Im Zuge der Abstimmung über die Austragung olympischen Spiele 2024/2028 wird die Hamburger Volksgesetzgebung ausgehebelt.
Die Hansestadt Hamburg, allen voran ihr amtierender Bürgermeister Olaf Scholz, möchte sich um die Austragung der Olympischen Spiele in den Jahren 2024/2028 bewerben. Für eine erfolgreiche Olympia-Bewerbung ist eine positive Einstellung der Hamburger zu den Spielen nicht unerheblich. Der Senat versucht deshalb, die Bevölkerung rechtzeitig auf seinem Weg mitzunehmen. Dies geschieht durch eine großangelegte Werbekampagne, der Slogan „Feuer und Flamme für Olympia“ prangt schon jetzt an allen öffentlichen Verkehrsmitteln, und einer von der Bürgerschaft neutral angelegten Volksbefragung im Herbst.
Doch die angestrebte Neutralität des Verfahrens erscheint aufgrund der eindeutigen und sichtbaren Parteinahme der Behörden und der engagierten Unterstützung seitens der Wirtschaft allerdings schon jetzt als fraglich. So initiierten Hamburger Geschäftsleute im Wettbewerb um die deutsche Kandidatur bereits einen gigantischen Fackelaufmarsch um die Innenalster und setzten damit medienwirksam Signale.
Das Votum der Bürger muss verbindlich sein
Alarmiert durch die erbitterten Auseinandersetzungen um umstrittene Baumaßnahmen im Zuge des Hamburger Busbeschleunigungsprogramms, die zur Gründung der Volksinitiative “Stopp des Busbeschleunigungsprogramms” führten, befürchtet der Senat bei den angekündigten Infrastrukturmaßnahmen für die Olympischen Spiele weitere Auseinandersetzungen. Aus gutem Grund, denn schließlich hat schon der Bau der Elbphilharmonie in Hamburg für Negativ-Schlagzeilen gesorgt. Vor der Errichtung eines Olympiastadiums, möchte man sich daher verständlicherweise absichern.
Vor diesem Hintergrund erscheint den Verantwortlichen eine sogenannte einfache gesetzliche Volksbefragung als politisches Instrument zu unsicher, da sie rückwirkend gemäß Artikel 50 der Hamburgischen Verfassung durch Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheide ausgehebelt werden kann. Denn schließlich soll das Votum der Hamburger für oder gegen Olympia verbindlich sein. Darüber herrscht parteiübergreifend Konsens.
Das „Bürgerschaftsreferendum“ soll es richten
Ein der Hamburger Bürgerschaft am 7. Mai in erster Lesung, die zweite Lesung folgt am 28. Mai, vorgelegter Antrag von SPD, CDU und GRÜNEN schlägt eine Ergänzung der bewährten Hamburger Volksgesetzgebung durch das neu zu schaffende politische Instrument eines „Bürgerschaftsreferendums“ vor. Im Gegensatz zum Volksentscheid geht die Initiative beim Bürgerschaftsreferendum nicht vom Volk, sondern von der Bürgerschaft aus, die ein Referendum mit einer zweidrittel Mehrheit beschließen kann. Der Teufel liegt aber wie immer im Detail. So heißt es in dem Antrag:
„Gesetze und Beschlüsse über andere Vorlagen, die durch Bürgerschaftsreferendum zustande gekommen sind, können innerhalb der laufenden Wahlperiode der Bürgerschaft, mindestens aber für einen Zeitraum von drei Jahren nicht im Wege von Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid geändert werden“ und „Volksabstimmungsverfahren, die nicht als Gegenvorlage beigefügt werden, ruhen bis zum Ablauf der Frist.“
Damit liegt zusätzlich zu dem bestehenden Evokationsrecht des Senats eine weitere grundlegende Einschränkung der Volkgesetzgebung vor. Zwar wird in dem Antrag darauf verwiesen, dass die Regierenden von der Möglichkeit des Bürgerschaftsreferendums nur bei großer Einigkeit Gebrauch machen wollen, aber im Prinzip wird mit dem Referendum ein schlagkräftiges politisches Instrument geschaffen, mit dem die Bürgerschaft im Vorfeld das Zustandekommen nicht erwünschter Volksinitiativen blockieren kann. Dies ist weitaus eleganter, als Ergebnisse von Volksentscheiden im Nachhinein zu evozieren.
Einen Trost gibt es allerdings, sollten die Hamburger trotz der großangelegten Kampagne für Olympia mit einem NEIN stimmen, dann wäre diese Entscheidung zumindest für eine
Wahlperiode geschützt.
Manfred Brand von „Mehr Demokratie e. V.“ ruft in einer Petition zur Rettung des Volksentscheids auf!