Der Landesparteitag der bayrischen Piraten begann schon Freitagnachmittag. So konnten Themen, die die Verwaltung betreffen, wie die Abstimmung über die Geschäfts- und die Tagesordnung, die Rechenschaftsberichte der Vorstände und der Bericht der Kassenprüfer mit anschließender Entlastung des Vorstands vorgezogen werden. Um 20 Uhr waren die 52 akkreditierten Piraten damit fertig und hatten so genug Zeit, um sich Samstag und Sonntag auf die Wahlen und Abstimmungen konzentrieren zu können.
Bevor am Samstag ein neuer Vorstand gewählt wurde, war über einen Antrag abzustimmen, der die Amtszeit des Vorstands auf zwei Jahre verlängern wollte. Dieser Antrag fiel bei der Versammlung jedoch durch – nicht zuletzt, weil die anwesenden Kandidaten klar zum Ausdruck brachten, dass sie sich für eine Amtszeit von zwei Jahre nicht verpflichten wollen.
Die Wahl des Vorstandvorsitzdenden selbst ging dann schnell. An einer Befragung der Kandidaten, Nicole Britz, bereits seit 2013 als erste Vorsitzende im Amt, und Matthias Zehe, letzter Vorsitzender des zwangsaufgelösten Bezirksverbands Niederbayern, bestand kein Interesse. Mit 64 von 80 abgegebenen Stimmen wurde Nicole Britz im Amt bestätigt und geht in ihr drittes Amtsjahr.
Die bisherige zweite Vorsitzende, Astrid Semm, verzichtete auf eine erneute Kandidatur, da sie beim Bundesparteitag im Juli zur stellvertretenden politischen Geschäftsführerin gewählt worden war. Es gab zwei neue Bewerber um diese Position: David Krcek, bisher stellvertretender politischer Geschäftsführer, und Maximilian Winkler, der bereits im Bezirksverband Unterfranken Erfahrung für ein Vorstandsamt sammelte. Er überzeugte die Anwesenden mit seiner Kandidatenrede sowie in der Befragung und wurde mit 54 Stimmen gewählt. Das Ergebnis war denkbar knapp, denn David Krcek erhielt 48 Stimmen. Letzterer kandididerte anschließend als stellvertretender politischer Geschäftsführer und wurde gewählt.
Eine Besonderheit der bayrischen Piratenpartei besteht übrigens darin, dass der Vorstand aus 7 Mitgliedern besteht, die Versammlung also die Wahl hatte, entweder einen stellvertretenden Generalsektretär oder einen stellvertretenden politischen Geschäftsführer wählen. Für das Verwaltungsamt kandidierte Benedikt Pirk, der die erforderliche Stimmenzahl nicht erreichte – auch eine Entscheidung gegen die Position des stellvertretender Generalsekretärs für die kommende Amtsperiode. Außerdem wurde zum ersten Mal ein Landesparteitag genutzt, um über Themenbeauftragungen abzustimmen.
Es gab zwei bemerkenswerte Reden in Ismaning, die ahnen lassen, wie sich der Landesverband thematisch entwickeln wird. Die bayrischen Piraten sind ohnehin sehr „kernig“ aufgestellt – als Partei, die „aus dem Netz kam“ und sich nach wie vor den Kernthemen verpflichtet fühlt.
Der Bundesvorsitzende Stefan „Sekor“ Körner betonte in seiner Rede, dass die Umfrageergebnisse kein Grund seien, aufzugeben, da unsere Themen zu wichtig sind. Die Themen, für die sich die Mitglieder in einer Umfrage im Juni ausgesprochen hatten, nämlich Datenschutz, Transparenz und Bürgerbeteiligung, sollen auf allen Ebenen nach außen getragen werden um das Profil der Partei zu schärfen.
Olaf Konstantin Krueger, der als Politischer Geschäftsführer kandiditerte, nutzte seine Redzeit, um Möglichkeiten zu benennen, wie der Digitale Wandel verantwortungsvoll mitgestaltet werden kann. Für ihn bietet die Digitalisierung das Potenzial unter anderem für mehr Wertschöpfung, innovative Entwicklungs- und Produktionsformate mit einem auf Nachhaltigkeit angelegten Wachstum, für neue Wirtschaftsmodelle in globalen Geschäftsumfeldern, aber auch für ressourcensparenden, effizienten Energieverbrauch, für individuelle, vernetzte, kollaborative sowie arbeitgeber- und arbeitnehmerfreundliche Beschäftigungsformen, für flexiblere und ortsunabhängige Bildungs-, Qualifizierungs- und Forschungsmodelle mit adäquaten Informationsinfrastrukturen, für gleichwertige Lebensverhältnisse in urbanen Verdichtungsräumen wie in ländlichen Regionen und für breiteren Wohlstand, höhere Lebensqualität und vielfältige Lebensstile – um nur einige Beispiele dafür zu nennen, wie die Digitalisierung unser aller Leben in allen Bereichen fundamental verändern wird. Gerade die Piraten stehen für mehr digitale Teilhabe, bürgerschaftliches Engagement und politische Partizipation.
Als Schatzmeister trat Klaus Jaroslawsky als Amtsinhaber ohne Gegenkandidat an und wurde, da praktisch alternativlos, mit großer Mehrheit gewählt. Auch beim Amt des stellvertetnden Schatzmeisters ergab sich keine Änderung: Dorothea Beinlich wurde im Amt bestätigt. Auch für den Posten des Generalsektretärs gab es nur einen Kandidaten: Thomas Knoblich trat erneut an und wurde mit 64 Stimmen gewählt.
Dieser Landesparteitag kannte weder GO-Schlachten noch sich unversöhnlich gegenüberstehende Gruppen. Kandidatenbefragungen waren eher die Ausnahme als die Regel; die meisten Piraten hatten sich offensichtlich gut vorbereitet oder bereits im Vorfeld eine Entscheidung für die Wahl getroffen. Im Vordergund stand die Idee einer Piratenpartei als Partei des digitalen Wandels. In Bayern geht es schließlich auch darum, fit für die Landtagswahl 2018 zu werden. Den hiesien Piraten ist bewusst, dass sie als Partei mit eigenständiger Politik sichtbar werden müssen. Die drei Tage boten viel Zeit für Aussprachen. Gerade in Bayern segeln Piraten im tiefschwarzen Wasser, und um der immer noch übermächtigen CSU etwas entgegenzusetzen, braucht die Partei eine Vision, ein Ziel, mit dem auch Wähler zu begeistern sind.
Zwei Highlights seien noch erwähnt: Es gab Jubel für die Bundesregierung, als bekannt wurde, dass die Vorratsdatenspeicherung ausgesetzt wird – auch wenn den Anwesenden bewusst war, dass hier richtiges Handeln aus den falschen Gründen geschieht. Denn die Entscheidung wurde nicht getroffen, um die Privatsphäre der Bürger zu schützen, sondern um nicht in die unternehmerische Freiheit einzugreifen. Das zweite Highlight geschah am späten Samstagabend. Über Twitter wurde verbreitet, dass in einem Flüchtlingsaufnahmelager nicht weit von München dringend Helfer gebraucht werden. Sofort machten sich rund 20 Piraten auf dem Weg. In den ehemaligen Büroräumen von HP wurden Matratzen verteilt, Betten fertig gemacht, also Laken und Decken zu den Matratzen gelegt, und Kleidung sortiert. Die 20 Piraten wurden auch explizit auf Netz, Freifunk und Simkarten angesprochen, da sie am Outfit als Piraten erkennbar waren. Sie halfen zum Teil ganz ohne Schlafpause bis in den Nachmittag hinein!
Redaktionsmitglied Michael Renner
Meine Karriere als Redakteur bei der Piratenpartei startete 2009 beim Bundesnewsletter, aus dem 2010 die Flaschenpost hervorging. Im Sommer 2012 wurde ich stellvertretender Chefredakteur, Anfang 2014 Chefredakteur. Da die unzähligen Aufgaben an der Spitze der Flaschenpost einen Vollzeitjob in der Freizeit mit sich bringen, machte ich nach zwei guten, aber auch stressigen Jahren zwei Schritte zurück und gab die Redaktionsleitung ab. Die gewonnene Freizeit wird in die Familie und mein zweites großes Hobby, den Amateurfunk, investiert.