
Konrad Adenauer, Helmut Kohl und Angela Merkel | (CC BY SA 3.0 Paul Bouserath, CC BY SA 3.0 EngelbertReineke, CC BY SA 3.0 Armin Kübelbeck)
Es gibt einige Themen, zu denen klare Worte der Kanzlerin schmerzlich vermisst werden. Beispielsweise die NSA-Affäre, die heftiger werdenden Attacken auf die Pressefreiheit oder die marodierenden Rechtsradikalen, die betrunken und mit eingenässten Hosen Steine und Flaschen auf Flüchtlinge werfen und im Schutz der Dunkelheit Wohnheime und Moscheen in Brand setzen.
Statt dessen fliegt Merkel mit Wirtschaftsdelegationen durch die Welt, zuletzt nach Brasilien, um sich dort gegenüber schwachen Präsidenten stark fühlen zu können. Doch zu den Unruhen in Deutschland findet die zur mächtigsten Frau der Erde gewählten Kanzlerin kein einziges Wort. Es scheint, als überlasse sie es der CDU, eine Position zu finden, um sich dann wie schon oft in der Vergangenheit geschehen, auf die Seite des Siegers zu stellen. Doch wer gewinnt die Deutungshoheit für die steigenden Asylbewerberzahlen und die Ausschreitungen? Die „mitfühlende CDU“ oder jene Kreise der Konservativen, die nur Lippenbekentnisse zum Grundrecht auf Asyl von sich geben, es aber am liebsten sähen, wenn es nicht in Anspruch genommen wird? In Sachsen jedenfalls sprach Stanislaw Tillich von der Härte des Rechtsstaats und „Null Toleranz“, ohne dass bisher auch nur einer der Randalierer festgenommen wurde. Festgenommen wurde, glaubt man Twitter, dagegen ein Journalist – was ins Bild der allgemeinen Stimmungslage passt.
Merkels Apathie für innenpolitische und humanitäre Themen sowie ihre soziale Kälte bestimmen schon heute die Politik der grossen Koalition. Sollte sie 2017 tatsächlich noch einmal antreten, stehen weitere vier Jahre des Stillstands vor dem Land. Diese „bleiernen Jahre“ konnte sie an ihrem Ziehvater Helmut Kohl ausgiebig studieren. Bei ihm war spätestens 1994 jedes Interesse an der Politik verflogen. Das ermöglichte Heinz Klaus Mertes mit seinen „Zur Sache Kanzler„-Interviews Hofberichterstattung zu betreiben, da Kohl es nicht mehr für nötig hielt, sich kritischen Fragen von Journalisten zu stellen. In einer ähnlichen Position befindet sich Angela Merkel bereits heute: Sie schickt ihren Pressesprecher Steffen Seibert vor, dem es überlassen bleibt, teils bohrende Fragen, zuletzt zu den Ermittlungen gegen die Journalisten von netzpolitik.org, nichtssagend und möglichst vieldeutig zu beantworten. Helmut Kohl sah in den frühen 60-er Jahren, wie Kanzler Adenauer zunehmend das Interesse am politischen Austausch verlor und einsam vor sich hin regierte. Führt man diese Beobachtung in das Jahr 2015 fort, wird auch heute ein Politiker der Union beobachten, wie aus der Kanzlerschaft eine Qual wird. Es spricht einiges dafür, dass es Peter Tauber ist, der eines Tages ins Kanzleramt einziehen will. Ihm fehlt jedoch schon heute das Vermittelnde, das Ausgleichende in der Politik. Damit ist jede Vorfreude auf eine Ende von Merkels Regierungzeit verfehlt.
Redaktionsmitglied Michael Renner
Meine Karriere als Redakteur bei der Piratenpartei startete 2009 beim Bundesnewsletter, aus dem 2010 die Flaschenpost hervorging. Im Sommer 2012 wurde ich stellvertretender Chefredakteur, Anfang 2014 Chefredakteur. Da die unzähligen Aufgaben an der Spitze der Flaschenpost einen Vollzeitjob in der Freizeit mit sich bringen, machte ich nach zwei guten, aber auch stressigen Jahren zwei Schritte zurück und gab die Redaktionsleitung ab. Die gewonnene Freizeit wird in die Familie und mein zweites großes Hobby, den Amateurfunk, investiert.