
Freiheit statt Angst 2011 | <a href="https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/">CC-BY-2.0</a> opyh via <a href="https://www.flickr.com/photos/opyh/6133747429">flickr</a>
Sie lässt sich in Deutschland nicht totbekommen, immer wieder kommt sie wie ein Zombie aus dem Grab und verfolgt uns – die Rede ist natürlich von der Vorratsdatenspeicherung. Im Jahr 2007 wurde sie zum ersten Mal in Deutschland gesetzlich umgesetzt, 2010 vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig wieder verworfen. In der EU wurde die aktualisierte Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung erst letztes Jahr – im April 2014 – vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) als nicht vereinbar mit der Grundrechtecharta der EU verworfen.

Doch all das hindert die Bundesregierung nicht daran, einen erneuten Versuch zu starten und eine Vorratsdatenspeicherung „light“ einzuführen. Geändert haben sich dabei – wieder einmal – die Speicherfristen: Provider sollen Verkehrsdaten zehn Wochen und Standortdaten vier Wochen vorhalten, damit Strafermittler darauf zugreifen können. Dabei wird, allem voran von Justizminister und Initiator Heiko Maas, wieder einmal versucht, uns die Vorratsdatenspeicherung mit den üblichen Argumenten schmackhaft zu machen: extrem kurze Speicherfristen, es werden keine Bewegungsprofile erstellt, der E-Mail-Bereich wird komplett außen vor gelassen und so weiter.
Doch im Kern bleibt die Vorratsdatenspeicherung gleich: Die anlasslose Überwachung aller Bürger, egal ob schuldig oder unschuldig. Um so einen schwerwiegenden Eingriff in die Grundrechte der Menschen rechtfertigen zu können, müsste die Große Koalition eigentlich mit sehr guten und fundierten Argumenten aufwarten können. Doch das kann sie nicht. Im Gegenteil: Sie selbst und alle Unterstützer widersprechen sich selbst.
Bereits im Jahr 2012 hat das Max-Planck-Institut eine Studie veröffentlicht, die die Wirkungslosigkeit der Vorratsspeicherung, wie sie vor 2010 in Deutschland betrieben wurde, in Bezug auf die Verbrechensaufklärungsquote aufzeigte. Rein logisch betrachtet – wie würden sich demnach drastisch verkürzte Speicherfristen und andere Einschränkungen auf den Einfluss der Vorratsdatenspeicherung auf die Verbrechensaufklärung auswirken? Mit Sicherheit nicht positiv.
Fundierte Argumente für die Vorratsdatenspeicherung seitens der Bundesregierung und anderer Unterstützer, wie dem Bundeskriminalamt, sind rar gesät. Das ist natürlich auch schwierig, wenn man nicht nachweisen kann, dass dadurch die Verbrechensaufklärung verbessert wird. Und was macht man, wenn man keine stichhaltigen Argumente hat? Das, was schon seit Jahrhunderten in der Politik gerne gemacht wird: Man bedient sich des Populismus und hofft, dass keiner merkt, dass man keine Beweise oder Fakten hat.
So geschehen ist es beispielsweise durch Bundeskanzlerin Merkel selbst: Auf den Anschlag auf „Charlie Hebdo“ Anfang des Jahres reagierte sie mit einer Forderung zur erneuten Einführung der Vorratsdatenspeicherung und verkauft sie somit als wirkungsvolle Antiterror-Maßnahme. Dass es die Vorratsdatenspeicherung in Frankreich bereits seit 2006 gibt und diese augenscheinlich nicht bei der Verhinderung des Anschlags geholfen hat, wird dabei unter den Tisch fallen gelassen. Doch Angst schüren hat sich bisher oft als bewährtes Mittel erwiesen, um einer politischen Agenda Wind in die Segel zu geben.

Auch das scheint noch nicht auszureichen: Zumindest die CDU möchte, dass das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung noch vor der Sommerpause durchgebracht wird. Warum diese Eile auf einmal notwendig erscheint, bleibt offen. Möglicherweise gibt es hier auch andere Beweggründe. So soll beispielsweise im Zusammenhang mit der Vorratsdatenspeicherung – angeblich um den Missbrauch der gesammelten Daten zu unterbinden – der Straftatbestand der Datenhehlerei in das Strafgesetzbuch aufgenommen werden. Durch die weitgefasste Formulierung könnten allerdings auch Whistleblower oder gar Journalisten ins Fadenkreuz geraten, deren Arbeit durch dieses Gesetz kriminalisiert werden kann.
Trotz des neuen Anstrichs bleibt das Paket Vorratsdatenspeicherung also eine Mogelpackung: anlasslose Überwachung und ein schwerwiegender Eingriff in die Privatsphäre der Menschen auf der einen Seite, keine belegbaren Vorteile bei der Verbrechensaufklärung auf der anderen Seite. Uns PIRATEN sollte es weiterhin ein Anliegen sein, gegen die Einführung dieses Gesetzes vorzugehen. Eine erneute Klage vor dem Bundesverfassungsgericht, zusammen mit anderen Parteien und Organisationen, könnte hier zum Beispiel ein erfolgsversprechender Weg sein.