Chinas Wachstumsraten mögen derzeit niedriger sein als in den vergangenen Jahren, mit einem Plus von 6.9% im Jahr 2015 steht das Land im Vergleich mit anderen aber gut da. Chinesische Unternehmen investieren selbst inzwischen auf allen Kontinenten, Krisen wie die im Nahen Osten haben auch Auswirkungen auf das Land der Mitte. Dies ist eine neue Erfahrung, die das Land dazu bringt, vorsichtig tastend für seine neue Rolle einen neuen Kurs zu suchen. Auf der Münchner Sicherheitskonferenz sprachen Fu Ying (Vorsitzende des außenpolitischen Ausschusses des Nationalen Volkskongresses Chinas), Kevin Russ (ehemaliger Premierminister Australiens), Dr. Ng Eng Hen (Verteidigungsminister Singapore) und Robert Corker (republikanischer Senator und Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses) über Chinas neue Rolle.
Das chinesische Wertesystem unterscheidet sich deutlich von der amerikanischen Weltordnung, die nach Fu Ying aus einer Werteordnung, einem militärischen Bündnissystem und der internationalen Institution besteht. China unterstützt die internationalen Organisationen und bezieht sich in vielem auf UN-Verordnungen. China sei auch an einer Weiterentwicklung interessiert, allerdings gibt es auch Besorgnis über den Druck, der aus den USA auf das chinesische System ausgeübt wird. Doch wolle China keine Blöcke, sondern zusammen mit anderen einen solidarischen Rahmen schaffen, in dem unterschiedliche Interessen, Vorstellungen und Ideen Platz haben. Das neue Modell soll frei von Konflikten und Konfrontationen auf der Basis von Zusammenarbeit und Fortschritt den Wohlstand der Bevölkerung fördern.
Der Australier Kevin Russ attestierte, dass sich die internationale und die chinesische Sicht auf die Weltordnung unterscheidet. Für ihn stellt das eine gute Grundlage für zukünftige Diskussionen dar. Wie jedes andere Land habe China nationale Interessen, wobei er die Erwartung ausdrückte, dass die unterschiedlichen Interessen friedlich verfolgt werden. Als grosse Herausforderung für China nannte Russ die Transformation der Wirtschaft und das Wachstum. Für Ng Eng Hen ist auch die USA ein Pazifik-Anreiner Staat. China habe hier eine von Singapur anerkannte Vormachtstellung. Da China von der Stabilität der Region abhängig sei, glaubt er nicht, dass China die Konfrontation sucht.
Laut Robert Corker begrüssen die USA die gute Entwicklung Chinas. Es sei der wichtigste Handelspartner, daher sei es wichtig, dass die Beziehung zueinander funktioniere. Mit Unverständnis betrachtet Corker jedoch was im südchinesischen Meer passiert. Auf Inseln würden Flugbahnen gebaut, auf denen neben zivilen auch militärische Flugzeuge starten und landen. Nordkorea habe das Potential die Welt ins Chaos zu stürzen, und doch liefere China kritische Technik an Nordkorea. Corker glaubt nicht, dass es neue Sanktionen gegen Nordkorea geben wird, da Peking nicht bereit sei, dieses Land einzuhegen. Hier empfiehlt er der Regierung in Peking eine verantwortungsbewusstere Rolle anzunehmen, bezweifelt aber, dass daran ein Interesse besteht. Fu Ying konterte den Vorwurf mit der Bemerkung, dass die USA mehr militärisches Gerät in die Region bringe als Nord- und Südkorea zusammen. Allerdings sagte sie auch, dass die chinesische Regierung über Nordkoreas Atomanstrengungen verärgert sei.
Die Beziehungen zueinander müssen nach Kevin Russ dort ausgebaut werden, wo gemeinsame Interessen bestehen. Nordkorea sieht er auf einem Weg, der mit dem Irans vergleichbar sei. Sie würden Flugkörper entwickeln, vielleicht auch Langstreckenflugzeuge mit 9000km Reichweite. Wenn Nordkorea die Fähigkeit besitzt, Australien existenziell zu bedrohen, führte das zu einem heissen Sicherheitskonflikt.
In den Ohren von Frau Fu Ying klang der Vorwurf „China hätte die Kontrolle über Nordkorea verloren“ sehr westlich, da China keine Kontrolle über ein anderes Land anstrebe. Zu Russ Mutmassungen über die nordkoreanische Militärstärke vermutet sie, dass einige Leute in Nordkorea erfreut wären, von den übertriebenen Fähigkeiten ihrer Streitkräfte zu hören. Dass Nordkorea seine Bestrebungen nicht aufgibt, ist wohl auch für China eine Bedrohung, das möchte allerdings auf der Suche nach einer Lösung seine Sicherheitsinteressen nicht verletzt sehen. Damit sprach sie die chinesische Angst an, die USA könnte nach einem wie auch immer gearteten Verschwinden Nordkoreas seine Militärbasen bis an die Grenze zu China heran schieben.
Ng Eng Hen brachte an dieser Stelle die Erfolge Chinas wieder in Erinnerung. Die Bekämpfung der Armut, die wachsende Mittelschicht und die 150 Milliardäre, die es in China inzwischen gibt. Chinas Aufstreben in die internationale Ordnung sei ein Triumpf der Architekten, die immer gegen eine bipolare Welt kämpften. Doch ist es für ihn jetzt an der Zeit, dass China Vorstellungen einer neuen Weltordnung klar formuliert. Von der Stabilität Chinas hinge schliesslich die Stabilität der Region und der Welt ab.
Ganz so begeistert gab sich Senator Corker nicht. Doch „Nordkorea“ sei für China eine gute Möglichkeit sich einzubringen und einzuschreiten. China müsse wahnehmen, dass Nordkorea Raketen besitzt, um etwas zu zerstören.
Auch für das Publikum war das Atomprogramm Pjöngjang Thema Nr. 1. Frau Ying zeigte Verständnis für Nordkoreas Angst von den USA angegriffen zu werden. Denn es gebe noch immer keinen Friedensvertrag, rein faktisch sei das Land noch im Kriegszustand – mit momentanen Waffenstillstand. Wie immer ein Frieden aussehen kann: Er müsse es dem Regime ermöglichen zu überleben.
Redaktionsmitglied Michael Renner
Meine Karriere als Redakteur bei der Piratenpartei startete 2009 beim Bundesnewsletter, aus dem 2010 die Flaschenpost hervorging. Im Sommer 2012 wurde ich stellvertretender Chefredakteur, Anfang 2014 Chefredakteur. Da die unzähligen Aufgaben an der Spitze der Flaschenpost einen Vollzeitjob in der Freizeit mit sich bringen, machte ich nach zwei guten, aber auch stressigen Jahren zwei Schritte zurück und gab die Redaktionsleitung ab. Die gewonnene Freizeit wird in die Familie und mein zweites großes Hobby, den Amateurfunk, investiert.