Vom Jahr 2018 aus betrachtet scheint es, als wirkte der Kalte Krieg zwischen den verfeindeten Polen Sowjetunion und den USA stabilisierend auf jene Regionen, die heute als Unruhegebiete eine traurige Karriere durch die Nachrichtensendungen machen. In der Ukraine tobt ein lokal begrenzter Krieg, bei dem die EU, die NATO und Russland von den Konfliktparteien zwar als Unterstützer umworben werden, sich mit offiziellen Einsätzen aber bedeckt halten. Nicht viel anders verhält es sich in Syrien, Somalia, Libyen und Afghanistan im Grossen, in Ägypten, Venezuela, dem Irak, dem Sudan, den Philippinen und Mexiko im Kleinen. Tatsächlich muss niemand dem Kalten Krieg mit der Gefahr der absoluten Auslöschung der Menschheit nachtrauern, doch wird immer deutlicher, dass nach dem Ende der Abschreckungspolitik lokale Konflikte wieder an der Tagesordnung sind.
Der Einfluss der global Player schwindet, eine neue Ordnung ist nicht in Sicht. Die USA unter Trump konzentriert sich auf sich selbst. Und auch wenn die US-Armee als die modernste und teuerste aller Streitkräfte gilt, fehlt die Bereitschaft in Konflikte friedensschaffend oder auch nur friedenserhaltend einzugreifen. Das ist nicht neu seitdem Donald Trump ins Weisse Haus einzog, doch während seiner Präsidentschaft gilt eine Wende dieser Politik zurück zum Weltpolizisten als ausgeschlossen. Russland gilt vielen als unsicherer Kantonist, der mehr an der Wiedererrichtung russischer Grösse interessiert ist als daran Frieden zu schaffen. China, wirtschaftlich längst ein Riese, entwickelt kaum imperiale Interessen, der Hunger an Bodenschätzen des Riesenreichs fördert jedoch Misstrauen. Die EU selbst konzentriert sich darauf Flüchtlinge möglichst weit entfernt von den Aussengrenzen am Antrag auf Asyl abzuhalten statt sich um die Konflikte direkt vor der Haustür zu kümmern.
Dazu kommt erschwerend, dass auf die gefestigten Demokratien von innen heraus antidemokratische Käfte wirken. Die Deutschland die AfD im Schulterschluss mit Pegida und den Identitären, in Österreich die FPÖ, der FN in Frankreich, Ukip in England und einige mehr. Als Nahziel gilt allen die Destabilisierung und die Schwächung der EU, die nach der Katastrophe zweier Weltkriege den Kontinent stabilisierte ohne dafür einen Gegenpol zu benötigen. Gemeinsam ist den Europafeinden die Behauptung, das es ohne die Europäische Gemeinschaft, ohne Diplomatie und freien Handel allen besser ginge – gerade so wie 1914 und 1939.
Für Wolfgang Ischinger, den Organisator der Münchner Sicherheitkonferenz, besteht der Sinn der Veranstaltung darin, wieder Vertrauen aufzubauen. Dabei besteht die unangenehme Realität für ihn darin, dass es zu viele ungelöste Konflikte in der Welt gibt. Bei Vergleich der Bilder der Vergangenheit mit den blutigen Schlagzeilen von heute sieht er aber auch Fortschritte, beispielsweise bei der Bekämpfung von Armut und Krankheit. Doch Werte sind bedroht, scheinen schwächer zu sein und weniger zu gelten als in der Vergangenheit. Für ihn ist nicht weniger die Internationale Ordnung der Nachkriegsphase bedroht. Für Ischinger gibt es parallel Fortschritte und grosse Bedrohungen. Das eine schliesst das andere nicht aus. Deswegen wird 2018 in München auch nicht gefeiert oder der Niedergang proklamiert. Das Motto der Konferenz lautet: “Bis zum Abgrund und wieder zurück?”. Ischinger mahnt konkrete Schritte vom Abgrund weg an.
Wer sich selbst ein Bild von der 54. Sicherheitskonferenz machen möchte kann den Stream in Youtube ansehen.
Redaktionsmitglied Michael Renner
Meine Karriere als Redakteur bei der Piratenpartei startete 2009 beim Bundesnewsletter, aus dem 2010 die Flaschenpost hervorging. Im Sommer 2012 wurde ich stellvertretender Chefredakteur, Anfang 2014 Chefredakteur. Da die unzähligen Aufgaben an der Spitze der Flaschenpost einen Vollzeitjob in der Freizeit mit sich bringen, machte ich nach zwei guten, aber auch stressigen Jahren zwei Schritte zurück und gab die Redaktionsleitung ab. Die gewonnene Freizeit wird in die Familie und mein zweites großes Hobby, den Amateurfunk, investiert.