
Blick vom Melibokus (Bergstrasse) | CC BY NC 2.0 <a href="https://www.flickr.com/photos/dennis_henge/">Dennis Henge</a>

Beim programmatischen Parteitag stehen 63 Anträge zur Abstimmung. Manche Piraten stellten zwei Anträge, manche drei, andere auch mehr. Den Vogel schoss Guido Körber ab: Nicht weniger als 5 Anträge stammen aus seiner Feder. Dumm nur: Zwei Tage vor dem Parteitag verwürfelte es seine Planung, aus der Fahrt zum Parteitag wurde nichts.
Flaschenpost: Guido, was ist passiert?
Guido Körber: Private Gründe. Die zwei sonstigen Anträge übernimmt jemand. Auch für die Programmanträge fand sich jemand, der sie übernimmt. Sonst hätte ich sie zurückgezogen und zum nächsten BPT wieder eingereicht.
Flaschenpost: Fünf Anträge sind von dir? Schreibst du gerne Antragstexte?
Guido Körber: Lach, ja, Programmarbeit ist für mich eine wichtige Sache. Die drei Programmanträge kommen aus der AG Waffenrecht, die habe ich nicht alleine gemacht, da waren viele Leute dran beteiligt. Der WP002 steht so in SH und BW schon länger im Wahlprogramm, den haben wir nur minimal verändert und eine ausführliche Begründung geschrieben.
Ich schreibe ziemlich viel, auch geschäftlich. Pressetexte für meine Produkte, Fachartikel und teilweise auch politische Artikel, meistens für die Elektronikpresse. Auf unserem Bundesblog bin ich auch häufiger zu lesen.
Flaschenpost: Wo liegen deine Schwerpunkte in der Partei?
Guido Körber: Ich sage immer, ich mache Politik aus Notwehr. Es geht schon viele Jahre so, dass ich mich massiv darüber ärgere, dass Gesetze von Leuten geschrieben werden, die inhaltlich keine Ahnung vom Thema haben.
Umweltgesetzgebung ist für mich ein sehr wichtiges Thema, aber gerade da geht Ideologie vor Fachwissen. In der Mischung aus tiefer Überzeugung ohne Fachwissen und Lobbyarbeit von interessierten Wirtschaftskreisen kommen dann Gesetze heraus, die häufig das Gegenteil bewirken von dem, wofür sie gedacht waren (z.B. Biosprit).
Zur Bundestagswahl 2009 habe ich mich mit den Piraten intensiv beschäftigt und festgestellt, dass das, was an Programm da war, voll auf meiner Linie lag, aber viele Lücken aufwies, eine davon im Bereich Umwelt. Das hat für mich dann den Anstoß zum Eintritt gegeben und zur Mitarbeit in der Bundes-AG Umwelt geführt. Ansonsten interessiert mich Energiepolitik, wo ich auch in der Bundes-AG mitwirke.
Zur AG Waffenrecht kam ich dann, weil ich seit über 35 Jahren Sportschütze bin und zu meiner Freude feststellen konnte, dass ich damit bei den Piraten nicht alleine bin.
Ein Großteil meiner politischen Arbeit geht momentan für bzw. gegen TTIP, CETA und TISA drauf. Auch, oder gerade, als Unternehmer, der in die USA und andere Staaten exportiert, lehne ich diese vermeintlichen Freihandelsabkommen ab. Das ist kein Freihandel, das ist Konzernermächtigung.
Flaschenpost: Wie würde ein Freihandelsabkommen nach deinem Geschmack aussehen?
Guido Körber: Zunächst müssten alle Dinge raus, die mit dem eigentlichen Freihandel nichts zu tun haben. TTIP, TISA und CETA werden als trojanische Pferde benutzt, um ein veraltetes Urheberrecht zu zementieren, das nicht mehr im Geringsten mit der heutigen Realität einer vernetzten Welt verträglich ist.
Dazu kommen Mechanismen, die geltendes Recht und demokratische Mechanismen umgehen sollen, wie die Schiedsgerichte und die „regulatorische Kooperation“. Das sind Dinge, die nicht im Interesse der Bürger und der Mehrheit der Wirtschaft sind, sondern nur multinationalen Konzernen dienen.
Grundsätzlich bedeutet Freihandel erst mal, dass Waren ohne Zölle und willkürliche Diskriminierung gehandelt werden können. Ein weiterer Faktor ist, dass Standards harmonisiert werden, damit Produkte einheitlich sein können. Das ist etwas, das wir in der EU mit dem Binnenmarkt realisiert haben.
Die USA können dies aber nicht leisten, ohne vorher ihre Verfassung zu ändern. Die US-Regierung ist für viele Dinge nicht zuständig, und auch die Regierungen der Bundesstaaten haben für etliche Themen nicht die Zuständigkeit. Faktisch haben die USA intern keinen Binnenmarkt.
Ein Freihandelsabkommen mit den USA müsste sich auf die Dinge beschränken, die die US-Regierung überhaupt umsetzen kann. Das wäre z.B. die Streichung von Zöllen in Bereichen, in denen diese unsinnig sind. Maschinenbau, Elektrotechnik, Automobil sind Beispiele, wo Zölle zwischen EU und USA wenig Sinn machen, da die Unternehmen in diesen Bereichen auf beiden Seiten des Atlantiks hier auf Augenhöhe spielen.
Anders sieht das bei der Landwirtschaft aus. Die US-Farmer produzieren in anderen Größenordnungen und mit höheren Umweltbelastungen, sodass sie Preise erzielen, die die EU-Bauern nicht mitgehen können. Ein Wegfall der Zölle im Bereich Nahrungsmittel würde unsere Fähigkeit, uns selber zu versorgen, gefährden. Das dürfen wir auf keinen Fall tun.
Letztlich sieht es mit dem Freihandel wie mit dem freien Markt aus: Wir brauchen klare Leitplanken. Handel und Markt, die nicht fair sind, bleiben auch nicht frei, sondern führen zu Monopolen und Ausbeutung.
Flaschenpost: Siehst du Möglichkeiten, dass die Piratenpartei die Forderung „TTIP in die Tonne“ mit einem eigenen tragfähigen Vorschlag für bessere Verträge untermauert?
Guido Körber: Auf jeden Fall. Ansätze dazu gibt es schon. Ich denke, das ist ein Thema, das wir angehen müssen. Spätestens zum Bundestagswahlkampf wäre es wichtig, da ein rundes Konzept zu haben. Dabei würde ich mir wünschen, dass wir auch TTIP-kritische NGOs und Wirtschaftsverbände mit an den Tisch holen können.
Flaschenpost: Wir sind gespannt, was daraus wird. Danke, dass du dir Zeit für unsere Fragen genommen hast.
Redaktionsmitglied Michael Renner
Meine Karriere als Redakteur bei der Piratenpartei startete 2009 beim Bundesnewsletter, aus dem 2010 die Flaschenpost hervorging. Im Sommer 2012 wurde ich stellvertretender Chefredakteur, Anfang 2014 Chefredakteur. Da die unzähligen Aufgaben an der Spitze der Flaschenpost einen Vollzeitjob in der Freizeit mit sich bringen, machte ich nach zwei guten, aber auch stressigen Jahren zwei Schritte zurück und gab die Redaktionsleitung ab. Die gewonnene Freizeit wird in die Familie und mein zweites großes Hobby, den Amateurfunk, investiert.