Die „Pirate Security Conference“ in den Münchener Ringstudios fand unter dem Motto „Sicherheitspolitik nach Snowden“ statt. Am zweiten Tag lag der Schwerpunkt auf den Konflikten im Nahen Osten. Auf den ersten Bick hat dies nicht viel mit Snowden zu tun, letztlich hängen die Abhöraktivitäten der Geheimdienste aber auch mit dem Terror dort und den offen ausgetragenen Konflikten zusammen.
Das Programm war eng getaktet und fand teilweise parallel in zwei Räumen statt. Die Vorträge zeigten wie schon am ersten Tag ein hohes Niveau, dasselbe kann von den sich jeweils anschliessenden Frage- und Diskussionsrunden gesagt werden.
Enno Lenze war in Kurdistan und berichtete vor allem vom Kampf der Peschmerga gegen die ISIS. Die Region Kurdistan liegt im Irak. Kurdistan hat eigene Grenzen, ein Parlament, Visa, Gesetze, Armee, Polizei – ist aber immer noch Teil des Irak. Die Armee der „Peschmerga“ darf im ganzen Irak operieren, die irakische Armee aber nicht in Kurdistan. Das kurdische Parlament hat 111 Sitze, die sich 16 Parteien teilen. 1/3 der Sitze ist für Frauen reserviert. Enno konnte mit Soldaten, die nur wenige Stunden zuvor gegen ISIS gekämpft hatten, sprechen.
Letztes Jahr ist die irakische Armee aus Kurdistan geflohen, teilweise überrannt von ISIS. ISIS ist nicht sehr mächtig, sie haben wenig Waffen. Teils sind dort Saddams Generale aktiv, denn sie kennen die Gegend und die irakische Armee. Das „mittlere Management“ der ISIS besteht aus Soldaten aus Tschetschenien, die für 2000-5000 Dollar „ausgeliehen“ werden. Die Fußtruppen sind reines Kanonenfutter. Das ist ein Problem: ISIS hat intelligente Anführer und todesbereite Fußtruppen. Die irakische Armee dagegen hat nur eingeschränkte Aufklärungsmöglichkeiten. Den irakischen Soldaten wurde gesagt „Haut ab oder wir köpfen euch“. Da die irakischen Soldaten nicht wussten, ob sie es mit vielen oder wenigen Kämpfern zu tun hatten, sind sie aus Angst abgehauen. Dabei hinterließen sie dutzende RPG-sichere Humvees, Klasse4-Schutzwesten, Uniformen, Waffen und vieles mehr. Die Peschmerga dagegen haben nur wenige panzerbrechende Waffen. Im Kampfgebiet gibt es keine klare Front, die ganze Gegend ist gefüllt mit Kämpfern der Peschmerga und der ISIS, die oft nur 150m weit ausseinander liegen. Als Schutz gegen den ISIS-Beschuss dienen ein paar Erdwälle. Die frisch gelieferten österreichischen Glock 9 Pistolen dienen meist nur dazu, sich selbst zu töten, falls eine Stellung vom ISIS-Kämpfern überrannt wird. Als ISIS mit den frisch von der irakischen Armee besorgten Humvees ankam, konnten die Perschmerga fast nichts machen. Sie haben nur wenige Panzer. Spezialtruppen haben etwas bessere Ausrüstungen, aber beispielsweise auch keine Luftwaffe und auch keine Schutzwesten.
Eine Eskalation der Kämpfe fand im August statt. Die Peschmerga hatten einige erfahrene Kämpfer, aber auch viele junge, die nie einen Krieg gesehen haben. Nachdem die ISIS Geländegewinne erkämpfen konnte, forderten die Peschmerga dringend Waffen an. Inzwischen wurden Waffen aus Deutschland geliefert, deutsche Militärberater (keine Soldaten) halfen bei der Ausbildung der Soldaten.
Mit den Milan Panzerabwehrraketen und der Panzerfaust 3 verfügen die Peschmerga über die Möglichkeit zu Langstreckenkämpfen. Vielleicht haben sie auch Uranmunition, zumindest wurden Munitionskisten mit Radioaktivitätssymbolen gesehen. Mit diesen Waffen können sie nun die gepanzerten Fahrzeuge und Truppentransporter des ISIS zerstören. Innerhalb kurzer Zeit wurden so große Teile Kurdistans „befreit“. Jetzt gibt es viele verlassene Häuser, die mit Sprengfallen vermint sind. Wegen der vielen Zerstörungen sieht es dort apokalyptisch aus. Heute leben etwa 2 Millionen Flüchtlinge im kurdischen Gebiet. Die Einwohnerzahl betrug zuvor 5 Millionen.
Peter Finkelgruen ist Rundfunkredakteur, Korrespondent und Autor. Er berichtete in seiner sehr persönlich gehaltenen Erzählung seiner Jugendtage im jungen Staat Israel. Laut Finkelgruen berichten schon literarische Erzählungen von Schlachten im Sudan und Ägypten, dem Aufstand der Mahdi und der Gründung des ersten islamistisch-fundamentalistischen Staats der Neuzeit, einem Kalifat im Sudan. Diese Blutherrschaft dauerte 13 Jahre. Aber auch das saudische Königreich ist ein salafistisches Gebilde, das der ersten Generationen des Islam nacheifert. Heute fallen die Staaten des Nahen Ostens auseinander, die nach dem 1. Weltkrieg von den Kolonialmächten errichtet wurden. Hier entstehen neue Grenzen entlang religiöser und ethnischer Gebiete.
Es gibt mind. 5 palästinensische Gruppen, die eigene Interessen vertreten:
* Israelische Araber, sie haben mit 20% Bevölkerungsanteil einen Minderheitenstatus in Israel. Sie sitzen auch in der Knesset. Sie sind rechtlich gleichgestellt, faktisch jedoch benachteiligt und einem ständigen Misstrauen ausgesetzt.
* Palästinenser mit jordanischer Staatsbürgerschaft. Sie stellen die Bevölkerungsmehrheit, haben jedoch den Status einer Minderheit.
* Palästinensische Bevölkerung in den seit 1967 besetzen Gebieten der Westbank. Das sind selbstbewusste Bürger der Mittelklasse, zB. Ärzte und Architekte mit jordanischen Pässen.
* PLO seit 1947/48 und 1967. Ein Zusammenschluss aus Gruppen und Grüppchen, die Anhänger in Syrien und Jordanien aus Flüchtlingskreisen zusammen suchen.
* Palästinenser, die im westlichen Asyl leben, eingebunden in ihr Umfeld sprechen sie zwar von Solidarität, beschränken diese jedoch oft auf Überweisungen und ggf. Lobbyarbeit.
Aber auch die jüdische Seite fragmentiert zusehens. Hier verläuft der Konflikt zwischen Zionisten und Antizionisten. Das Militär und die Vertreter der Religion sind faktisch in jeder Regierung vertreten und üben grossen Einfluss aus. Deswegen ist auch in Israel zu beobachten, dass jede organisierte und institutionalisierte Religion rückwärtsgewandt ist.
Redaktionsmitglied Michael Renner
Meine Karriere als Redakteur bei der Piratenpartei startete 2009 beim Bundesnewsletter, aus dem 2010 die Flaschenpost hervorging. Im Sommer 2012 wurde ich stellvertretender Chefredakteur, Anfang 2014 Chefredakteur. Da die unzähligen Aufgaben an der Spitze der Flaschenpost einen Vollzeitjob in der Freizeit mit sich bringen, machte ich nach zwei guten, aber auch stressigen Jahren zwei Schritte zurück und gab die Redaktionsleitung ab. Die gewonnene Freizeit wird in die Familie und mein zweites großes Hobby, den Amateurfunk, investiert.