Die Partido Pirate de Chile wurde 2007 als Bewegung gegründet und ist Mitglied der Pirate Parties International, jedoch noch nicht als eigene Partei offiziell registriert. Über den innerparteilichen Aufbau, Vorstände etc. ist im Internet leider nicht viel zu finden, deshalb bekommt ihr diese Informationen erst im Interview, also beginnen wir mit der Geschichte der Wahlen.
Wahlantritte als Koalition
2020 gründeten die Partido Humanista (Humanistenpartei) und die Partido Igualdad (Gleichstellungspartei) die Dignidad Ahora Koalition (Würde Jetzt), welcher sowohl die Piratenpartei als auch weitere kleine Gruppen bzw. Organisationen beitraten, zum Beispiel Acción Popular de Valparaíso (Volksaktion von Valparaíso), Victoria Popular (Populärer Sieg), Fuerza Cultural (Kulturelle Kraft) und Movimiento Democrático Popular (Volksdemokratische Bewegung). Dieses Bündnis wurde 2021 offiziell registriert und trat in diesem Jahr auch bei der Kommunalwahl an. Dort gewann man mit 3,4 % drei Bürgermeisterämter und 55 Stadträte, die meisten jedoch von den beiden Parteien besetzt. Die Gleichstellungspartei bekam mit bundesweit 1,56 % einen Bürgermeister und die Humanistenpartei mit bundesweit 0,81 % zwei, auf die unabhängigen Kandidaten der sonstigen Gruppierungen (u.a. auch die Piratenpartei) entfielen 1 %. Bei der Parlamentswahl 2021 trat die Koalition erneut an und gewann mit 5,1 % (3,09 % Humanistenpartei und 2,01 % Gleichstellungspartei) drei Sitze (alle Humanistenpartei). Das Wahlbündnis löste sich Anfang 2022 auf.
Wahlsystem in Chile
Das mit der Koalition Dignidad Ahora hört sich für uns in Deutschland vielleicht etwas wirr an – ein Wahlbündnis aus zwei Parteien und zehn Organisationen? – aber in Chile sind derartige Bündnisse Normalität. Bei der Kommunalwahl 2021 beispielsweise traten elf Wahlbündnisse an und nur zwei Parteien gänzlich allein (also auch ohne unabhängige Kandidaten), nämlich die Neue Zeit und die Patriotische Union. Insgesamt traten jedoch 24 offizielle Parteien an und etliche Bündnisse hatten auch unabhängige Kandidaten (worunter die der Piratenpartei mangels Parteistatus ebenfalls zählen). Das mag auf kommunaler Ebene noch gar nicht so ungewohnt sein, aber ähnliches sieht man auch bei der Parlamentswahl. Von den sieben Präsidentschaftskandidaten wurden nur zwei von einzelnen Parteien unterstützt (der Progressiven Partei und der Volkspartei). Bei der Wahl der Abgeordnetenkammer traten erneut sechs Wahlbündnisse an, diesmal sogar sechs Parteien allein, aber insgesamt 27 Parteien. Zum Vergleich: In Deutschland trat bei der letzten Bundestagswahl aufgrund der Erfordernisse des Wahlsystems kein Wahlbündnis an (die Union lasse ich hier außen vor, da die CSU eher einem bayrischen Landesverband gleicht) und insgesamt 53 Parteien. Eine weitere Besonderheit hat das Wahlsystem in Chile noch: In jedem Wahlkreis werden zwei Abgeordnete gewählt, hat das erstplatzierte Bündnis jedoch doppelt so viele Stimmen wie die Opposition, darf es beide Abgeordneten stellen.
Über die Piratenpartei Chiles
Da es bezüglich Aufbau etc. keine große Vielfalt an Informationen gibt, werde ich den Schwerpunkt hier auf die acht Kernthemen setzen:
- Befähigung: Die Welt hat sich verändert und jeder hat eine Stimme bekommen, deshalb ist es die Aufgabe der Verwaltung sich vom Beherrscher zum Beherrschten zu wandeln.
- Privatsphäre: Jeder hat das Recht, sein Leben selbst zu bestimmen. Die Privatsphäre teilt sich besonders in sieben Bereiche auf, welche geschützt werden müssen und von Behörden nur bei konkretem Verdacht auf ein schweres Verbrechen verletzt werden dürfen: Korrespondenz, Standort, Gebiet, Körper, Identität, Wirtschaft und Daten.
- Transparenz: Jeder hat das Recht auf rechenschaftspflichtige gewählte Politiker und Auskunft über den Umgang der Behörden mit ihren Machtbefugnissen – ohne Vorbedingungen wie Ausweis oder Geld.
- HICCS (herramientas, Ideas, Cultura, Conocimientos y Sentimientos): Jeder hat das Recht HICCS (Werkzeuge, Ideen, Kultur, Wissen und Gefühle) zu schaffen, mischen und auszutauschen und niemand darf daran gehindert werden.
- Humanismus: Jeder Mensch hat die gleiche Rechte und wird gleich behandelt. Außerdem hat jeder das Recht auf Zugang, Interpretation und Nutzen von Wissen und Kultur.
- Vielfalt: Vielfalt ist wichtig, sie verhindert kulturelle & ideologische Inzucht, schafft Widerstand gegen Machtmissbrauch und ist nicht nur für die Bevölkerungen, sondern auch für die technischen Aspekte unserer Infrastruktur bedeutend.
- Resilienz: Gesellschaft und Infrastruktur müssen so aufgebaut sind, dass sie widerstandsfähig gegenüber erwarteten & unerwarteten Katastrophen bzw. Ereignissen sind und es an keinen Punkten zu Versagen kommt oder Freiheiten eingeschränkt werden.
- Schwarmwirtschaft: Durch ehrenamtliche Arbeit haben die Menschen viele Jobs – bezahlte und unbezahlte – gleichzeitig. Dieser Realität muss sich die Gesellschaft anpassen und ehrenamtliche Arbeit wertvoll machen.
- Qualitätsvorschriften: Jedes Gesetz muss notwendig, wirksam, verhältnismäßig und evidenzbasiert sein. Politisches Prestige ist schädlich und Gesetze sind zum Regieren da, nicht zum Beherrschen.
Fazit
In diesem Artikel nimmt Chile und das dortige Wahlsystem allgemein ziemlich viel Platz in Anspruch, aber ich verspreche, dass das Interview – welches dieses Mal sehr ausführliche geraten ist – das wieder wettmachen wird. Also bleibt gespannt und freut euch schonmal auf das folgende Interview.
Quellen und weiterführende Informationen:
- Website (https://en.wikipedia.org/wiki/Pirate_Party_of_Chile)
- Wiki (https://wiki.piratenpartei.de/Piratenpartei_Chile)
- Wikipedia Partido Pirata (https://en.wikipedia.org/wiki/Pirate_Party_of_Chile)
- Wikipedia Dignidad Ahora (https://en.wikipedia.org/wiki/Dignidad_Ahora)
Redaktionsmitglied Julian Häffner
Ich bin 20 Jahre alt und seit 2019 Mitglied der Piratenpartei. Ich studiere aktuell Lehramt an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Außerdem bin ich Vorsitzender im Kreisverband Nürnberger Land & Roth und stellvertretender Vorsitzender des Bezirksverbandes Mittelfranken der Piratenpartei. Seit 2021 bin ich zudem Mitglied der Redaktion der Flaschenpost.
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