Eine Kolumne von Ullrich Slusarczyk
Wissen sie, was das Polizeiaufgabengesetz ist?
Nein?
Dann sind sie in guter Gesellschaft. Nur wenige wissen, was es damit auf sich hat.
Das Polizeiaufgabengesetz, kurz PAG oder NPOG für Niedersächsisches Polizei- und Ordnungsbehördengesetz regelt diverse Aufgaben und Befugnisse der Polizei, je nach Bundesland. Dabei haben alle Bundesländer eigene und und vor allem unterschiedliche Gesetze. Ihnen allen ist gemeinsam, dass sie nach dem Terroranschlag 2016 auf dem Weihnachtsmarkt in Berlin verschärft bzw. überarbeitet wurden.
Dabei wurden auch dringend nötige Veränderungen eingebracht, die die Polizei z. B. endlich in das digitale Zeitalter bringen sollten, z. B. beim Thema Datenschutz. Über den Erfolg kann man allerdings streiten, nimmt man z. B. die Überschwemmung im Ahrtal als Maßstab, wo der Digitalfunk der Polizei ausgefallen ist. Anmerkung am Rande, das Digitalfunknetz Bosnet geht nicht direkt auf die verschiedenen PAGs zurück.
Terrorabwehr
Viel wichtiger aber waren die Befugnisse der Polizei in Sachen Terrorabwehr. Hier wurde deutlich gearbeitet, war man doch der Meinung, dass die bestehenden Befugnisse der Polizei viel zu schwach wären, um wirksam Terrorismus bekämpfen zu können. Und sie sind es auch, an denen sich zuerst Kritik entzündet. Vereinfacht gesagt kann man sagen, es wurde bezweifelt, dass all diese, nennen wir es „Befugnisserweiterungen“, wirklich nur gegen bzw. bei Terroristen angewendet werden würden. In der Zwischenzeit sind trotz teilweiser großer Demonstrationen (30.000 in München, 15.000 in Hannover) in den einzelnen Bundesländern gegen die Gesetze, die einzelnen Gesetze beschlossen worden.
Zeit, einmal nachzusehen, wie es sich den nun in der Realität so verhält mit der Terrorismusabwehr.
Eine meiner ersten Aktionen, an denen ich für und mit den Piraten teilgenommen habe, waren tatsächlich die Proteste gegen die niedersächsische Variante, dem NPOG. Und schon da musste ich feststellen, es ist nicht alles Gold, was glänzt. Auch bei der Polizei nicht. Thematisiert habe ich das hier:
Gefährderansprache
Und wie ist das heute? Nehmen wir z. B. die Gefährderansprache.
Verursacht eine Person eine Gefahr oder rechtfertigen Tatsachen die Annahme, dass eine Person innerhalb eines übersehbaren Zeitraums auf eine zumindest ihrer Art nach konkretisierte Weise eine Straftat begehen wird, so können die Verwaltungsbehörden und die Polizei die Person zum Zweck der Abwehr der Gefahr oder der Verhütung der Straftat ansprechen (Gefährderansprache) oder anschreiben (Gefährderanschreiben). Die betroffene Person darf zur Durchführung der Gefährderansprache kurzzeitig angehalten werden.
Klingt harmlos.
Allerdings, Journalist sollten Sie dann besser nicht sein [1]. Denn dann kann es ganz schnell passieren, dass sie eine solche Ansprache kassieren. Dass sie dabei nur ihre Arbeit gemacht haben, interessiert nicht.
Eine weitere Möglichkeit ist das präventive Festsetzen von Personen, wenn man denkt, dass diese eine Straftat begehen könnten.
Auch hier kam es während der IAA zu solchen Erscheinungen, wieder ging es um Journalisten [2].
Aber all das ist ja noch vergleichsweise harmlos.
Interessanter wird es da schon, wenn z. B. ein Platzverbot ausgesprochen wird. Ebenfalls präventiv.
Denn, in Deutschland ist das Recht auf Demonstrationen ein Grundrecht!
Was aber, wenn man erst gar nicht an diesen Demonstrationen teilnehmen kann?
Es wurden schon Menschen an der Weiterfahrt zu einer Demonstration gehindert. Aber auch das ist noch alles harmlos.
Wie ist es, wenn man an einer Demonstration teilnimmt?
Auch da kann es passieren, dass man plötzlich im Gefängnis landet [3] [4].
Terroristen Mangelware
Nun kann man sagen, alles nicht so schlimm, und auch nicht alles davon ist den neuen Gesetzen geschuldet.
Wenn, ja wenn da nicht ein Punkt wäre, der doch sehr zu denken gibt.
Ich konnte keinen einzigen Terroristen entdecken. Sucht man nach der Anwendung besagter Gesetzte im Internet, wird man fündig. Das Problem dabei ist, in keinem Fall ging es um Terroristen. Sehr häufig ging es um ganz normale Menschen, die entweder ihrem Beruf nachgingen, also z. B. Journalisten, oder aber Menschen, die ihr Grundrecht auf Demonstration wahrnehmen wollten.
Die Vorwürfe gegen die Betreffenden werden dabei immer schärfer. Versuchter Totschlag ist keine Kleinigkeit.
Aber auch Bürger, die eventuell nicht weiß sind, sind betroffen [5]!
Und auch Jugendliche, die teilweise bis zu 11 Tage ohne Rechtsbeistand im Gefängnis waren, gibt es [6].
Nun hat Corona uns fest im Griff, und es ist nicht abzusehen, wann die Lage wieder so ist, dass es möglich ist, zu demonstrieren. Aber irgendwann werden sie wieder möglich sein. Und ich bin ganz sicher, dass die nächsten Klimademonstrationen sehr groß werden!
Es bleibt abzuwarten, wie die Gesetze dann angewendet werden.
Viele diese „Erweiterungen“ (Einsatz von Handgranaten, um eine weitere zu nennen) nutzen nicht den Bürgern oder der Polizei. Sie nutzen der Politik, also nicht dem Staat. Und hier wird es kritisch, den es gibt ganz klar jede Menge demokratiefeindliche Bestrebungen in unserem Land. Neonazis und Faschisten in den Parlamenten. Klar erkennbare Neonazis bei der Polizei. Und auch die Juristen zeigen erste klar erkennbare Tendenzen zur Demokratiefeindlichkeit. Und ihnen nutzen solche Gesetze! Denn die missbräuchliche Nutzung ist nicht schwer. Es gibt kaum Kontrollorgane und ich habe noch nicht wirklich entdecken können, dass Polizisten, Staatsanwälte oder gar Richter zur Verantwortung gezogen worden wären bei Fehlverhalten Ihrerseits.
In eigener Sache. Es sind sehr schwierige Zeiten(Corona). Für uns alle. Ich glaube, dass Musik helfen kann, sich besser zu fühlen. Aus diesem Grund werde ich in Zukunft jeweils einen Link zum Abschluss meiner Kolumne setzen. Heute ist das dieser:
Ullrich Slusarczyk
[2] https://www.br.de/nachrichten/bayern/iaa-journalisten-klagen-gegen-muenchner-polizei,Sizm3Tc
[3] https://www.rote-hilfe.de/77-news/1168-seit-einem-jahr-in-haft-die-klimaaktivistin-ella
[4] https://taz.de/Urteil-gegen-Aktivistin/!5782869/
[6] https://katharina-schulze.de/wp-content/uploads/2020/09/Schulze-884-I.pdf
Redaktionsmitglied Ullrich Slusarczyk
1963 in West-Berlin geboren. Jetzt in Hannover. Sehr viel gemacht im Leben und sehr viel gesehen. Schreibe gerne. Bin für direkte Sprache bekannt, manchmal berüchtigt. Halte nichts davon, Fakten auf einem DIN A4 Blatt breitzutreten, wenn das Wort „Idiot“ ausreicht. Schreibe jetzt hier die Kolumne hauptsächlich. Meine Themen sind: Gesundheit, Digitalisierung, Urheberrecht und Energie. Ich bin kein Wissenschaftler, logisches Arbeiten und Denken ist mir aber nicht fremd. Bin ein Wissenschaftsfan. Lese Science Fiction. Habe Karl May gelesen, aber auch Antoine de Saint-Exupéry oder Stanislav Lem.