Zwei Tage hat es gedauert – oder, wenn man die Länge der Arbeitssitzungen betrachtet, eigentlich nur wenige Stunden – und schon gibt es eine Agenda für die G7-Staaten für die nächsten Jahre, oder zumindest bis zur nächsten Sitzung 2016 in Japan. Eine Zusammenkunft von Politikern mit solch schnellen Resultaten, vor allem auf dieser Ebene, sieht man nur ganz selten in freier Wildbahn. Deswegen sollte man sich die verkündeten Ergebnisse umso genauer anschauen, vor allem, da bei den Sitzungen selbst niemand sonst dabei sein durfte und Informationen darüber so gut wie gar nicht an die Öffentlichkeit vorgedrungen sind.
Diese Ergebnisse stellte Angela Merkel in einer Pressekonferenz am frühen Nachmittag des 09. Juni 2015 vor und stellte sich im Anschluss den Fragen der anwesenden Journalisten. In ihrer Vorstellung begann sie damit, die Arbeitsatmosphäre während des Gipfels als konzentriert, arbeitsintensiv und produktiv zu beschreiben. Besonders die Themenfelder internationale Klimafragen, Umwelt-, Gesundheits- und Außenpolitik sowie die Stärkung der Rechte von Frauen weltweit standen dabei im Fokus der Konferenz. Sie lobte alle Teilnehmer und betonte, dass die G7-Staaten nicht nur durch Wohlstand und Wirtschaftlichkeit geeint sind, sondern auch durch Demokratie, Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und der Wahrung von Völkerrecht und territorialer Integrität.
Klima- und Umweltpolitik
Betont wurde bei diesem Thema das klare Bekenntnis zur Reduktion der Erderwärmung und in diesem Sinne zum Zwei-Grad-Ziel. Bis zum Ende des Jahrhunderts soll auf die Verbrennung von Kohle, Gas und Öl verzichtet werden. Ziel ist eine Reduktion der Treibhausgase um 40-70% bis 2050. Dabei soll der tatsächlich erreichte Wert am oberen Ende der Empfehlung liegen.
Ukraine und Russland
Russland wurde davor gewarnt, die Kämpfe in der Ukraine weiter zu eskalieren, sonst würden Sanktionen ausgeweitet werden. Es wurde andererseits auch die Lockerung von Sanktionen in Aussicht gestellt. An Moskau ging damit ein klares Signal.
Terrorismus
Hier sehen die Vertreter der G7-Staaten zwei Probleme in einigen Regionen: die nicht vorhandenen Strukturen sowie hasserfüllte Gruppierungen, beispielsweise Boko Haram und der IS. Religiöse Gruppen sollen im Kampf gegen den Terror zusammenarbeiten. Der Kampf gegen den Terrorismus und gewaltbereiten Extremismus hat weiterhin Priorität. Zu den genutzten Instrumenten sollen auch das Einfrieren von Vermögenswerten von Terroristen sowie der Austausch von Informationen über Landesgrenzen hinweg gehören.
Afrika
Die Industrienationen sehen ihre „fortgesetzte Verpflichtung, afrikanische Partner bei der Bewältigung von Herausforderungen in den Bereichen Sicherheit, Regierungsführung und Stabilität zu unterstützen“.
Entwicklungshilfe
Bis 2030 soll der Hunger auf der Welt überwunden sein. 500 Mio Menschen wollen die sieben Industrienationen vor dem akutem Hunger retten. 60 Ländern soll geholfen werden, ein funktionierendes Gesundheitssystem aufzubauen.
Gesundheitsschutz
Hier war deutliche Selbstkritik mit dem Seitenblick auf Ebola zu hören. Die G7 will auch die Weltbank in die Bekämpfung von Pandemien einbeziehen. Der Kampf gegen Antibiotikaresistenzen soll verstärkt werden. Ein erster Schritt soll mit einer Verschreibungspflicht für Antibiotika für Mensch und Tier gemacht werden.
Freihandelsabkommen
Die G7 bekennt sich zu den Zielen der Welthandelsorganisation. Das schließt bilaterale Freihandelsabkommen ein. CETA soll noch dieses Jahr abgeschlossen werden, TTIP soll vorangebracht werden, bis Jahresende soll ein Einvernehmen über die Grundzüge des Abkommens erzielt sein. Auch ein transatlantisches Handelsabkommen mit Japan steht auf dem Programm der G7.
Griechenland
Hier gab man sich in der Abschlusserklärung hilflos. Zur Finanzkrise Griechenlands könne G7 nichts entscheiden.
Fazit
Aus der piratigen Sicht sind die Ergebnisse besonders enttäuschend. Vor allem zu wirklich akuten Themen wie sterbenden Flüchtlinge vor der Mittelmeerküste oder der anlasslosen Massenüberwachung durch NSA, GCHQ, BND und Co. verlor man kein Wort. Gerade der G7-Gipfel sollte sich für diese aktuellen Themen eigentlich anbieten und könnte genutzt werden, zumindest einen Versuch zu starten, reinen Tisch zu machen. Doch man hoffte vergeblich. Negativ aufgefallen ist aus unserer Sicht auch das Thema Freihandelsabkommen: Zu den Inhalten wurde zwar kein Wort verloren; die Aussage, dass man sie weiter vorantreiben möchte, kann vieles bedeuten – am wahrscheinlichsten ist wohl, dass die Inhalte so wenig Änderungen wie möglich erfahren sollen. Das Bestreben, die Abkommen so schnell wie möglich zum Abschluss zu bringen, zeigt, welchen Einfluss die Wirtschaft auf unsere Regierungen hat. Dass mittlerweile über 2 Millionen Menschen – so viele wie noch nie zu vor – die Europäische Bürgerinitiative (EBI) gegen TTIP und CETA unterschrieben haben, bleibt auch unerwähnt.
So löblich die restlichen Vorhaben auch erscheinen, man möchte fast sagen: „Im Westen nichts Neues“. Die einzelnen Beschlüsse selbst wurden so oder ähnlich schon früher verkündet. Das betrifft das 2°C-Ziel im Klimaschutz, wie auch die Bekentnisse im Kampf gegen den Terror. Doch ob sich die Verschreibungspflicht für Antibiotika durchsetzten lässt, wird erst der Compliance-Bericht nächstes Jahr zeigen. Ob Putin in der Ukraine „Frieden gibt“ oder ob die Landkarten für Osteuropa weiter umgezeichnet werden müssen, ist heute noch absolut unklar. Auch der Kampf gegen den Terror ist ein Dauerthema, das nur durch ständig andere Gegner, von den Taliban des Jahres 2001 zu IS und Boko Haram des Jahres 2015, seine Spannung behält. Selbst der angekündigte Ausstieg aus Öl und Kohle wirkt fad, ruft man sich die längst bekannten Meldungen „Öl und Kohle reichen nur noch 80 Jahre“ ins Gedächtnis zurück. Im Vergleich zum Aufwand, der für den Gipfel getrieben wurde, ist die Schlusserklärung auf jeden Fall unspektakulär.
Für die Flaschenpost-Redaktion: Michael Renner und Steve König.