Manchmal hat man den Eindruck, dass ein bisschen mehr Ahnung von IT, Datenschutz oder den damit verbundenen Risiken in der Wissenschaft hilfreich wäre – zumindest wenn man sich öffentlich äußert.
So zumindest fühlte ich mich, als ich den folgenden Artikel bei Heise online las: Ethikrat-Vorsitzende: “Datensparsamkeit ist heute eine irrsinnige Idee”
Aber beginnen wir erst mal mit dem deutschen Ethikrat – ein bisschen Basiswissen kann ja nicht schaden 😉
Der Ethikrat
Der Deutsche Ethikrat ist ein “unabhängiges” Gremium, das sich mit den ethischen, gesellschaftlichen, naturwissenschaftlichen, medizinischen und rechtlichen Fragen sowie den Auswirkungen auf Individuum und Gesellschaft im Zusammenhang mit der Forschung und Entwicklung in den Lebenswissenschaften beschäftigt.
Er steht in der Kritik, da er zu 90 % von der Bundesregierung ausgewählt wird und 50 % der Mitglieder direkt von ihr bestimmt werden. Es wird eine „weltanschauliche Schieflage“ bemängelt, da Theologen und religiös-konservative Personen überproportional vertreten seien. Durch die Zusammensetzung soll die Funktionsfähigkeit in Debatten wie Präimplantationsdiagnostik, Knabenbeschneidung und Suizidhilfe beeinträchtigt worden sein. Bei der Diskussion um den (empfohlenen) verfassungswidrigen §217 StGB wurde den Mitgliedern mangelnde ethische Argumentationsfähigkeit auf dem Niveau des Grundgesetzes vorgeworfen.
No offense gegen die Mitglieder, die sicher ihr Bestes tun und ethisches Handeln fordern: Der Ethikrat ist, wie ich persönlich finde, eine Art Feigenblatt der Regierung, um ethisches Handeln zu simulieren. Denn alleine durch die Auswahl der Personen (deren Weltanschauung vorab bekannt sein dürfte) ergeben sich mit hoher Wahrscheinlichkeit erwünschte Sichtweisen.
Zum den Aussagen im Artikel
Ich befürchte, bei Alena Buyx handelt es sich um eine Medizinerin, die lediglich die rosigen Seiten der Datennutzung sieht. Wenn die Verantwortlichen im Gesundheitsbereich tatsächlich vernünftigen Datenschutz gewährleisten könnten, anstatt eine Flut an Daten zu produzieren, die nur mangelhaft pseudonymisiert und anonymisiert sind, dann könnte man vielleicht ernsthaft über die Nutzung dieser Daten nachdenken. Doch bei der aktuellen Lage und der Planung wird jeder, der informiert und bei Verstand ist, die elektronische Patientenakte (ePA) ablehnen und somit keine Daten bereitstellen. Und das führt dazu, dass die Verantwortlichen schon im Voraus den Datenschutz für ihre eigenen Versäumnisse verantwortlich machen, obwohl die wahre Schuld bei ihrer eklatanten Inkompetenz und Unfähigkeit liegt, diese zu erkennen.
Meinung vs. Fakten
Diese Form der öffentlich geäußerten, eher als halbinformiert anzusehenden Meinung, ist äußerst gefährlich, da sie plötzlich als Fakt gelten kann. Ich bezweifle auch stark, dass die Dame ihre Meinung ändern würde, selbst wenn man sie eines Besseren belehren würde – die Digitalisierung ist kein Allheilmittel ohne Schattenseiten. Dabei sollte gerade in der heutigen Zeit jedem klar sein, dass Daten ein wertvolles Gut sind, das es zu schützen gilt. Die Ignoranz gegenüber den potenziellen Risiken zeigt nur, wie notwendig eine umfassende Aufklärung und Sensibilisierung in diesem Bereich ist. Denn nur so kann verhindert werden, dass aus Unwissenheit und Naivität ernsthafte Gefahren für die Gesellschaft entstehen.
Es ist bedauerlich, wenn Personen in einflussreichen Positionen so wenig Verständnis für die komplexen Herausforderungen haben, die mit der digitalen Transformation einhergehen. Gern würde man so jemanden aufklären oder auch schütteln, damit der Datenschutzgroschen fällt. Das lässt sich aber kaum machen.
Redaktionsmitglied Sperling
Redakteur seit 2011, Kernteam der Redaktion seit 2013. De facto "Leitung" ab 2016, irgendwann auch offiziell Chefredakteur - bis 2023. Schreibt nur noch wenn ihm die Laune danach steht, zahlt aktuell die Infrastruktur der Flaschenpost, muss aber zum Glück nicht haften 🙂