
Bundeskanzlerin Angela Merkel und Jürgen Mertens, Leiter der Protokollabteilung des Auswärtigen Amtes, gehen zur Begrüßung der Outreach-Teilnehmer | Quelle: Bundesregierung/Bergmann
Dem geneigten Leser der Flaschenpost und vielleicht auch dem einen oder anderen, der in den Social Media darüber gestolpert ist, dürfte mittlerweile bekannt sein, dass die Flaschenpost es geschafft hat, zwei Redakteure für die G7-Konferenz auf Schloss Elmau zu akkreditieren. Wir haben uns gefreut! Zwar machen wir – wie so viele andere Piraten auch – unsere Arbeit in der Redaktion ehrenamtlich und sind keine professionellen (also bezahlten) Journalisten. Doch wir nehmen unsere Arbeit hier ernst und versuchen, wenn auch nicht quantitativ, doch zumindest qualitativ, mit anderen Online-Redaktionen mitzuhalten. Alles natürlich im Rahmen der piratigen Politik.
Der Qualitätsstandard selbst ist bei vielen professionelleren Medien oftmals nicht sehr hoch, wenn es um die Berichterstattung von solchen großen Events geht. Immer öfter zum Beispiel sieht man einen Live-Blog bzw. einen Live-Ticker, der an sich sicherlich ein gutes Mittel ist, um den interessierten Leser über aktuelle Ereignisse zu informieren. Doch nicht gerade selten mutiert er zu einem persönlichen Twitter-Kanal des Journalisten, der den Text eintippt – nur ohne 140-Zeichen-Beschränkung. Jede Belanglosigkeit, die Leser anlocken könnte, wird dabei zur Nachricht erhoben – sei es nun das Dinner-Menü der G7-Teilnehmer (beispielsweise auf Focus Online), wo es denn die beste Weißwurst gibt (auch Focus Online) , womit sich Merkel-Gatte Sauer die Zeit vertreibt, während seine Frau mit den anderen Staatschefs konferiert (web.de), oder wie Obama bei der Brotzeit in Krün das Bier geschmeckt hat und ob es überhaupt richtiges Bier war oder vielleicht doch alkoholfrei (ZEIT). Uff. Von dieser Nicht-Berichterstattung findet sich leider noch sehr viel mehr.

Doch wenn man einmal vor Ort ist, wundert man sich darüber nicht mehr allzu sehr. Die Veranstalter haben vieles getan, um den Journalisten ihr Arbeiten so angenehm wie möglich zu gestalten. Das Medienzentrum selbst ist geräumig und klimatisiert, an jedem Arbeitsplatz gibt es Strom, LAN-, ISDN und Telefonanschlüsse (auch wenn das Internet selbst manchmal Aussetzer erleidet). Über 30 TV-Bildschirme hängen in der Halle und zeigen aktuelle Bilder, mit den ausgegebenen Headsets bekommt man auch Ton dazu. Für Laptop- und Tabletlose stehen Workstations zur Verfügung, daneben ein paar Drucker und Kopierer. Es gibt kleine Bar-Bereiche, an denen sich jeder kostenlos von Snacks, Kaffee oder anderen Getränken bedienen kann. Ein großes Zelt außerhalb der Halle ist für das Catering reserviert: Dort gibt es über den gesamten Tag ein Buffet mit frisch zubereitetem Essen – vorrangig bayrische Spezialitäten, aber auch ausgefeiltere Sachen. Und wen der Bierdurst überkommt, der lässt sich ein frisches Weißbier zapfen – alles natürlich kostenfrei.
Und doch bleiben viele Medienvertreter hungrig – allerdings nach Informationen. Die Live-Ticker sind nicht nur voll von Nicht-Nachrichten, sondern auch von Einträgen basierend auf Gerüchten oder Hörensagen. Pressekonferenzen sind rar gesät, bringen meist keine neuen Informationen, auf Fragen wird ausweichend geantwortet. Ab und an gibt es vielleicht Informationen von Nicht-Regierungsorganisationen über Themen, die mit der G7 zusammenhängen (wie beispielsweise der Bericht der G7 Research Group, wir berichteten). In der ganzen Halle sieht man Medienvertreter, die sich untereinander interviewen, aufnehmen oder filmen, um wenigstens etwas gehaltvollere Berichte zu bekommen. Über die ungefähr 20 km von Schloss Elmau zum Pressezentrum in Garmisch-Partenkirchen sickern nur wenige Informationen durch.
Eine Kommunikation zu den Delegationen der G7 gibt es so gut wie nicht. Außerhalb von Pressekonferenzen und Briefings ist es nicht möglich, mit ihnen in den Kontakt zu treten. Allerdings gibt es ein reichhaltiges Angebot an Presseterminen: Fotoshooting von der Ankunft in München, Fotoshooting vom Weg zu Schloss Elmau, Fotoshooting vor dem Treffen, zwischen den Treffen, während des Abendessens. Für diese Termine musste man sich im Vornherein anmelden und einen Platz reservieren. Zwar ist das zu bestimmten Zeiten auch noch während der Konferenz möglich, doch landet man dort nur auf einer Warteliste, von der nur wenige einen freigewordenen Platz ergattern.
Es lohnt sich auch nur, bei diesen Terminen dabei zu sein, wenn man ein entsprechend großes Team zum Gipfel mitgebracht hat. Denn die Person, die diesen Termin wahrnimmt, hat erst einmal für andere Aufgaben keine Zeit. Zwei Stunden vor dem Termin haben alle Teilnehmer sich zu einem erneuten Sicherheitscheck einzufinden. Dort wird man dann gründlich durchsucht, bevor man zu einem Hubschrauber gebracht wird, der einen in die Alpen hinauffliegt. Sobald sich dann die G7-Teilnehmer zeigen, geht das Geknipse los. Jeder bekommt ein paar Fotos, vielleicht schnappt man etwas von einem Gespräch auf – offizielle Interviews gibt es natürlich nicht – dann ist es wieder vorbei. Nach vier bis fünf Stunden kommt man dann mit ein paar Fotos wieder, die man exklusiv in seinen Beiträgen verwenden kann – denn welches renommierte Medium möchte denn schon in seinen Beiträgen die kostenlosen Fotos verwenden, die von der Bundesregierung zur Verfügung gestellt werden und keine eigenen Fotos?

Muss man sich da noch wundern, dass die Live-Ticker mit Belanglosigkeiten gefüllt sind? Die meisten Medien heutzutage überleben nur, indem sie neben ihrem Printmedium auch eine Online-Präsenz betreiben und dort versuchen, über Bezahlinhalte oder Werbung Einnahmen zu generieren. Für viele ist der Kampf ums Überleben auch ein Kampf um die Aktualität. Und das Internet ist ein hervorragendes Medium dafür, aktueller lassen sich Meldungen kaum veröffentlichen und es ist beinahe unendlich viel Platz dafür. Deswegen kann auch ungefiltert erst einmal alles raus, ob es nun interessant oder wirklich relevant ist oder nicht. Darunter leidet allerdings auch die Qualität.
Oft genug kann man den Medien selbst einen Vorwurf deswegen machen – doch in diesem Fall liegt die Schuld auch an den offizielle Stellen und dem Zurückhalten aktueller Informationen. Doch das ist – leider – nicht sonderlich verwunderlich, haben sich doch sowohl die deutsche als auch die anderen teilnehmenden Regierungen in den letzten Jahren wenig transparent gezeigt. Nicht nur die Sicherheit der Staatschefs spielt bei dieser geordneten und weitgehend hinter geschlossenen Türen ablaufenden Konferenz eine Rolle. Offizielle Informationen werden nur häppchenweise und selten ausgegeben – den besten Beweis dafür sieht man an den Live-Tickern und Beiträgen der Medien. Neben den ganzen Belanglosigkeiten dreht sich der Inhalt zu einem Großteil nicht um die Konferenz und deren Themen selbst, sondern um die Demonstrationen, um das Protestcamp, um die Ausschreitungen und die Auseinandersetzungen mit der Polizei. Denn dort kann man live vor Ort sein, hautnah berichten und die Geschehnisse kommentieren. Auch das ist, für sich gesehen, nichts Schlechtes – so bekommen auch die Gegner der G7 und ihre Ziele Medienpräsenz, wenn auch nicht immer in positiver Weise. Dennoch zeigt es, dass Informationen aus anderen Quellen rar gesät sind.
Am heutigen Montag, dem letzten Tag des G7-Gipfels, sieht das nicht anders aus. Der letzte Lichtblick bleiben die abschließenden Pressekonferenzen, in der zuerst Angela Merkel selbst und anschließend die anderen G7-Teilnehmer die Ergebnisse ihrer Verhandlungen vorstellen werden. Natürlich gibt es auch dabei nur begrenzte Presseteilnahme, wir von der Flaschenpost sind leider nicht persönlich vor Ort. Wir hoffen, dass die Kollegen von den anderen Medien die richtigen Fragen stellen und auch Antworten erhalten. Wir können nur weiterhin von der deutschen und allen anderen Regierungen mehr Transparenz fordern – natürlich nicht nur, um mehr Informationen von diesen Konferenzen zu erhalten, sondern auch um Korruption zu bekämpfen und mehr Bürgerbeteiligung zu ermöglichen. Denn für uns gilt nach wie vor: Gläserner Staat, nicht gläserner Bürger.