
Elbphilharmonie Hamburg Hafen City | CC BY-NC-SA 2.0| vd1966

Im Landtag |November| CC BY 2.0 Kacper
Anfang Juni 2015 beschlossen die Piraten im Kieler Landtag, die sogenannten „öffentlich-privaten Partnerschaften“ (ÖPP) zum Schutz kommender Generationen einer stärkeren, öffentlichen Kontrolle zu unterwerfen und die unwirtschaftlichen Modelle dieser Verträge konsequent abzulehnen.
Der Hintergrund
ÖPPs bedeuten Kostenexplosionen der Extraklasse: Die teure Bilanz dieser sogenannten ‘öffentlich-privaten Partnerschaften’ wirft ein grelles Schlaglicht auf die vermeintlichen Sparprogramme von Ländern, Städten und Kommunen. Ob Krankenhäuser, Bahnhöfe, Schwimmbäder oder Straßen – Privatkonzerne werden mit dem Bau, der Sanierung und dem Unterhalt der entsprechenden Bauvorhaben beauftragt. Für die Auftraggeber – Länder, Städte und Kommunen – ist dies zunächst ein geschickter Schachzug. Schließlich ist der ausgeglichene Haushalt das Hauptziel und die Messlatte verantwortungsbewusster Finanzpolitik. „Schwarze Null“ und „Schuldenbremse“ können umgangen werden, denn langjährige finanzielle Verpflichtungen, die durch ÖPPs entstehen, werden nicht als Verbindlichkeiten erfasst. Wenn nun unbedingt gebaut werden muss, bietet eine öffentlich-private Partnerschaft sofort eine ordentliche Kostenersparnis, weil die privaten Firmen den Löwenanteil der Kosten übernehmen. Bezahlt werden muss erst später und dann eher häppchenweise, aber dafür mehr, länger und oft mit fataler Bilanz für den Steuerzahler. Dies fand der Bundesrechnungshof im Jahr 2014 heraus.
Der Bundesrechnungshof untersuchte nämlich sechs ÖPP-Straßenbauprojekte und kritisierte, dass diese 1,9 Milliarden teurer geworden seien, als eine Realisierung der Bauvorhaben durch die öffentliche Hand. Die Ursache dafür, dass sich der scheinbare Vorteil, eine Privatfirma bauen zu lassen, schnell in Luft auflöst und sich später in erhöhten Kosten niederschlägt, findet sich in den höheren Finanzierungskosten der Privatunternehmen, die nicht so günstig Kredite aufnehmen können, wie der Staat. Für das Bauen und Betreiben einer Straße erhalten die privaten Bauträger oft die fällige Maut, damit sich das Geschäft für das Unternehmen rechnet. Nach dreißig Jahren fällt das Bauwerk an den Staat zurück – und das in sanierungsbedürftigem Zustand, denn die Privatunternehmen mussten schließlich Gewinne damit erwirtschaften. Die Folgen dieser kurzsichtigen Vorgehensweise spüren kommende Generationen: Die steuerzahlenden Erben der ÖPP- Bauten.
Umstrittene Auftragsvergabepraxis der ÖPPs
Verantwortlich für die Auftragsvergabe solcher ÖPPs ist in Deutschland die umstrittene „ÖPP Deutschland AG“. Öffentliche Auftraggeber, die eine entsprechende Rahmenvereinbarung gezeichnet haben, können die Aktiengesellschaft ohne weitere Ausschreibung beauftragen. Anteile an ihr halten zu 57% Bund, Länder und Kommunen sowie, wenig überraschend, Banken, Beratungsfirmen und Baukonzerne. Diese Unternehmen sind gleichzeitig Profiteure der öffentlich-privaten Partnerschaften. Die Chance solche Verträge zu ergattern, haben deshalb auch nur Großkonzerne, denn mittelständische Unternehmen werden durch diese Vergabepraxis benachteiligt. Man könnte fast von einer bürokratisierten, legalisierten Form der Korruption sprechen.
Katastrophale Umsetzungspannen bei ÖPP- Bauprojekten
Während der Umsetzung solcher Projekte zeigen sich weitere, unschöne Konsequenzen dieser Entscheidungen. Zum Beispiel an Hand der A1 zwischen Bremen und Hamburg, die 2008 von der Firma Bilfinger Berger verbreitert und modernisiert werden sollte. Der Verkehr musste aus finanziellen Gründen weiterlaufen, und zwar durch Baustellen, mit Fahrspurverengungen und verkürzten Ausfahrten. Es ereigneten sich Unfälle, doch auch die Rettungspassagen für Krankenwagen und Feuerwehr waren nicht das Wahre. Der Bund musste für Umleitungen, Schilder und Warnsysteme bezahlen und schlussendlich wies der Straßenbelag nicht die notwendige Qualität auf. Die Mehrkosten dieses katastrophalen Beispiels sind nicht zu beziffern, denn die Verträge sind Geheimsache – wie so häufig bei ÖPPs. Daher sind die Vorgänge der öffentlichen Kontrolle entzogen. Das prominenteste Beispiel für explodierende Kosten bei maximaler Intransparenz ist wohl die Hamburger Elbphilharmonie. Nach der ersten Planung des monumentalen Bauwerks rechnete die Stadt Hamburg mit 77 Millionen Euro Kosten. Im Jahr 2013 waren schon 789 Millionen Euro fällig und dazu kam, dass sich die Bauzeit um Jahre verlängerte. Gebaut wird nun bis zum Jahr 2016, aber nur wenn alles nach Plan geht.
Piraten handeln
Anfang Juni 2015 beschlossen die Piraten aus Schleswig-Holstein, aktiv gegen ÖPPs vorzugehen. Sie beantragten die Offenlegung aller ÖPP-Gutachten und -Verträge sowie die Einführung einer ÖPP-Schuldenbremse und etlicher Maßnahmen zur verbesserten Kontrolle der Projekte, z.B. durch Wirtschaftsvergleichgutachten und das Parlament.
„Die ÖPP-Geheimverträge kommen uns teuer zu stehen, beschneiden dauerhaft unsere Investitionsspielräume, sind mittelstandsfeindlich und entziehen Infrastrukturen der Daseinsvorsorge der demokratischen Kontrolle“, begründet der Patrick Breyer, Landtagsabgeordneter der Piraten die Initiative und verweist auf Kritik der Rechnungshöfe, der Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen.
„Wer mit ÖPP-Deals zu horrenden Kosten die Schuldenbremse umgeht, handelt wie ein Alkoholiker, der von Rum auf Wodka umsteigt. Wenn wir der Schuldenfalle entgehen wollen, sollten wir dem Vorbild Frankreichs folgen und das ÖPP-Schlupfloch, den die Schuldenbremse gewährt, schließen. Und um das von den Rechnungshöfen seit Jahren kritisierte Schönrechnen von ÖPP-Deals zu stoppen, verlangen wir vollständige Transparenz aller Wirtschaftlichkeitsgutachten und Verträge. Die Ruine der Sylter Keitum-Therme, der mangelhafte Neubau der Regionalleitstelle Elmshorn, das gescheiterte Partikeltherapiezentrum, der schöngerechnete Lübecker Herrentunnel – in Schleswig-Holstein haben ÖPP-Projekte immer wieder zur Bruchlandung geführt. Die ÖPP-Regeln müssen dringend generalüberholt werden, um unsere Infrastruktur, den Mittelstand und zukünftige Generationen vor Schaden zu bewahren.“, fasst der Abgeordnete die Forderungen der Piraten zusammen.