Eine Kolumne von Ullrich Slusarczyk
Wussten Sie, dass niedergelassene Ärzte Selbstständige sind? Sie sind Unternehmer. Ihre MFA (medizinische Fachangestellten) sind ihre Angestellten. Sie zahlen die Miete für die Praxis und den Strom für all die medizinischen Geräte. Im Prinzip unterscheiden sie sich rein kaufmännisch gesehen dabei nicht von einem Handwerksmeister. Allerdings, den ein oder anderen Unterschied gibt es dann doch. Idealerweise dauert die Ausbildung eines Handwerksmeisters ca. 6 ½ Jahre. Die eines Facharztes 11 Jahre. Doch der wichtigste Unterschied ist, dass der Handwerksmeister seine Preise selber kalkulieren muss. Er tut dies, indem er auf der Grundlage seiner Kosten und des Marktgeschehens seine Preise kalkuliert. Und genau hier liegt der Unterschied. Denn der Arzt unterliegt zwar genau wie der Handswerksmeister Dingen wie z.B. Inflation und damit steigenden Gehältern der Angestellten, hat aber auf seine Einnahmen nur durch die Anzahl der Patienten Einfluss auf seine Einnahmen. Denn die Preise legt die Krankenkasse fest. Sie bestimmt, wie viel Geld der Arzt für seine Behandlung bekommt. Zwar gibt es heute nur noch 95 Krankenkassen von ursprünglich einmal 1815, aber auch das sind nach meiner Meinung noch immer 94 zu viel. 94-mal eine Verwaltung, die es nur einmal bräuchte.
Aber sehen wir uns mal an, was eine Krankenkasse so bezahlt:
Die Preise
- Knapp 107 € für eine Rachenmandeloperation bei Kindern
- Besuchspauschale
- bis zum vollendeten 4. Lebensjahr: 24,00 Euro
- bis 19. Lebensjahr: 15,50 Euro
- bis 55. Lebensjahr: 15,80 Euro
- bis 75. Lebensjahr: 24,10 Euro
- ab 76. Lebensjahr: 30,70 EUR
- Chronikerpauschale (Menschen, die chronisch krank sind)
- erster Besuch pro Quartal zusätzlich 14,28 €
- zweiter Besuch 4,39 €
- weitere Besuch werden nicht weiter bezahlt
Das ist nur ein sehr kleiner Auszug aus dem, was Ärzte so an Geld bekommen.
Wer das genau wissen will, kann das z.B. hier nachlesen:
https://www.praktischarzt.de/arzt/hausarzt-gehalt/
Noch genauer findet man es hier:
https://www.medizintechnikmarkt.de/blog/abrechnung-arztpraxis
Streik
Haben sie schon mal gehört oder sogar selber erlebt, dass Ärzte streiken? Und ich meine wirklich Ärzte, nicht Pflegepersonal.
Ich nicht!
Und doch kommt es vor.
So zum Beispiel gerade jetzt. Die HNO-Kinderchirugen haben ein Problem.
Die 107 € für eine Rachenmandeloperation deckt nicht einmal ansatzweise die anfallenden Kosten. Dummerweise ist das eine relativ häufige Operation.
Der deutsche Berufsverband der Hals-Nasen-Ohrenärzte und die deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Halschirurgie haben die Empfehlung ausgesprochen, ab sofort bundesweit keine neuen Termine für Mandel- und Mittelohroperationen (Tonsillotomie und Adenotomie mit Paukendrainage) bei Kindern zu vergeben.
Genauer kann man das hier und hier nachlesen:
https://www.hno-aerzte.de/op-protest/
https://www.change.org/p/appell-an-politiker-und-krankenkassen-erhalten-sie-die-ambulante-hno-kinderchirurgie
Ethik
Dabei hat die Ärzteschaft ein Problem. Ein Streik wird von vielen z.B. als unethische angesehen. Das Recht zum Streiken wird ihnen abgesprochen. Schließlich gefährdet man ja Leben. Und außerdem sind Ärzte doch Topverdiener und rangieren doch gleich nach den Millionären oder sind sogar welche.
Vermutlich ist das auch der Grund, warum alle Arztpraxen, in die ich in letzter Zeit musste, so voll waren. Aber wenn das so ist, warum gibt es dann z.B. auf dem Land immer weniger Ärzte? Warum werden die Praxen immer voller und die Wartezeiten immer länger? Und wieso fährt eigentlich bei den niedergelassenen Ärzten kaum noch jemand Autos ab Mercedes aufwärts?
Praxiseinnahmen
Nicht aufgeführt beim Reinertrag sind hier z.B. Dinge wie Rentenvorsorge oder Krankenversicherung. Der Reinertrag ist nicht mit dem Gewinn beziehungsweise dem Einkommen der Ärzte gleichzusetzen.
Wohlgemerkt, wir reden hier von niedergelassenen Ärzten. Krankenhausärzte und angestellte Ärzte sind ein anderes Thema.
Krankenkasse
Eine Krankenkasse ist, obwohl sie nicht so heißt, eine Versicherung. Ihre Aufgabe ist es, die Kosten, die entstehen, wenn ein Versicherter krank ist, zu bezahlen. Außerdem muss sie auch Vorsorgeleistungen übernehmen. Und obwohl das so ist, zahlen Krankenkasse nur sehr ungern. Viele Leistungen muss man sich mühevoll erstreiten. Vieles wird gar nicht mehr bezahlt oder nur in homöopathischen Dosen. So z.B. bei der Brille. Erst ab 6,25 Dioptrien bei Kurz- bzw. Weitsicht übernimmt die Krankenkasse die Kosten. Ganz ehrlich? Das ist peinlich. Aber Homöopathie, also Zuckerkugeln, die nachweislich nicht über den Placeboeffekt hinaus helfen, die werden bezahlt.
Mir ist ein Rätsel, wie die Ärzteschaft es zulassen konnte, dass Krankenkassen so viel Einfluss und Macht haben. Genauso wenig dürften Gesundheitskonzerne/Krankenhauskonzerne nicht über so viel Macht verfügen.
Gesundheit ist kein Geschäft, mit dem man immer Gewinn machen kann. In Gesundheit muss man investieren wie in Infrastruktur. Ohne Straßen kein Handel. Ohne Mitarbeiter kein Gesundheitswesen. Und genau an diesem Punkt sind wir in der Zwischenzeit. Krankenhäuser werden geschlossen, weil sie nicht rentabel sind. Ärzte lassen sich nicht mehr auf dem Land nieder. Das Pflegepersonal wechselt den Beruf. In den Schulen gibt es keine Luftfilter, weil die ja Geld kosten und zu laut sind. Und das, obwohl alle wissen, Kinder sind und waren die Treiber von Corona und auch vielen anderen Infektionen.
Fazit
Streiks von Pflegepersonal und Ärzten finden medial kaum statt. Sie sind nicht interessant genug, produzieren keine Schlagzeilen. Und auch der ÖRR berichtet eher selten darüber. Das ist sehr bedauerlich, denn das Anliegen der HNO-Kinderchirurgen hätte deutlich mehr Gehör verdient. Es muss sich diesbezüglich, aber auch ganz allgemein in der Gesundheitspolitik etwas ändern. Eine Gesundheitsreform ist dringend nötig. Der mit viel Vorschusslorbeeren gestartet Gesundheitsminister hat bisher ziemlich versagt.
Ullrich Slusarczyk
Redaktionsmitglied Ullrich Slusarczyk
1963 in West-Berlin geboren. Jetzt in Hannover. Sehr viel gemacht im Leben und sehr viel gesehen. Schreibe gerne. Bin für direkte Sprache bekannt, manchmal berüchtigt. Halte nichts davon, Fakten auf einem DIN A4 Blatt breitzutreten, wenn das Wort „Idiot“ ausreicht. Schreibe jetzt hier die Kolumne hauptsächlich. Meine Themen sind: Gesundheit, Digitalisierung, Urheberrecht und Energie. Ich bin kein Wissenschaftler, logisches Arbeiten und Denken ist mir aber nicht fremd. Bin ein Wissenschaftsfan. Lese Science Fiction. Habe Karl May gelesen, aber auch Antoine de Saint-Exupéry oder Stanislav Lem.