
TTIP Trojan Horse | CC0 nach einer Vorlage von <a href="https://openclipart.org/detail/211105/ttip-trojan-horse-by-worker-211105">worker</a>
Der vierte und letzte Teil einer kleinen Artikelserie zu TTIP, CETA und TISA von Thomas Blechschmidt.

„Stop TTIP“-Unterschriftensammlung bei „Wir haben es satt!“-Demo in Berlin | Mehr Demokratie | CC BY-SA 2.0|
Noch mehr Aggressivität, noch mehr Lautstärke und noch weniger Sachlichkeit wird lediglich dazu führen, dass die Zahl der kritischen Gegner abnimmt. Wesentliche Kritikpunkte sind erklärt, entschärft und zu großen Teilen widerlegt.
Die stellenweise wirklich simplifizierenden Argumente der Befürworter fallen momentan niemandem auf. So zum Beispiel der vollkommen sachfremde Vergleich eines Freihandelsabkommens mit einem kommunalen Grundstücksgeschäft. Absurd, was Ferber nicht müde wird, zu zitieren. Ich hatte genau das Gleiche von MdEP Michael Theurer von der Partei der unsagbaren Vortäuschung von Freiheit, gehört. Wiederholung macht es nicht besser.
Ein umfassendes Abkommen, das Handelsbeziehungen regeln soll mit einem konkreten Vertrag, der einen konkreten Gegenstand für ein einmaliges Geschäft zum Inhalt hat, zu vergleichen, ist schon systematisch ein unbrauchbarer Ansatz. Im Übrigen gibt es auch bei Grundstücksgeschäften längst freie Bieterverfahren. Vertrauliche Gespräche bei solchen Geschäften sind eine Frage der persönlichen Präferenz, nicht der Notwendigkeit. Offene Ausschreibungen sind längst Usus.
Ebensowenig thematisiert wird das demokratische Defizit, das dadurch entsteht, dass auch bei derart weitreichenden Festlegungen die gewählten Parlamentarier ganz selbstverständlich die Zuständigkeit für sich in Anspruch nehmen und Volksentscheide abgelehnt werden. Schließlich hat man sie ja dafür gewählt.
Diese Form der mehrfach gestaffelten indirekten Demokratie ist eines der eigentlichen Probleme. Und nicht etwa absurde Theorien und Behauptungen über an den Haaren herbeigezogene Möglichkeiten, dass angeblich böse US-Konzerne dann bei uns Fracking betreiben können, Genpflanzen anbauen, Krankenhäuser an böse amerikanische Investoren verkauft werden, uns zwingen Hormonfleisch zu essen, unsere Landwirtschaft vernichten, unsere Arbeitsschutznormen und Sozialstandards aushebeln oder ähnliches, oder eben unseren Staat verklagen können, weil sie das alles nicht dürfen. Das alles hat Ferber ziemlich einleuchtend erklärt und mir erscheinen die Erklärungen durchweg haltbar, vor allem da sie nachprüfbar sind. Im Gegensatz zu den theoretischen Angstszenarien der Gegner. Die beruhen lediglich auf freier Interpretation.
In der Realität gibt es 1.400 Freihandelsabkommen, davon hält die BRD mit 130 Partnern weltweit die Spitze. Diese Abkommen existieren seit 1959 und haben nirgends das Rechtssystem unseres Landes ausgehöhlt. Unsere bisherigen Parteien haben das mit über 65 Grundgesetzänderungen ohne Volksentscheide, der Missachtung des Versprechens und Gebots der Schaffung einer echten Vollverfassung nach Art. 146 GG und der Abgabe von Hoheitsrechten an supranationale Organisationen ohne Volksentscheide dazu ganz andere, wesentlichere Beiträge geleistet.
Unter dem Strich denke ich, bewegen sich die Gegner auf eine Ausdifferenzierung zu: Die, die weiter auf ihren Angstszenarien bestehen und die, die sich der Entwicklung gezielt anpassen.
Der Protest muss weitergehen, aber ich hoffe, die Qualität verändert sich nun deutlich und passt sich der veränderten Strategie der Befürworter an. Solange nicht klar ist, was in dem Abkommen stehen wird, gibt es keine ausreichende Grundlage dafür zu stimmen. Klar sind die Ziele des Abkommens, und die sind jede Unterstützung wert. Diese beiden Standpunkte hat Ferber für seine Partei und seine ebenfalls Fraktion klargemacht und dabei stimme ich auch zu.
Was Rupert Reisinger angemerkt hat, war richtig: Wozu ein umfassendes Abkommen, wenn doch außer ein paar technischen Standards und ein paar Zöllen eh nicht viel geregelt wird?
Was fehlt, wie gesagt:
- Demokratie: Die direkte Möglichkeit der demokratischen Mitbestimmung: Volksentscheide = letztes Wort hat das Volk.
- Transparenz: Mindeststandards sind die Veröffentlichung der Verhandlungstage, der Tagesordnungen, die die Gesprächsgegenstände benennen (heute reden wir über gemeinsame Messsysteme oder über Produkthaftung), die Benennung der Teilnehmer (nicht namentlich) nach Funktion und Herkunft (aus den USA Für die F&DA, aus Europa für den Verband der Metallindustrie,…), die Veröffentlichung der Ergebnisprotokolle, ein öffentliches Lobbyregister bei der EU, beim Bundestag und beim Landtag, die Veröffentlichung aller Treffen und Gespräche von Lobbyisten mit Abgeordneten und Amtsträgern
Das Klein-Klein-Hick-Hack um Chlorhühner, Blinkerfarben, Hormonfleisch und die Verschwörungstheorien, die auch bei diesem Thema Konjunktur haben ist Zeitverschwendung. Wir bekommen Kennzeichnungspflicht, internationale Kontrollrechte im Herstellerland, Schutz der heimischen Standards, und einiges mehr.
Worauf wir achten müssen, da der Investitionsschutz kommt: Unabhängige Besetzung der Schiedsgerichte unter transparenter, demokratischer Kontrolle. Und klar: der CSU/CDU, der SPD, den GRÜNEN und erst recht der wiedererstarkenden FDP traue ich an der Stelle nicht. Es ist irgendwie sinnfrei, wenn die, die kontrolliert werden sollen, sich die Kontrolleure selbst aussuchen können.
Als der Abend nach dem Arzt, dann mit dem Papst und am Ende mit dem Thema Landwirtschaft immer absurder wurde, war ich nahe dran, für Ferber Partei zu ergreifen. Der Sprecher, der von der hochsubventionierten Landwirtschaft in Europa, die gegen die hocheffiziente US-Agrarindustrie keine Chance hat, gefaselt hat, war der Prototyp des uninformierten Gegners aus Prinzip. Lieber protestieren als sich informieren. Und lieber nein sagen, als es besser machen.
Niemand auf der Welt subventioniert seine Landwirtschaft so sehr, wie die USA das tun. Amerikanische Farmer haben nahezu eine Abnahmegarantie für alles, was sie produzieren. Weshalb die Nahrungsmittelhilfe US-Aid die schlagkräftigste der Welt ist. Und das seit über 100 Jahren.
Der Verlust von rund einer Million bäuerlichen Arbeitsplätzen in Mexiko durch NAFTA hatte vollkommen andere Gründe. Gleichzeitig hat Mexiko Millionen neue Arbeitsplätze hinzugewonnen, während in den USA Industriebetriebe geschlossen wurden, was dort über sechs Millionen Arbeitsplätze gekostet hat. Das war die andere Seite von NAFTA.
So viel für heute. Für die Piraten hoffe ich auf einen Weg der Versachlichung und der Orientierung an übergeordneten politischen Zeilen und Notwendigkeiten: Mehr direkte Demokratie, größere Transparenz, restriktivere Vorgaben zur Klassifizierung von Dokumenten und Informationen, um der Willkür aus taktischen und strategischen Gründen oder aus persönlicher Interessenlage einzelner Mandats- und Amtsträger und derer Peergroups einen weiteren Riegel vorzuschieben.
Für Protest- und Widerstandsfetischisten habe ich nichts übrig. Ebenso wenig wie für Gesinnungsdemagogen wie diesen Dr. Krautheim, die die wichtigste und für die Demokratie entscheidende politische Philosophie der westlichen Welt – den politischen Liberalismus – unter öffentlicher Zurschaustellung vollendeten politischen und philosophischen Unwissens – beständig diskreditieren, statt sich dafür einzusetzen, dass die öffentliche Gleichsetzung von Liberalismus = FDP endlich beendet wird.
Besten Gruß
Thomas Blechschmidt