Wenn sich etwas selber z.B. Futurecamp nennt, dann bin ich da doch immer relativ skeptisch. Nur selten gelingt es, die daraus resultierenden Erwartungen auch zu erfüllen. Das wäre umso schlimmer, als dass die Piratenpartei dringend eine Zukunftsorientierung oder Zielsetzung braucht. Ein weiter so wie bisher kann zumindest nach meinem dafürhalten nicht der Weg sein. Entsprechend war meine Stimmung eher abwartend. Im Verlauf dieses Artikels werde ich zeigen, ob es den Veranstaltern gelungen ist, die Erwartungen zu erfüllen.
Die Veranstalter
Mit Riccardo Popp, Sebastian Alscher, Florian Lancker und Lukas Küffner war das Orgateam schon recht bunt, wenn man mal von der fehlenden weiblichen Beteiligung absieht, deren Abwesenheit zumindest anfänglich zu spüren war. Jugendlicher Tatendrang gemischt mit Erfahrung und einer klaren Zielsetzung haben dem Event Leben eingehaucht.
Die Referenten
Insgesamt 5 Referenten hat das Event aufgeboten. Zwei Externe und drei interne. Die Themen reichten dabei von Rhetorik über Marketing bis hin zum Thema Datenschutz, mit besonderem Blick auf die Piratenpartei selber. Leider konnte ich aus Zeitgründen weder an dem Workshop für Energiepolitik, noch an der Datenschutzschulung teilnehmen. Der allgemeine Tenor war aber sehr positiv. Dazu gab es den Workshop Gestaltung, der sehr informativ und interessant war, weil man selber Hand anlegen durfte, ja sogar sollte. Und so wurden dann auch fleißig Shirts und Tassen bedruckt.
Die Hauptevents aber waren die beiden externen Referenten. Und wie immer gilt, Ladys First.
Rhetorik/Storytelling
Mit Frau Birgit Schürmann hatte man eine sehr erfahrene und gute Referentin gefunden, die das Thema hervorragend dargeboten hat. Und obwohl es nur ein Workshop war und die meisten Dinge nur angerissen werden konnten, war der Workshop tatsächlich wichtig, denn er hatte in hohem Maße mit der Zukunft zu tun.
Tatsächlich ist das Kommunizieren, sowohl in Wort als auch in Schrift, längst nicht so einfach, wie viele Menschen glauben. Und so war der Vortrag über das Storytelling ein erster sehr wichtiger Weg, unsere externe Kommunikation zu verbessern. Und obwohl spät am Abend, war der Vortrag hoch spannend, sehr interessant vorgetragen und auch die anschließende Fragerunde war sehr erhellend. Insgesamt ein sehr wichtiger Beitrag und genau eines der Themen, von denen ich glaube, dass sie wesentlich für die Zukunft der Piratenpartei sind.
Marketing
Hier, das muss ich zugeben, war meine Skepsis am größten, was das Thema und die Zukunft anbetraf, aber ich muss zugeben, ich habe mich geirrt. Nicht nur, dass ich Neues gehört und gesehen habe, ich habe sogar richtig viel in diesem Workshop gelernt.
Mit Prof. Dr. Jürgen Tauchnitz war ein ebenfalls sehr erfahrener und versierter Referent engagiert worden. Er hat uns auch ganz klar gefordert und aufgezeigt, wo die Verbindungen, auch wenn man eine Partei ist, mit dem Marketing der Industrie ist. Und was wir von der Industrie lernen können.
Der Workshop war zeitlich recht lang angelegt, und das war auch dringend nötig. Das Thema selbst ist ja sehr komplex und beileibe nicht einfach. Es war sehr interessant zu sehen, wie die Industrie z.B. Dinge angeht. Aber auch, was sich daraus für uns als Partei ergibt. So muss ich auch hier sagen, wurde der Zukunftsaspekt voll getroffen. Das Thema ist wichtig, denn auch was das Marketing der Piraten anbetrifft, sind wir längst nicht da, wo wir sein müssten. Unsere Umsetzung, seien es Flyer, Broschüren oder auch Plakate sind nach dem in diesem Workshop Gelernten, nur suboptimal. Der Workshop war der, den ich mit der größten Skepsis betrachtet habe, und der mir letztendlich am meisten gebracht hat.
Ein weiterer wichtiger Teil soll natürlich nicht verschwiegen werden.
Social Listening
Abends zusammensitzen und sich zu unterhalten, hat immer etwas Gutes. Und sei es nur, weil man Leute kennenlernt, die man vorher noch nicht gekannt hat. So z.B. eine Piratin aus Luxemburg und unseren österreichischen Klimapiraten konnte ich so auch endlich persönlich kennenlernen.
Social Listening ist auch zusammen essen. In unseren Fall war das ein Grillabend. Es hat viel Spaß gemacht und war sehr chillig. Eine Anekdote muss ich allerdings loswerden, ich hoffe, die Veganer mögen mir verzeihen. Auf die Frage, ob das Würstchen den geschmeckt hat, kam als Antwort “es würde nach Brötchen schmecken”. Der Befragte wusste nicht, dass es sich um ein veganes Würstchen handelte.
Fazit
Das Futurecamp ist seinem eigenen Anspruch gerecht geworden. Es hat meine Erwartungen übererfüllt. Wie so oft, gibt es Verbesserungspotential. So sollte deutlich früher für die nächste Veranstaltung geworben werden. Auch das Zeitmanagement kann noch deutlich optimiert werden. Allerdings ist das ja eher eine piratentypische Erscheinung. Die Themen waren sehr gut, eventuell aber für ein Wochenende schon zu viel. Mit einkalkuliert werden sollten auch die körperliche Leistungsfähigkeit und der Altersdurchschnitt der Piraten. Ich für meinen Teil freue mich auf das nächste Futurecamp.
Informationen und eine Besprechung des Veranstaltungsortes gibt es hier: https://die-flaschenpost.de/2022/08/24/stoeritzland-in-brandenburg
Ullrich Slusarczyk
Redaktionsmitglied Ullrich Slusarczyk
1963 in West-Berlin geboren. Jetzt in Hannover. Sehr viel gemacht im Leben und sehr viel gesehen. Schreibe gerne. Bin für direkte Sprache bekannt, manchmal berüchtigt. Halte nichts davon, Fakten auf einem DIN A4 Blatt breitzutreten, wenn das Wort „Idiot“ ausreicht. Schreibe jetzt hier die Kolumne hauptsächlich. Meine Themen sind: Gesundheit, Digitalisierung, Urheberrecht und Energie. Ich bin kein Wissenschaftler, logisches Arbeiten und Denken ist mir aber nicht fremd. Bin ein Wissenschaftsfan. Lese Science Fiction. Habe Karl May gelesen, aber auch Antoine de Saint-Exupéry oder Stanislav Lem.
Wo finde ich denn die Downloads der Präsentationen oder zumindest ein paar mehr Infos über die Inhalte?
Da muss ich leider passen. Wie man den Fotos entnehmen kann, wurde ohne Technik gearbeitet (Laptops etc.). Folgerichtig gab es keine Downloads im Marketingworkshop. Und der Rhetorik Workshop war rein verbal vorgetragen. Kann ich also leider nicht mit dienen.