Eine Kolumne von Ullrich Slusarczyk
Die Piratenpartei ist eine säkulare Partei. Das heißt, sie ist nicht in irgendeiner Form kirchlich gebunden. Keine religiöse Weltanschauung beeinflusst das Programm der Partei. Das ist bei den beiden Parteien mit dem großen C im Namen aber anders.
Die Christlich Demokratische Union Deutschlands und ihre Schwesterpartei aus Bayern, die Christlich Soziale Union aus Bayern e.V. sind schon vom Namen her erkennbar als religiös beeinflusst zu erkennen. Natürlich ist das nicht verboten. Im Gegenteil, immerhin haben wir, also Deutschland, ja eine lange Geschichte in Sachen Religion. Da gab es den Bauernkrieg, den Dreißigjährigen Krieg oder den Schmalkaldischen Krieg.
Ich möchte allerdings eher einen Blick auf etwas werfen, das wir heutzutage z.B. als Code of Conduct, Netiquette oder Verhaltensregeln bezeichnen würden.
Interessanterweise haben die Kirchen, sowohl die Katholische als auch die Evangelische, solche Regeln. Gemeint ist hierbei nicht die Bibel. Denn anders als im Islam der Koran oder im Judentum die Thora, ist die Bibel weit weniger dominant. Das könnte unter anderem daran liegen, dass es diverse Versionen von Ihr gibt.
Oder ein neues und altes Testament.
Relativ gleich dagegen sind die 10 Gebote. Zwar unterscheiden sie sich teilweise in der Wortwahl, nicht aber in ihrer Bedeutung.
Man kann sie als die wohl früheste Form eines CoC betrachten.
Das nehme ich mal zu Anlass, die Einhaltung dieses CoC bei den Politikern der beiden Parteien mit dem großen C im Namen zu betrachten.
Martin Huber, CSU
Martin Huber ist Mitglied des bayerischen Landtags, dem er für die CSU angehört. Auf seiner Webseite sieht man ihn in einem offensichtlich privaten Arbeitszimmer mit einem Kruzifix an der Wand. So weit nichts Besonderes. Betrachten wir mal seinen Aussagen:
Deutschland finanziert grüne Kühlschränke in Kolumbien, ÖPNV in Lateinamerika, Fahrradwege in Peru, gendersensitive Dorfentwicklung in Bangladesch und den Schutz bäuerlicher Kultur in China.
Die #Ampel verteilt Geld in aller Welt, aber für unsere hart arbeitenden Bäuerinnen… pic.twitter.com/jAxAvYRWYN
— Martin Huber (@MartinHuberCSU) January 16, 2024
Hier wird es jetzt spannend. Schon die sogenannten “Community Notes” korrigieren seine Aussagen. In den folgenden Threads wird ihm dann vorgeworfen, zu lügen.
Aha, da war doch was. Genau.
Das achte Gebot:
Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten (Oder: Du sollst nicht falsch gegen deinen Nächsten aussagen).
Das verbietet übrigens nicht das Lügen insgesamt oder zwingt einem zu absoluter Wahrheit. Stattdessen sagt es aus, dass man nicht zum Schaden anderer die Unwahrheit sagen darf. Also umgangssprachlich, eben nicht lügen soll. Der Nebensatz zum Schaden anderer fällt dabei sozusagen der Vereinfachung anheim.
Aber sehen wir uns doch mal an, was Herr Martin Huber denn da nun tatsächlich gemacht hat.
Er hat über einen Vorgang die Unwahrheit gesagt, und zwar zu Ungunsten der Ampel. Für mich hat er damit das achte Gebot gebrochen. Indessen muss man der Fairness halber natürlich sagen, dass Lügen für Menschen etwas eher Alltägliches ist.
Aber Herr Martin Huber ist ein gewählter Politiker. Für ihn sollten deutlich höhere Ansprüche gelten. Das gilt auch im Umgang mit politisch Andersdenkenden. Er ist in der Partei, die sich dem christlichen Glauben verschrieben hat. Und er selbst unterstreicht das ja auch mit dem Bild von dem Kruzifix.
Und dennoch hat er gelogen.
Markus Söder, CSU
Markus Söder ist der Ministerpräsident von Bayern. Und er steht wie kein anderer für das Christliche im Namen der CSU. Er ist nämlich verantwortlich für den sogenannten Kreuzerlass.
Er ist sich also der Wichtigkeit des C’s im Namen der Partei bewusst.
Da ist der Artikel der Süddeutschen Zeitung schon etwas überraschend. Die Verstöße gegen das achte Gebot sind – Legion.
Ich könnte an der Stelle noch selber was heraussuchen, aber ich denke, wir alle wissen selber den ein oder anderen Vorfall.
Es gibt noch etwas im Namen der CSU. Nämlich das Wort sozial. Und wenn sich Markus Söder z.B. zum Thema Bürgergeld äußert, dann bricht er nicht nur das achte Gebot, er ist auch noch extrem unsozial.
So trifft er z.B. folgende Aussage:
Wer arbeitet, muss erkennbar mehr bekommen als jemand, der nicht arbeitet.
Das IFO-Institut stellt dazu kategorisch fest:
Arbeit führt in Deutschland immer zu höheren Einkommen als Nichtstun
Wie kann ein Mann, der angeblich dem christlichen Glauben anhängt und die politische Verantwortung für 13,08 Millionen Menschen hat, so sehr unchristlich und unsozial sein.
Friedrich Merz, CDU
Er ist der Oppositionsführer der CDU. Er hat Angela Merkel beerbt. Positiv aufgefallen ist er dabei aber weniger. Eher als jemand, der zur Hochzeit mit dem eigenen Privatflugzeug fliegt und mit jeder Menge abfälliger Bemerkungen über – fast alle, glänzt.
Aussagen wie:
Die lassen sich die Zähne machen.
Oder
Die deutschen Bürger nebendran kriegen keine Termine.
In einem Satz gleich drei Lügen. Nicht schlecht.
Und dann ist das noch ein Thema, für das ich überhaupt kein Verständnis habe.
Ich war selber in der Kirche, bin getauft und konfirmiert. Aber nirgendwo in der Bibel steht, dass ein Suizid gegen Gottes Wille wäre. Im Gegenteil, dem Menschen wird ausdrücklich ein Selbstbestimmungsrecht erteilt, ja sogar gefordert.
Nur sterben darf man offenbar nicht selbstbestimmt! Und eine Partei will allen Bürgern dieses Landes seine diesbezügliche religiöse Meinung aufzwingen.
Deutschland ist, zumindest theoretisch, säkular. Und das sollte es auch bleiben. Mehr zum Thema.
Epilog
So viel zu den 2 Parteien mit dem großen C im Namen. Ich könnte das noch stundenlang fortführen, z.B. mit Jens Spahn, aber ich denke, Sie haben mich verstanden.
Politiker zu sein, bedeutet nicht, dass man fehlerfrei sein muss. Man muss auch nicht besser sein als alle anderen. Aber so einfache Dinge, wie anderen keinen Schaden zuzufügen, das sind Sachen, die sollte ein Politiker können müssen!
Und akzeptieren, dass wir ein säkularer Staat sind, ebenso.
Ullrich Slusarczyk
Redaktionsmitglied Ullrich Slusarczyk
1963 in West-Berlin geboren. Jetzt in Hannover. Sehr viel gemacht im Leben und sehr viel gesehen. Schreibe gerne. Bin für direkte Sprache bekannt, manchmal berüchtigt. Halte nichts davon, Fakten auf einem DIN A4 Blatt breitzutreten, wenn das Wort „Idiot“ ausreicht. Schreibe jetzt hier die Kolumne hauptsächlich. Meine Themen sind: Gesundheit, Digitalisierung, Urheberrecht und Energie. Ich bin kein Wissenschaftler, logisches Arbeiten und Denken ist mir aber nicht fremd. Bin ein Wissenschaftsfan. Lese Science Fiction. Habe Karl May gelesen, aber auch Antoine de Saint-Exupéry oder Stanislav Lem.