Eine Kolumne von Ullrich Slusarczyk
Insgesamt gibt es 95 gesetzliche Krankenkassen in Deutschland. Für diese 95 Krankenkassen gibt es insgesamt 7 Verbände oder auch Lobbyvereine. Einer dieser Verbände ist der vdek. e.V.
Der Verband der Ersatzkassen e. V. (vdek) vertritt die Techniker Krankenkasse (TK), BARMER, DAK-Gesundheit, KKH Kaufmännische Krankenkasse, hkk – Handelskrankenkasse und HEK – Hanseatische Krankenkasse. Zusammen versichern sie rund 28 Millionen Menschen in Deutschland.
Dieser Verband hat am 25.01.2024 einen Forderungskatalog veröffentlicht.
Und der hat es in sich.
Da ist z.B. von Sanktionen gegen Ärzte die Rede.
Aber bevor ich darauf eingehe, sehen wir uns die Kombattanten doch einmal genauer an.
Ärzte
Um Arzt zu werden, braucht es ein Abitur. Und nicht irgendeines, sondern das bestmögliche. Es gilt nämlich der Numerus Clausus für ein Medizinstudium von 1.0.
Hat man das, studiert man im Minimum 6 Jahre und macht danach noch 5 Jahre Facharztausbildung. Also 11 Jahre. Wer das etwas genauer wissen will, kann das hier genau aufgeschlüsselt nachlesen.
https://www.aerzte-finanz.de/Aktuelles/medizinstudium-dauer
Wer danach eine Praxis eröffnet oder übernimmt, der ist automatisch ein Unternehmer. Denn die MFA sind Angestellte und müssen vom Arzt/Ärztin bezahlt werden. Das gilt auch für die Praxisräume, Strom, Telefon, medizinische Geräte und Material. Urlaub und Krankheit, all das muss bezahlt werden. Ärzte sind also nicht nur Selbstständige, sondern auch Arbeitgeber. Und für meinen Geschmack sind sie alle scheinselbstständig. Denn genaugenommen werden sie von nur einem bezahlt: Der Krankenkasse. Aber das ist ein anderes Thema. Viel wichtiger ist, dass die Arbeitnehmer ja z.B. der Inflation unterliegen. Die Ärzte selber natürlich auch.
https://www.kbv.de/html/1150_64801.php
Ich habe viel über die Vergütung gelesen. Auf X findet man dazu ziemlich viel.
Das hier mal als Beispiel:
Ich treffe Bekannte. Sie beklagt:
„Ärzte haben nie Zeit für die Patienten“
Ich nenne Beispiele der letzten Woche von zeitintensiven Pat.
Dann frage ich sie:„Was glaubst du bekommt die Praxis an Vergütung?“
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— Dermatophyt (@Dermatophyt) September 27, 2023
Was mich überrascht ist, dass die Ärzte offensichtlich so schlecht da stehen. Stichwort z.B. Praxenkollaps.
https://www.kbv.de/html/praxenkollaps.php
Nun sind Ärzte, was die Bildung anbetrifft, ja alles andere als dumm. Und natürlich haben auch sie Ihre Verbände. Z.B. den KBV. https://www.kbv.de/html/index.php
Und trotzdem ist die Situation, wie mir scheint, mehr als schlecht. Da sitzt z.B. ein Impfgegner der STIKO https://www.rki.de/DE/Content/Kommissionen/STIKO/stiko_node.html (Ständige Impfkommission) vor.
Da dürfen die Krankenkassen Homöopathie bezahlen. Und da schreibt eine Versicherung einem Arzt vor, was und wie viel er zu verschreiben hat. Und wenn er sein Budget überschreitet, hat das Konsequenzen bis hin zum Regress. In einer Gesellschaft, die mehr und mehr überaltert, finde ich das schon krass.
Zusammengefasst ergibt sich für mich folgendes Bild. Ausbildungsdauer und Wissenanforderungen sind sehr hoch. Bis auf wenige Bereiche schrumpft sowohl der Verdienst als auch die Freizeit. Und die Wertschätzung ebenso.
Krankenkassen
Die Krankenkassen sind Versicherungen. Das ist etwas, das man sich einfach klarmachen muss. Genaueres findet man hier:
https://www.vdek.com/gesetzliche_krankenversicherung.html
1970 gab es noch sage und schreibe 1815 Krankenkassen. Da sind 95 im Jahr 2024 natürlich ein Fortschritt.
Warum es allerdings so viele Krankenkassen gab, hab ich bis heute nicht verstanden. Wahrscheinlich aus dem Grund, weil wir es können. Aber auch 95 Krankenkassen bedeutet 95 Mal eine Verwaltung bezahlen, wo doch nur eine gebraucht wird!
Wenn Krankenkassen Versicherungen sind, wieso kann eine Krankenkasse dann bestimmen, wie und welchen Rollstuhl ein Patient bekommt?
Mein Rollstuhl wurde von Krankenkasse abgelehnt. Bin angeblich zu krank und kognitiv nicht in der Lage einen e Rollstuhl zu nutzen. So Rum geht's also auch bei ME und ich hatte Angst, dass es wieder hingestellt wird als wäre ich nicht krank genug lol
— DeprimierteMicah♿️ (@Nibicah) April 15, 2022
Eine neue Odyssee mit der Krankenkasse.
Zuggerät für meinen Rollstuhl beantragt, weil es krankheitsbedingt keine möglichen Alternativen zur Elektrounterstützung für mich gibt und ich nach erneutem lebensbedrohlichen Zwischenfall ohne Hilfe kaum allein vor die Tür komme.— Katheterkarambolage (@Kathetbolage) August 5, 2020
Krankenkassen schreiben vor, wer was bekommt. Angefangen bei der Brille bis hin zu medizinischen Hilfsmitteln wie eben dem Rollstuhl. Und alles hierbei ist Geschäft!
Teile für medizinisches Hilfsmaterial kostet ein Vermögen.
Glücklicherweise ist unsere Gesellschaft dann doch nicht ganz so behindertenfeindlich (ableistisch) wie man manchmal denken könnte.
Ich brauche mal Hilfe.
Also mein bester Kumpel.
Wir suchen Ersatzteile für nen Rollstuhl.Und zwar den
Sopur Life 100
Wir brauchen die Stange auf dem Bild.
Mit den Haltern.
Die Gewinde sind kaputt.Jede Hilfe ist willkommen.
Jeder RT auch. pic.twitter.com/hsvaqbZ319— Die Jule (@Talanie1) April 1, 2020
Regressforderungen können eine Praxis ruinieren. Gelesen habe ich bereits mehrfach davon. Regress ist:
Nach dem Gesetz müssen sich Ärzte, die – nach Abzug aller Praxisbesonderheiten – ihr Richtgrößenvolumen um 15 bis 25 Prozent überschreiten, beraten lassen. Liegt die Überschreitung bei mehr als 25 Prozent, wird ein Regress festgesetzt.
Nun überaltert Deutschland erheblich.
https://www.tagesschau.de/inland/deutschland-bevoelkerungsvorausberechnung-101.html
Und je älter man wird, umso wahrscheinlicher das Risiko, zu erkranken. Auch ich gehöre jetzt in diese Gruppe und muss zugeben, der Nimbus des unbesiegbaren, unverletzbaren ist dahin. Eine Erkältung haut mich schon mal für fast 2 Wochen um. Und wenn ich mich heute stoße, dann weiß ich das zwei Wochen später noch ganz genau, weil es nämlich immer noch weh tut.
Krankenkassen agieren wie ein Wirtschaftsunternehmen. Das ist in gewisser Weise ja richtig, schließlich soll ja kein Geld verschwendet werden. Und gleichzeitig fördert es Auswüchse, die sich, wie ich finde, im Sanitärhandel widerspiegeln. Aber auch bei Medikamenten ist der Einfluss der Krankenkassen längst nicht immer gut, von sinnvoll ganz zu schweigen.
https://www.bundesgesundheitsministerium.de/arzneimittelpreise
https://www.ndr.de/ratgeber/verbraucher/Lieferengpaesse-bei-Medikamenten-Was-sind-die-Ursachen,lieferengpaesse104.html
Viele Medikamente sind nicht oder nur schwer lieferbar. Ein Grund sind die Preise. Das heißt, wir haben eine Mangelwirtschaft, verursacht, weil wir nicht genug dafür bezahlen und es deswegen keine Produktion in Deutschland gibt.
Auch hier sind die Krankenkassen nicht ganz unschuldig.
Und dann gibt es da Medikamente wie Pantoprazol. Das ist ein Standardmedikament, wie es viele Menschen brauchen. Ich z.B. nach meiner Chemotherapie.
7 Tabletten (20 mg) kosten im Moment 3,99 € als eines der preiswertesten Angebote.
Pantoprazol gehört der Firma Altana. Diese wiederum gehört Susanne Klatten.
Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Zusammenfassend kann ich konstatieren, dass Krankenkassen ungewöhnlich viel Macht haben. Zumindest deutlich mehr als alle Ärzte zusammen.
Patienten
In meiner Jugend kenne ich nur einen Typus Arzt, wo das Wartezimmer immer brechend voll war. Nämlich bei meiner Kinderärztin. Das hatte auch einen Grund. Kinderärzte waren absolute Mangelware. Meine Kinderärztin war: https://geschichte.charite.de/aeik/biografie.php?ID=AEIK01013
Und obwohl wir dort manchmal wirklich lange warten mussten, war ich als Kind nie unzufrieden. Ok, vielleicht waren auch die Bonbons, die ich am Ende bekommen habe Schuld, dass ich eine so gute Erinnerung habe.
Sie war bereits bei meiner Geburt 59 Jahre alt. Soweit ich weiß, hat sie bis weit in ihre 70er Jahre praktiziert.
Bei allen anderen Ärzten waren volle Wartezimmer eher die Ausnahme, denn die Regel.
Das ist heute völlig anders. Heute ist es schon schwierig, überhaupt einen Termin zu bekommen. Und zwar egal, für welchen Arzt. Und trotz Termin sind Wartezeiten von einer bis drei Stunden nichts Besonderes. Wartezeiten von 3 bis 6 Wochen auf einen Termin sind, wie ich finde, ein Unding. Aber ich bin natürlich nur ein Patient. Eine Handelsware, die es zu schröpfen gilt. Mitzureden habe ich nicht.
Konklusion
Da ist ein Verband von Versicherern, der sich anmaßt, Ärzte nicht nur zu maßregeln, sondern sogar zu sanktionieren. Und so sieht die Antwort aus:
https://www.haev.de/presse-medien/pressemitteilungen/nachrichten-detailansicht/pressestatement-zu-den-heutigen-vdek-aeusserungen
Aber reicht das wirklich? Müssten Ärzte nicht mal richtig streiken? Es läuft so viel falsch im Gesundheitswesen.
Dieser Forderungskatalog zeigt dies überdeutlich.
Leider kommt auch von Seiten der Piratenpartei da meines Erachtens viel zu wenig!
Ullrich Slusarczyk
Redaktionsmitglied Ullrich Slusarczyk
1963 in West-Berlin geboren. Jetzt in Hannover. Sehr viel gemacht im Leben und sehr viel gesehen. Schreibe gerne. Bin für direkte Sprache bekannt, manchmal berüchtigt. Halte nichts davon, Fakten auf einem DIN A4 Blatt breitzutreten, wenn das Wort „Idiot“ ausreicht. Schreibe jetzt hier die Kolumne hauptsächlich. Meine Themen sind: Gesundheit, Digitalisierung, Urheberrecht und Energie. Ich bin kein Wissenschaftler, logisches Arbeiten und Denken ist mir aber nicht fremd. Bin ein Wissenschaftsfan. Lese Science Fiction. Habe Karl May gelesen, aber auch Antoine de Saint-Exupéry oder Stanislav Lem.