Wer einen Blick auf den demographischen Wandel werfen wollte, fuhr Ende Juni nach Friedrichshafen zur HamRadio. Die traditionsreiche Amateurfunkmesse findet seit 40 Jahren statt, sie ist sogar die größte Veranstaltung für europäische Funkamateure überhaupt. Wer sich 1975 für Technik interessierte, landete damals mit einiger Wahrscheinlichkeit beim Amateurfunk. Heute, im Zeitalter des Internets, lockt weniger die Funktechnik mit der Pflicht zur Lizenzprüfung, als vielmehr der Computer, der ebenso zur Kommunikation und zu eigenen Experimenten einlädt – ganz ohne “Internetführerschein”. Den Funkamateuren fehlt deswegen schon seit einiger Zeit der Nachwuchs. In den Messehallen war dieser Mangel deutlich zu sehen.
Die Besucher waren in der Mehrzahl älteren Semesters, dazu männlich, aber zur Freude der Aussteller gut betucht. Die Aussteller bemerken zwar, dass die Besucherzahlen um jährlich 1-2% sinken, das wird laut Aussage einiger Händler vor Ort durch die steigende Finanzkraft aber ausgeglichen. Die HamRadio hat jedoch schon ganz andere Durststrecken hinter sich gebracht. Um die Jahrtausendwende dominierten im alten Ausstellungsgelände in einigen Hallen zeitweise Tintenrefiller. Mit der neuen Messe in Friedrichshafen verschwanden solche Stände, die nicht einmal mit viel gutem Wissen als “nah am Amateurfunk” zu bezeichnen waren und machten der MakerWorld Platz.
Auffällig war, wie sehr um Nachwuchs geworben wurde. Die Fachhochschule Ravensburg war mit einem Infostand vertreten, der Franzisverlag zeigte Elektronikbaukästen für Kinder und auch der Deutsche Amateurradio Club (DARC) war mit einem Ausbildungsstand vertreten, der mit allerhand Bausätzen in die Grundlagen der analogen und digitalen Schaltungstechnik einführte. Diese Stände stießen durchaus auf Interesse, hatten einige der “Old Man”, wie sich Funkamateure selbst bezeichnen, doch ihre Enkel mitgebracht.
Es war jedoch die Vergagenheit, die nicht nicht nur die Flohmarkthallen dominierte. Einige Vereine haben sich dem Erhalter alter Technik und das Wissen über sie verschrieben. So war auch die Gesellschaft der Freunde der Geschichte des Funkwesens (GFGF) mit einem Stand vertreten. Dieser Verein existiert bereits seit 1978. Selbst die Technik der 70-er Jahre gilt heute schon wieder als erhaltenswert. Ausgestellt und vorgeführt wurde ein gut erhaltenes Drahttongerät aus den frühen 50-er Jahren. Andere Stände von Sammlern präsentierten alte Fernschreiber, Röhrensender und Morsetasten, selbst eine Enigma war zu sehen.
Den Sprung in die Zukunft versuchte der Österreichische Versuchssenderverband (ÖVSV) mit seiner Initiative Next Generation New Radio”. Die Idee dahinter: Funkgeräte sollen mit Android als Betriebssystem und entsprechenden Apps so komfortabel und intuitiv zu bedienen sein wie Mobiltelefone. Leider fiel die Vorführung wenig überzeugend aus. Ob ICOM die gesammelten Ideen tatsächlich in der Entwicklungsabteilung umsetzen wird, bleibt abzuwarten.
Die sinkenden Teilnehmerzahlen der HamRadio wurden mit der Parallelveranstaltung MakerWorld kompensiert. Dieser Teil der Messe richtet sich an die Maker-Szene mit ihren 3D-Druckern und Reparaturcafes, Freunden des Steampunks und kleinen StartUps. Angesprochen wurde also ein Publikum, das selbst etwas machen möchte, statt nur stumpf zu konsumieren. In dieser Halle, weit entfernt vom Eingangsbereich, waren zwar nur wenige Stände aufgebaut, die zogen aber viele Interessenten an. Der im Allgemeinen fast unmessbare Frauenanteil auf der Messe wurde in dieser Halle deutlich erhöht – nicht nur bei den Besuchern, sondern auch bei den Ausstellern.
Das Konzept die beiden Messen zusammen zu legen, scheint zu funktionieren. Die gemeinsame HamRadio und Makerworld bot einen Querschnitt der verschiedenen Techniken. Wenn die beiden Besuchergruppen, die “ähnlich ticken”, Einblicke in eine andere, vielleicht unbekannte Welt, bekommen, nutzt dies der Vielfalt – und damit beiden Beteiligen. Piraten waren sowohl auf der HamRadio als auch auf der MakerWorld zu treffen. Die Begeisterung für die Funktechnik und das “selbst machen” war für sie in etwa gleich stark – und gleichzeitig wurde der Altersdurchschnitt der Veranstaltung weiter gedrückt.
Redaktionsmitglied Michael Renner
Meine Karriere als Redakteur bei der Piratenpartei startete 2009 beim Bundesnewsletter, aus dem 2010 die Flaschenpost hervorging. Im Sommer 2012 wurde ich stellvertretender Chefredakteur, Anfang 2014 Chefredakteur. Da die unzähligen Aufgaben an der Spitze der Flaschenpost einen Vollzeitjob in der Freizeit mit sich bringen, machte ich nach zwei guten, aber auch stressigen Jahren zwei Schritte zurück und gab die Redaktionsleitung ab. Die gewonnene Freizeit wird in die Familie und mein zweites großes Hobby, den Amateurfunk, investiert.