Die Suche nach Umgehungsmöglichkeiten einer Internetzensur ist so alt wie die Internetzensur selbst. Manchmal reicht es, einen anderen Nameserver zu nutzen, manchmal müssen Modemverbindungen in Ländern ohne Zensur zur Verfügung gestellt werden. Doch in China und dem Iran beispielsweise sind die Sperren kaum zu durchdringen. Da hilft keine Modemverbindung, kein Proxyserver und auch kein VPN.
Der Rundfunkauslandsdienst der USA, die Voice of America (VoA), testet seit März 2013 Möglichkeiten, Texte und Bilder digital über analoge Kurzwellensender zu verbreiten. Damit wird allerdings kein klickbares Internet transportiert, sondern Meldungen in Richtung Empfänger gesendet, die die VoA als Tonsignal auf ihre Antenne gibt. Zum Empfang wird nur ein Radio benötigt, das die Kurzwellenbänder abdeckt. Das kann ein altes Röhrenradio sein oder ein Weltempfänger – die VoA zeigt, dass dies auch mit einem 12 Euro-Radio aus dem Supermarkt funktioniert. Zum Dekodieren wird die von Funkamateuren oft eingesetzte Software fldigi genutzt; mit einem neben den Lautsprecher gelegten Android-Telefon mit der Tivar-App können die Texte und Bilder ohne Qualitätsverluste ebenfalls dekodiert werden. Da ein Radio – anders als beispielsweise ein Computer mit einem Klick im Internet – nach außen hin absolut passiv bleibt, ist die Gefahr der Entdeckung klein.
Der Sender der VoA steht in North Carolina. Er könnte maximal 250kW abstrahlen, für die Testsendungen begnügt man sich jedoch derzeit mit 80kW. Kim Andrew Elliott leitet die Versuchssendungen. Nach seinen Beobachtungen funktioniert die digitale Übertragung auch dann noch, wenn bei gestörtem Empfang keine Sprachübertragung mehr möglich ist. In den ersten Sendungen wurden unterschiedlichste Verfahren getestet, bis sich MFSK 32, eine Technik in der 32 Töne verwendet werden um den Text zu senden, als die störungssicherste und effizienteste Methode herausstellte. Dabei hat MFSK 32 den zusätzlichen Vorteil, dass auch Bilder übertragen werden können. Die Töne erinnern an die Funksignale der Frogs in der alten Science-Fiction-Fernsehserie Raumpatrouille Orion.
Die Testsendungen finden an Samstagen und Sonntagen je morgens und am frühen Abend statt. Für Aktivisten, die sich mit Internetzensur und der Informationsversorgung in Katastrophengebieten beschäftigen, lohnt es sich, die passende Software zu installieren und selbst zu erforschen, was VoA mit seinen Radiogram-Sendungen leistet. Der Empfang der Sonntag-Abend Sendung funktionierte in den Redaktionsräumen mit einem 25 Jahre alten Reiseradio und Tivar auf dem Mobiltelefon sofort. Eine interessante Technik ist es allemal. Die Kosten für die Miete eines 100kW-Senders in Europa liegt bei unter 100 Euro pro Stunde. Damit könnte das, was in den USA gerade erprobt wird, zu einer kostengünstigen Alternative werden, um Menschen in Ländern mit einer ansonsten undurchdringlichen Zensur mit Informationen zu versorgen. Für Elliott hat die Technik, die Text über Kurzwelle verbreitet, ein großes Potenzial, um Informationen in Gebiete zu bringen, in denen das Internet gestört ist – egal ob die Störung von Diktatoren oder Katastrophen ausgelöst wird. Er will das VOA Radiogram so lange produzieren, wie das Management es ihm ermöglicht.
Redaktionsmitglied Michael Renner
Meine Karriere als Redakteur bei der Piratenpartei startete 2009 beim Bundesnewsletter, aus dem 2010 die Flaschenpost hervorging. Im Sommer 2012 wurde ich stellvertretender Chefredakteur, Anfang 2014 Chefredakteur. Da die unzähligen Aufgaben an der Spitze der Flaschenpost einen Vollzeitjob in der Freizeit mit sich bringen, machte ich nach zwei guten, aber auch stressigen Jahren zwei Schritte zurück und gab die Redaktionsleitung ab. Die gewonnene Freizeit wird in die Familie und mein zweites großes Hobby, den Amateurfunk, investiert.
Was man dabei niemals vergessen darf, ist das Voice of America nicht direkt unabhängige Infomationen verbreitet, sondern die Welt aus der Sicht der aktuellen US-amerikanischen Regierung darstellt.
Es ist also damit zu rechnen, das hier – entweder durch gezieltes Weglassen oder Schönreden – ein Bild kommuniziert wird, das nicht mit der Realität korreliert.
Trotz allem ein schöner Hack und eine – im Vergleich zu Packet Radio – wirklich sehr barrierearme Möglichkeit, Daten via Kurzwelle zu übertragen 🙂
Ein guter Artikel. Leider fehlt der Hinweis, dass man in Deutschland katadtrophalerweise inzwischen fast alle Kurzwellensendeanlagen gesprengt hat und die Deutsche Welle nur per Zensuranfälligen Internet und Satelit ausgestrahlt wird.
Der Artikel und beide Kommentare regen mich zum Nachdenken an. Ich würde noch gerne wissen, wer der Veranlasser war, der die Sendeanlagen gesprengt hat? Und wann die Beseitigung begonnen hat? Ansonsten ist es ja immer so wer geht bei wem an der Zensur vorbei und wenn ja nützt es dem Empfänger? Gibt es genügend unabhängige andere die auch senden? Der, der Sendet handelt ja nicht immer selbstlos sondern oft mit Vorsatz zu seinem eigenen Nutzen. Aber das beschränkt sich natürlich nicht nur auf diese Technik. – Jetzt aktuell können wir beobachten, was uns über die Anschläge von Paris vermittelt werden soll. Auffällig! Die Atentäter mit Sprengstoffgürtel haben wie so oft ihren Pass dabei. Kurz aber heftig schlugen sie zu, um einen grossen Terror vorzutäuschen, dann noch ein “Gott ist groß” auf arabisch ein Bekennerschreiben der IS und dann ist der Spuk fürs erste wieder vorbei. Harmlos war die Sache nicht, aber in Anbetracht dessen, was sie hätten sonst in einer so großen Stadt hätten anrichten können, gab es weniger Tote und verletzte wie bei so manchem Flugzeugabsturz. Kurz, die Hauptgeschädigten sind weder die, welche am Krieg gewinnen oder die Politiker die Kriege beschlossen haben, oder etwa die Medien die darüber berichten! Nein es ist die ganz normale Bevölkerung und deren Freiheit die verloren geht… Wir dürfen gespannt sein, was aus dieser Geschichte zu unseren Lasten alles gemacht wird. Großes Theater, aber ähnlich dilettantisch aufgezogen wie das Thema “Flüchtlinge”.
Moin,
die Kurz- und Mittelwellensender werden abgebaut, weil sich Technik weiter entwickelt und alte Technik hin und wieder eingemottet wird. Auch drehte sich die Welt weiter …. aber der Reihe nach. Viele Stationen im In- und Ausland (Deutsche Welle, Deutschlandfunk) nahmen ihre alten Lang- Mittel- und Kurzwellenanlagen ausser Betrieb. Sender und Verstärker etc wurden verschrottet, Sendemasten und Antennen gesprengt oder weg geflext. Amplitudenmodulation klingt für heutige Ohren nicht mehr so toll, die über 100 Jahre Technik ist auch alles andere als effizient. Nur 10-15% der Sendeleistung geht in die Nutzinformation, der Sender selbst hat einen Wirkungsgrad von vielleicht 50%. Die resultierenden 5-7% Wirkungsgrad liegen im Bereich einer guten Dampfmaschine – mehr nicht. Das Internet versprach ersatzweise eine billige Verbreitung bei besserer Qualität, das selbe lässt sich von Satelliten sagen (allerdings: die Startgebühren für Satelliten sind in den letzten Jahren enorm gestiegen). Dazu kam, dass nach dem Fall des eisernen Vorhangs die Notwendigkeit für starke, Ländergrenzen überwindende Sender nicht mehr bestand – der kalte Krieg war zu Ende, in den ehemaligen Ländern des Ostblocks gab es damit keine Einschränkung mehr an Informationen zu kommen.
Wenn du auf die Skala eines alten Röhrenradios schaust sieht du, wie viele unterschiedliche Stationen früher in AM sendeten. Wegen der besonderen Ausbreitungsbedingungen auf Land- Mittel- und Kurzwelle oft europaweit zu empfangen. In Deutschland gibt es heute noch neun (9) AM-Sender, sie werden zum 31.12. abgeschaltet. Kanzler Brandt vermeledete in den frühen 70-er Jahren, dass Deutschland nur dampflokfrei sein. Als man diese alten Dinger aber ausser Betrieb nahm gab es einen Ersatz – die E-Lok. Die AM-Sender werden abgeschaltet, ohne dass es einen Ersatz gibt. Das reisst eine Lücke in die flächendeckende Rundfunkversorgung.
Wir lagen in den 80-er Jahren in der Bretagne am Strand und hörten mit einem kleinen Weltempfänger SWF3 (aus Baden Baden). Wenn du das heute als Urlauber mit einem Internetstream versuchst bist du schnell pleite, weil mobiles Internet teuer ist, vor allem im Ausland. Solang du unterwegs bist kannst du Radio via Satellit auch vergessen – so ein 30cm Parabolspiegel ist ziemlich sperrig. Solang der DLF noch auf Langwelle sendete war er bei uns im Beaujolais selbst im Wagen noch gut zu empfangen. Jetzt geht das nur noch zuhause mit DSL. Selbst mit französischem Mobilfunkvertrag ist das bisschen Volumen zu kostbar, um es für einen Stream zu verschleudern. Die Hoffnung auf ein freies Internet hat sich auch nicht erfüllt. Schau nach China, nach Syrien, in den Iran, nach Kuba oder Nordkorea: Da kommst du nur mit Sendern hin, nicht mit einer Webseite. Die Sender gibt es aber fast nicht mehr, denn auch das angesprochene Publikum hat sich verändert als das Ende der zwei Blöcke das frei setzte, was man “Friedensdividende” nennt. Mag sein, dass in den 50-80-er Jahren der Dissident im Osten oder der Auswanderer angesprochen wurde, der irgendwo weitab der Zivilisation in einer Hütte sass und “Grüsse aus dem Heimathafen” hören wollte. Heute wird vom Deutschlandfunk aber Werbung für den Wirtschaftsstandort Deutschland gemacht. Das Publikum sitzt in den Wirtschaftszentren der Welt mit Internet und Satelliten-TV – nicht mehr im Ostblock oder im Urwald. Du siehst, es kommt einiges zusammen was zum Ende dieser recht einfach zu realisierenden und robusten Technik führte. Die Chance den Rundfunk in AM zu digitalisieren und so mit moderner Technik weiter zu betreiben wurde vertan. In den 90-ern Jahren gab es solche Bestrebungen. Als Abkürzung für das neue Verfahren wurde aber DRM (Digital Radio Mondiale) gewählt was in fataler Weise an das Digital Rights Management erinnerte und entsprechende Bedenken auslöste. Dazu kam, dass die Hersteller den Gesetzgeber dazu bringen wollten “klassiches AM” zu verbieten, damit sich deren Technik als Monopol durchsetzen kann. Das scheiterte – mit den bekannten Folgen.
Dass die VoA jetzt Versuche mit Text- und Bildinformationen macht ist ein Lichtblick für die Informationsfreiheit. Ich werde das weiter im Blick behalten.