Letzten Freitag knackte ich den Jackpot am Fahrkartenautomaten. Stolze 17.50 € spuckte der armlose Bandit in kleinen Münzen aus. Die wollte ich möglichst schnell wieder los werden, der Kauf neuer Rasierklingen stand ohnehin an. Gerade der Kauf von Rasierklingen ist eine der letzen großen Herausforderungen für einen Mann wie mich! Da seit Jahrzehnten ein Formatkrieg zwischen Herstellern, Griffen und Klingen tobt, braucht es hier besonders viel Sorgfalt. Es soll auch gar nicht verschwiegen werden, dass auch mir in der Vergangenheit Fehler unterlaufen sind. Im Bad rosten vier unterschiedliche Griffe und zwei unterschiedliche Arten von Klingen vor sich hin – und nichts passt zusammen. Also, das Geld sollte weg und Rasierklingen haben ihren Preis – das passte zum Kleingeld in der Tasche.
Nun stand ich also an der Kasse, nahm ein kleines Päckchen Rasierklingen von denen ich glaubte, dass sie auf einen meiner Griffe passen könnten, und zählte schonmal die Münzen ab. Als die Kassiererin die Schachtel aber über den Scanner zog zeigte das Display 13.99 € statt der 6.99 € auf dem Preisschild an. Und 13.99 € war auch der Betrag, den sie von mir haben wollte. Jeder Einwand von mir, jeder Appell an ihre Vernunft perlte an ihr ab. Aber das Preisschild ….. Sie: die Kasse hat recht. Ich: hat sich der Preis seit letzter Woche verdoppelt? Sie: die Kasse hat recht. Irgendwann gab ich auf, informierte sie, dass wir so nicht ins Geschäft kommen und verließ den Laden (ganz ehrlich: zuhause rasierte ich mich mich mit Opas altem Rasierer. So ein olsches Teil mit einer flachen Stahlklinge. Klinge und Griff sehen derart markant aus, dass man sich nicht verkaufen kann.
Was mich bewegt, ist das blinde Technikvertrauen der Kassiererin. Die Kasse hat recht. Ein Irrtum ist ausgeschlossen, jedes Nachdenken oder Hinterfragen hätte für sie wohl ewige Höllenqualen zur Folge – getreu dem Unternehmensmotto Tradition with a future!
Das Ausmaß des Vertrauens in die Richtigkeit des Preises ist erschreckend. An der Kasse kam ich mit einem lapidaren bei diesem Preis kommen wir nicht ins Geschäft davon. Es wurde von einem ebenso lapidaren Kasse drei Storno bitte quittiert. Aber wenn die Ziffern keinen Preis, sondern eine IP-Adresse darstellen? Wenn es nicht um Rasierklingen geht, sondern um Vorwürfe, die sich gut auf Seite 1 eines Boulevardblattes machen? Wozu der blinde Glaube an den genetischen Fingerabdruck führte, ist bekannt. Und letzte Woche wurden in den USA versehentlich 84.000 Domains wegen des Verdachts auf Kinderpornographie gesperrt. Statt des eigentlichen Inhalts wurde der Beschlagnahmebeschluss ausgeliefert.
Redaktionsmitglied Michael Renner
Meine Karriere als Redakteur bei der Piratenpartei startete 2009 beim Bundesnewsletter, aus dem 2010 die Flaschenpost hervorging. Im Sommer 2012 wurde ich stellvertretender Chefredakteur, Anfang 2014 Chefredakteur. Da die unzähligen Aufgaben an der Spitze der Flaschenpost einen Vollzeitjob in der Freizeit mit sich bringen, machte ich nach zwei guten, aber auch stressigen Jahren zwei Schritte zurück und gab die Redaktionsleitung ab. Die gewonnene Freizeit wird in die Familie und mein zweites großes Hobby, den Amateurfunk, investiert.