das mit Abstand freieste Medium in Russland. Dort gibt es zumindest die Möglichkeit, an alternative Sichtweisen zu kommen, was beispielsweise das Staatsfernsehen schon seit geraumer Zeit nicht mehr bietet. Allerdings schließen sich auch im Netz diese kleinen Fenster zu ungefilterten Informationen zusehends. Die russische Piratenpartei – der nach wie vor die Registrierung verweigert wird, vorgeblich wegen ihrem Namen – kämpft zusammen mit anderen Organisationen und Initiativen gegen diese Entwicklung, die aber von mächtigen Interessen getragen und vorangetrieben werden.
Bei aller Kritik an Russlands Vorgehen gegen das freie Internet dürfen wir allerdings nicht vergessen, dass auch Deutschland in dieser Hinsicht keinesfalls als Vorbild dienen kann. Vielmehr ist Deutschland 2014 immer noch ein digitales Entwicklungsland. Eine Initiative „WLAN für alle“ täte hierzulande Not. Gerade im ländlichen Raum fehlt oft jeglicher mobile Zugang zum Netz – egal ob per WLAN, UMTS oder LTE. Die juristischen Risiken, die von der Störerhaftung ausgehen, verhindern zusätzlich, dass die, die Netzanbindung haben, es mit denen teilen, die keines haben. Auch werden immer wieder Forderungen nach restriktiven Inhaltsfiltern laut, allerdings sind nur wenige Angebote aus Deutschland tatsächlich nicht erreichbar (bedingt durch das „Recht auf Vergessen“, die „GEMA-Sperre“ sowie einige staatsanwaltliche Beschlagnahmungen im Inland).
Spätestens nach den Snowden-Enthüllungen sollte jedem klar sein, dass westliche Geheimdienste im Netz ähnliche Überwachungsphantasien pflegen und diese zunehmend ausleben. Putin, der nicht einmal den Anschein unabhängiger demokratischer Kontrolle fürchten muss, kann dies nur ungleich ungenierter, ungestümer und damit auffälliger machen. Der Abbau der Internetfreiheit in Russland muss uns allen eine Warnung sein, welche Folgen die ungezügelte Machtergreifung durch Geheimdienste und Sicherheitsapologeten hat. Dennoch gibt es einen großen Unterschied zwischen den Schnüffeleien hier und dort: Die Folgen unbotmäßiger Ausserungen sind in Russland weitaus dramatischer als beispielsweise in Europa oder den USA.
Redaktionsmitglied Michael Renner
Meine Karriere als Redakteur bei der Piratenpartei startete 2009 beim Bundesnewsletter, aus dem 2010 die Flaschenpost hervorging. Im Sommer 2012 wurde ich stellvertretender Chefredakteur, Anfang 2014 Chefredakteur. Da die unzähligen Aufgaben an der Spitze der Flaschenpost einen Vollzeitjob in der Freizeit mit sich bringen, machte ich nach zwei guten, aber auch stressigen Jahren zwei Schritte zurück und gab die Redaktionsleitung ab. Die gewonnene Freizeit wird in die Familie und mein zweites großes Hobby, den Amateurfunk, investiert.