Vor wenigen Wochen machten Pressemeldungen aus Finnland die
Befürworter des Bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) euphorisch und geisterten durch Facebook und Twitter. Finnland wolle das BGE einführen, hieß es in vielen sozialen Netzwerken. Wird endlich ein Land den Beweis antreten, dass das BGE funktioniert und mit den Vorurteilen aufräumen, dass dann niemand mehr arbeitet?, fragten sich auch viele Piraten. Daher ist es an der Zeit, die Pläne der finnischen Regierung auch einmal kritisch unter die Lupe zu nehmen.
Aktuellen Pressemeldungen zufolge hat die finnische Regierung nur einem „Versuch“ zur Umsetzung eines Bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) zugestimmt. Zitiert wird dort der abgeschlossene Koalitionsvertrag mit dem Satz: „Ein Grundeinkommensversuch wird durchgeführt“.
Sollte wirklich eine Regierung in Europa zum Vorreiter einer solidarischen und liberalen Grundsicherung werden? Eine Regierung, die laut Deutscher Welle aus Liberalen, Konservativen und Rechtspopulisten besteht? Wohl eher nicht! Denn das Grundeinkommen, so berichtet die Zeit , sei nicht für jeden, sondern nur für Erwerbstätige geplant.
Eine piratige Idee zum BGE!
Die piratige Vision zum BGE sieht anders aus! Aus Sicht der Piraten darf anfangs das BGE auf eine bestimmte Gruppe begrenzt sein. Denn die Piraten befürworten durchaus eine schrittweise Einführung. In ihrem Wahlprogramm von 2013 nennen die Piraten hierzu das Kindergrundeinkommen, das Bildungsgrundeinkommen und die Verhinderung von Altersarmut als Beispiele für gruppenbezogenes Grundeinkommen. Die Einschränkung auf Erwerbstätige – wie in Finnland geplant- erscheint jedoch fragwürdig. Denn ein „BGE nur für Erwerbstätige“ führt im besten Fall zu einem einfacheren Steuersystem, im schlechten Fall ist es schlicht ein Kombilohn, der sich als Grundeinkommen tarnt.
Das finnische BGE – in Wirklichkeit nur ein Kombilohn?
Es stimmt durchaus, dass sich ein BGE für Erwerbstätige mit niedrigen Einkommen wie ein Kombilohn verhalten könnte, was z.B. Prof. Dr. Christoph Butterwegge lautstark in einem Interview zum Thema Kinderarmut in Deutschland kritisiert. Dennoch läuft seine Kritik am Konzept eines Bedingungslosen Grundeinkommen für ein „echtes“ BGE ins Leere. Denn wer arbeitet Vollzeit für 1 Euro die Stunde, wenn er damit Netto vielleicht 80 € mehr im Monat hat? Ein-Euro-Jobs und die Explosion des Niedriglohnsektors in Deutschland nach Einführung der Agenda 2010 können nur im Zusammenhang mit dem stark erhöhten Arbeitsdruck betrachtet werden, der Erwerbslose praktisch dazu zwingt, jede Arbeit anzunehmen. Selbst der auch von Piraten unterstützte Mindestlohn verhindert derzeit die aus dem Sanktionsdruck entstandene Armutsgefährdung oder echte Armut trotz Erwerbsarbeit leider nicht. Ein „echtes“ Grundeinkommen über der Armutsschwelle hingegen, würde Armut ausschließen. Insbesondere ließe ein solches BGE dem Arbeitnehmer die freie Wahl, einen niedrigen Stundenlohn abzulehnen oder anzunehmen. Seine Existenz und gesellschaftliche Teilhabe wäre in beiden Fällen gesichert.
„Grundeinkommen nur bei Erwerbsarbeit“ beendet daher weder Lohndumping noch garantiert es eine sichere Existenz. Im Gegenteil, denn eine solche Beihilfe kann eher als eine neoliberale Maßnahme zur Demontage des Sozialstaats angesehen werden. In anderen eher neoliberal geprägten Staaten, wie im Vereinigten Königreich, gibt es nämlich ähnliche Regelungen. Unter der Bedingung einer Erwerbsarbeit inklusive Mindeststundenzahl ist der working tax credit auch eine Art Kombilohn durch negative Einkommensteuer. Von BGE spricht hier – zu Recht – niemand.
Geplante BGE – Versuche gibt es auch in den Niederlanden
Vielleicht sollte man eher zu unseren Nachbarn in den Niederlanden schauen. Hier wird berichtet, dass die Stadt Utrecht (immerhin über 300 000 Einwohner) ein Grundeinkommen plane. Details sind auch hier noch offen. Im Interview mit dem Beigeordneten der Stadt Utrecht, Victor Everhardt, spricht dieser von einem Experiment in Zusammenarbeit mit der Universität Utrecht. Es sei geplant, mehrere Gruppen zu bilden, von denen eine ein BGE erhält, eine andere nur bei bestehender Erwerbsarbeit und einer weiteren Kontrollgruppe, für die die aktuellen Regelungen ohne BGE gelten. Zudem gäbe es ähnliche Überlegungen in weiteren Städten. Start für den Versuch soll das 2.Halbjahr 2015 sein!
Fazit
Festzuhalten ist, dass die Idee eines Grundeinkommens mittlerweile auch in modernen Industriestaaten Fuß zu fassen scheint. Die Diskussion und Realisierung sind also nicht mehr auf Entwicklungsländer und Schwellenländern beschränkt. Diese Entwicklung lässt hoffen, dass sich Deutschland ebenfalls für einen BGE-Versuch öffnet. Wir sind trotz der Kritikpunkte gespannt auf den Verlauf des BGE-Versuchs in Finnland, aber mehr noch auf die Ergebnisse des BGE-Projekts in den Niederlanden!