Michael Freche sitzt für die Piratenpartei im Gemeinderat Göppingen und ist aktuell Spitzenkandidat für die anstehenden Gemeinderatswahlen. Am 23.05. kam es im Rahmen eines Infostandes zu einer bedrohlichen Situation, als Herr Freche und andere Piraten beleidigt und bedroht wurden.
Flaschenpost: Zuerst einmal das wichtigste: Wie geht es Ihnen und den anderen Piraten nach diesem Vorfall?
Michael Freche: Nach dem anfänglichen Schock der körperlichen Bedrohung haben wir uns wieder davon erholt. Wir haben auch schon wieder am darauffolgenden Samstag einen Info-Stand gemacht.
Flaschenpost: Können Sie uns in ihren eigenen Worten schildern, was vorgefallen ist?
Michael Freche: Nachdem wir morgens gegen 11 Uhr unseren Info-Stand aufgebaut hatten, kam ein Mann, ca. Mitte 30, auf uns zu und schrie los, wir sollen hier verschwinden oder er haut uns aufs Maul. Er hat mich vor allem als seinen Widersacher ausgemacht. Diese Wortwahl wiederholte er mehrmals, ich forderte ihn auf unseren Stand zu verlassen und weiterzugehen. Nachdem er darauf nicht reagiert hatte, habe ich angekündigt, die Polizei zu rufen, dies hat ihn auch nicht beeindruckt.
Ich habe dann die Polizei versucht zu rufen, unter der 110 ging nach ungefähr 20 mal klingeln immer noch niemand ran. Durch das Einwirken meiner Stadtratskollegin Rummel hat er sich dann etwas beruhigen können und ist dann weiter gelaufen. Nachdem der Mann gegangen war, wählte ich noch einmal die 110, dann ging jemand ran. Kurz darauf meldete sich das Revier telefonisch bei mir und fragte den Sachverhalt noch einmal ab und kündigte an, dass eine Streife vorbeikommen würde, wenn sie Zeit haben.
Nach ca. 30 Minuten war dann endlich eine Streife da. Und dieser Mann ist tatsächlich wieder vorbeigelaufen, mehr oder weniger direkt in die Arme der Polizei.
Flaschenpost: Wie bewerten Sie, dass auf Wählen des Notrufes 110 keine Hilfe kam?
Michael Freche: Ich habe mich alleine gelassen gefühlt, da man in diesem Moment nicht weiß, schlägt er zu oder kommen noch andere Dinge wie z.B. ein Messer zum Einsatz. Man darf über diesem Umstand nicht vergessen, dass in Baden-Württemberg viele Planstellen der Polizei nicht besetzt sind, so auch in Göppingen nicht. Der Innenminister Strobel schafft es nicht, die Stellen zu besetzten.
Flaschenpost: Kam es Ihnen gegenüber schon einmal zu Drohungen oder ähnlichem, oder war das ein einmaliger Vorfall?
Michael Freche: Drohungen noch nicht, eher mal zu Beschimpfungen.
Flaschenpost: Denken Sie, dass dieser Vorfall Ihren zukünftigen Wahlkampf bzw. Ihre Arbeit als Stadtrat beeinflussen wird?
Michael Freche: Ja, dies wird es, ich passe mehr auf.
Flaschenpost: Wie nehmen Sie das politische Klima in Deutschland wahr und denken Sie, das hat es sich in den letzten Jahren verändert?
Michael Freche: Durch das Auftreten des rechtsextremistischen Verdachtsfalls (AfD) und derer Umgang mit politischen Gegnern ist es inzwischen bei vielen Parteien gang und gäbe, den politischen Gegner nicht in der Sache anzugreifen, sondern auf persönlicher Ebene. Ich beobachte leider, dass dieses Vorgehen sich auch in der Gesellschaft sehr stark fortsetzt. Ich habe einmal bei uns einen Mitbürger angesprochen, der außerhalb der Einwurfzeiten Glas in die Container geworfen hat und ihn nur darauf hingewiesen, dass dies nicht fair gegenüber den Anwohnern hier wäre. Auch hier wurde ich dann sprachlich angegangen. Unsere Gesellschaft verroht durch die Beispiele aus der Politik, frei nach dem Motto, wenn der das darf, darf ich das auch.
Flaschenpost: Nun zu Ihrem Amt als Stadtrat: Was würden Sie als Ihre größten Erfolge der vergangenen Wahlperiode bezeichnen?
Michael Freche: Größere Erfolge konnten wir erzielen in Bereichen wie Kindergartengebühren, hier keine weiteren Erhöhungen, Videoübertragung der Sitzungen, bedauerlicherweise noch nicht von der Verwaltung umgesetzt, Schaffung von Barrierefreiheit in den Bereichen Schulen, Kindergärten, Bushaltestellen, Kinderspielplätzen und Verhinderung von Kameraüberwachung.
Flaschenpost: Was sind Ihre Ziele für die kommenden Jahre?
Michael Freche: Weiter der Verwaltung und den politischen Gegnern auf die Finger sehen. Bei uns will sogar die FDP Videoüberwachung von Glascontainern. Weiter der Kampf gegen den Verdachtsfall. Wir wollen ein Jugendhaus und Chillzonen in der Stadt. Und Datenschutz in der Digitalisierung unserer Verwaltung muss endlich Realität werden.
Flaschenpost: Wie nehmen Sie den Europawahlkampf und die Stimmung in der Bevölkerung wahr?
Michael Freche: Eigentlich versuchen viele Menschen die Wahl positiv und auch Europa als Friedenssichernd hervorzuheben. Mit den Menschen, mit denen ich zu tun habe, ist eine große Bereitschaft da, für Europa und unsere Demokratie zu kämpfen.
Flaschenpost: Vielen Dank für das Interview und für Ihre Zeit. Viel Glück für die anstehenden Wahlen.
Michael Freche: Danke!
Redaktionsmitglied Julian Häffner
Ich bin 20 Jahre alt und seit 2019 Mitglied der Piratenpartei. Ich studiere aktuell Lehramt an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Außerdem bin ich Vorsitzender im Kreisverband Nürnberger Land & Roth und stellvertretender Vorsitzender des Bezirksverbandes Mittelfranken der Piratenpartei. Seit 2021 bin ich zudem Mitglied der Redaktion der Flaschenpost.
- Web |
- More Posts(27)