Ein Vor Ort Bericht von Michael Renner und Steve König.
Jährlich finden die G7-Teffen statt, und jedes Jahr finden sich auch wieder Menschen zusammen, um gegen diese Treffen zu protestieren. So ist es auch beim G7-Gipfel auf Schloss Elmau, bei dem das nahgelegene Garmisch-Partenkirchen Zentrum des Protestes ist. Dort veranstalten die Gipfelgegner Gegengipfel, Demonstrationen und Blockaden. Die Beweggründe sind dabei sehr unterschiedlich – das sieht man vor allem an der Herkunft der Teilnehmenden: Viele Menschen sind aus Bayern selbst angereist, aber auch aus der gesamten Bundesrepublik. Sogar aus anderen Ländern wie Großbritannien, Italien und Frankreich finden sich Menschen im Garmisch-Partenkirchen zusammen. Ein gemeinsamer Beweggrund scheint sie jedoch alle zu einen: Sie wollen nicht, dass die Teilnehmer der G7 mit Mitteln, die die Grundsätze des solidarischen Zusammenlebens bedrohen, über ihr Leben bestimmen.
Um während des Gipfels ständig vor Ort sein zu können, wurde deswegen ein Protestcamp eingerichtet. Kurz vor Beginn des Treffens stand es dabei noch in Frage, ob das Camp überhaupt stattfinden kann. Weil das Gebiet des Camps in einem Überschwemmungsgebiet liegen würde und Rettungskräfte dort nur schwer Zugang hätten, verbot die Gemeinde Garmisch-Partenkirchen dessen Errichtung. Vor dem Landesverwaltungsgericht München hatte der Organisator des Camps, das Aktionsbündnis „Stop G7 Elmau“, allerdings Erfolg. Das Camp wurde erlaubt.
Gepachtet wurde eine Fläche nahe dem Fluss Loisach bis alle Proteste vorüber sind. Das wird voraussichtlich am Montag geschehen, am Abend dieses Tages soll mit dem Abbau begonnen werden. Vorübergehend musste allerdings erst einmal mehr Fläche angemietet werden. Die Teilnehmerzahl wuchs bis zum Samstagmittag auf ca. 1500 an. Zwar ist noch ein wenig Kapazität vorhanden, allerdings hat die Anzahl der Protestierenden wahrscheinlich mit der Demonstration zum Samstag ihren Höhepunkt erreicht.
Die Organisatoren haben sich dabei selbst viele Richtlinien auferlegt, um den politischen Charakter der Veranstaltung gerecht zu werden. So gibt es eine geordnete Infrastruktur und Fluchtwege, Sanitäter stehen für den Notfall bereit, Rückzugsgebiete für Frauen und Transgender wurden eingerichtet und sogar ein Alkoholverbot für Hochprozentiges wurde erlassen. Für die Verpflegung wird auch gesorgt: Ein Team kümmert sich um das Kochen vor Ort, auf dem Speiseplan stehen Suppen, Eintöpfe und Geschnetzeltes – alles vegan. Damit soll gewährleistet werden, dass das Camp ein Rückzugsort für alle Teilnehmer der Demonstrationen und Blockaden darstellt.
Brennpunkt bei Protesten dieser Art sind dabei immer wieder Auseinandersetzungen mit der Polizei. Diese verhält sich den Teilnehmern gegenüber bisher freundlich. Regelmäßig patrouillieren Mitglieder einer Kommunikationseinheit um das Camp, betreten dürfen sie das private Gelände ohne dringlichen Grund allerdings nicht. Doch auch wenn beim Camp alles friedvoll zuzugehen schein, gab es bei den scharfen Kontrollen der Polizei (wir berichteten) auch schon andere Erfahrungen. So wurde nach Angaben eines Campbewohners Donnerstagnacht ein Bus des Schienenersatzverkehrs angehalten, alle Insassen des Busses durch die Bundespolizei in Haft genommen und durchsucht. Es handelte es sich dabei nicht einmal ausschließlich um Protestierende, einen triftigen Grund für dieses Vorgehen gab es nicht. Die Polizei würde damit gegen das Grundrecht einiger Demonstranten auf Anonymität verstoßen, so „Huba“, einer der Organisatoren des Camps.
Das Bündnis selbst ist darum bemüht, jegliche Eskalation zu vermeiden. Zwar rechnen sie auch mit Übergriffen durch die Polizei, wollen allerdings mit friedlichen Demonstrationen, Kundgebungen und Sitzblockaden ihre Ziele verfolgen: gegen die Freihandelsabkommen TTIP und TISA, gegen Militarisierung und Krieg, gegen Überwachung, den sozialen Kahlschlag und die Ausbeutung der Menschen und für offene Grenzen sowie mehr Solidarität mit Flüchtlingen und Migranten. Doch trotz aller Bemühungen kam es bei einer Demonstration zum Samstag zu ersten Ausschreitungen, die sogar Verletze nach sich zogen. Laut einer Pressemitteilung des Aktionsbündnisses provozierte die Polizei eine Rangelei nach einer Theateraufführung, laut einem Bericht der ZEIT reagierten die Polizisten auf einen Angriff seitens des „Schwarzen Blocks“ aus den Reihen der Demonstranten.
Direkt vor Schloss Elmau allerdings wird das Demonstrieren so oder so nicht möglich sein. Das Hotel ist weiträumig gesperrt und die Protestierenden haben kaum eine Chance, in die Nähe zu kommen. Dies sei ein Verstoß gegen die Demonstrationsfreiheit, doch da der Infrastrukturknoten von und zu Schloss Elmau in Garmisch-Partenkirchen liege, könnte man dort wenigstens durch Blockaden etwas erreichen, so Huba. Es ist eine Situation, die viele Teilnehmer bereits von 2007 in Heiligendamm kennen. Auch dort wurde damals eine weitreichende Sperrzone eingerichtet, die die Protestierenden nicht betreten durften. Im Nachhinein erklärte das Oberverwaltungsgericht Greifswald diese Entscheidung für unrecht. Doch auch das schien die Veranstalter diese Jahr nicht zu beeinflussen. Zwar könnte ein Gericht im Nachhinein wiederum die Unrechtmäsigkeit feststellen – doch was nützt das schon, wenn diese Entscheidungen ignoriert werden oder zu spät kommen? Letztendlich jedoch machte nicht die Regierung oder die Polizei, sondern eine noch höhere Macht den Protestierenden einen Strich durch die Rechnung: Wegen des andauernden Unwetters im Landkreis Garmisch-Partenkirchen, das gegen Abend begann, kündigte das „Stop G7 Bündnis“ vorbeugend die Räumung des Protestcamps an.
Zum Abschluss des Treffens mit Huba konfrontierten wir ihn mit der Aussage des bayrischen Innenministers Joachim Hermann, dass Bayern 70.000 Quadratkilometer groß ist, und nur in vier davon für eine kurze Zeit das Demonstrieren nicht erlaubt sei und wollten seine Meinung dazu wissen. Seine Antwort war treffend: „Tja, aber wenn die vier die sind, auf die es ankommt – dann hilft uns das auch nicht weiter.“