Es sind nun einige Jahre seit der Gründung der Piratenpartei vergangen und es hat sich seit dem Boomjahr 2009 auch programmatisch einiges getan auf Landes- wie auf Bundesebene. Die Partei entwickelt sich und findet sich zunehmend besser auf politischem Parkett zurecht. Das Finden von Konsenspunkten ist nicht immer ohne Hindernisse zu bewältigen. So kommt es auch im Bereich der Sozialpolitik noch zu Spannungen – aber man ist in vielem ein Stück weiter gekommen.
Sozialpolitik und Wirtschaftspolitik gehen Hand in Hand und sind von weitreichender Bedeutung für die Gesellschaft und das Funktionieren eines Staates. Die Sozialpolitik ist daher fester Bestandteil der Parteienpolitik auf welchem ein Fokus der Bevölkerung liegt. Die Interessen und Programmpunkte der Piratenpartei haben nicht unerhebliche positive Auswirkungen auf diesen Teil der Politik. Daher war und ist es wichtig, die Relevanz der bereits im Programm befindlichen Themenfelder für diesen Bereich zu erarbeiten und herauszustellen sowie weitere Eckpunkte zu erarbeiten.
Man hat sich am letzten Parteitag auf ein Recht auf eine sichere Existenz geeinigt und darauf, dass dies ein natürlicher Teil der Würde des Menschen ist. Ziel dabei ist es Armut, nicht jedoch Reichtum zu verhindern. Man hat sich auch darauf verständigen können, dass eine öffentliche Mittelvergabe möglichst zielführend für diesen Zweck eingesetzt werden muss. Darauf aufbauend kann man dann später die Frage stellen und beantworten, inwiefern die Anforderungen und Auflagen, welche die Arbeitsagenturen den Beschäftigungssuchenden bzw. Arbeitslosen machen, gerechtfertigt erscheinen. Ob im Bereich der Auflagen für Bewerbungen bei gleichzeitigem Arbeitsplatzangebotsmangel oder auch im Bereich der Fortbildung, wo oftmals sehr unsinnige aber billige Weiterbildungsmaßnahmen vorgeschrieben sind. Viele würden sich gerne qualifiziert weiterbilden, die Agenturen stellen das benötigte Geld dafür jedoch nicht immer bereit. Unterstützung einer guten Weiterbildung in jedem Alters- und Lebensabschnitt ist den Piraten sicher ein Anliegen und so fordert der LV Hamburg auch kostenlosen Zugang zu Bücherhallen in seinem aktuellen Programm zur Wahl.
In eine ähnliche Richtung wie schon der bereits beschlossene Abschnitt wird auch in einer Interessengruppe in Bayern gearbeitet, welche sich dafür stark machen möchte, dass die teilweise schon pauschalen Verdächtigungen gegen Bezieher von Geldern wie dem HartzIV beendet werden. Im Gespräch ist dort, generelle Zugriffe auf Daten durch Sachbearbeiter zu unterbinden. Allenfalls sollen Stichproben oder genaue Prüfungen bei erhärtetem Verdacht möglich sein – und dann nur durch qualifizierte Prüfer. ELENA als Teil des Datennetzes ist den Piraten so oder so ein Dorn im Auge.
Zum Bereich Bildung und Soziales gehört auch das BAföG. Hier ist beispielsweise im derzeit wahlkämpfenden Landesverband Baden-Württemberg ein allgemeiner Anspruch auf BaföG im Programm und soll die Unabhängigkeit bei der Berufs- und Studienwahl verbessern, sowie vom Arbeiten während des Studiums befreien. Das Abschaffen von Studiengebühren ist dabei Piratenpartei-obligatorisch. Auch für die kostenlose Bereitstellung von Plätzen in Kindertagesstätten setzten sich LVs wie z.B. Rheinland-Pfalz und Hamburg in Ihren Wahlprogrammen ein. Eine ständig zu verbessernde Barrierefreiheit für behinderte Mitbürger und Lernwillige versteht sich von selbst. Lebenslange Bildung bedarf eines soliden Fundamentes ohne Ansehen der sozialen Schicht. Anders wird auch der vielfach beschworene oder behauptete Fachkräftemangel nicht in den Griff zu bekommen sein. Über diesen Mangel wird von anderen Politikern immer nur geredet, aber nie wird etwas getan um die Situation anzugehen.
Für unsere älteren Mitbürger – und das in Zukunft vermehrt – ist die Versorgung und die Qualität der Pflege ein wichtiges Thema. Auch daran sind viele Piraten interessiert und fordern u.a. Transparenz bei Beurteilungen und Kontrollen sowie Einflussnahme von Angehörigenbeiräten um Missstände zu beseitigen oder erst gar nicht aufkommen zu lassen. Das Wahlprogramm der Piratenpartei Reinickendorf zum Beispiel enthält bereits Standpunkte zur Generationenpolitik, in welchen alle Altersgruppen berücksichtigt werden.
Das Thema BGE ist kontrovers und wird vorerst etwas ausgespart bleiben. Das liegt zum Einen daran, dass die seit letztem Parteitag im Programm verankerte zielführende Beseitigung von Armut für viele bisher nicht nachvollziehbar genug hergeleitet werden kann und zum Anderen an der fehlenden Transparenz. Was für HartzIV-Regelsätze gut ist – das Vorlegen einer schlüssigen Berechnung – kann für ein zielführendes Konzept nicht schlecht sein. Nichtsdestotrotz sind wie bereits dargestellt viele Elemente der Daseinsfürsorge, von KiTa-Plätzen über Aus- und Weiterbildung, BaföG bis hin zu verbesserter Pflege und der Prüfung des Ausbaus eines kostengünstigen oder gar kostenlosen ÖPNVs im Gespräch. Diese Punkte sind in der Piratenpartei auch meist konsensfähig. Die Grundrechte beeinträchtigende Elemente wie mangelnder Datenschutz und unnötiges Ausspionieren von Daten Hilfesuchender und Hilfebedürftiger sowie Verwaltungsaufwand für unnötige Gängeleien werden ebenso in Zukunft angegangen.
Die Partei hat sich entwickelt und schon aus Kernthemen oder kernthemennahen Themen wie Bildung, Transparenz und Datenschutz haben sich sehr vielversprechende mögliche Programmerweiterungen herauskristallisiert. Diese wird man, um in sich schlüssig zu bleiben, noch in der Gesamtheit betrachten und zusammenführen müssen, damit eine dann beschlossene Programmentwicklung mehr Schlagkraft entwickelt. Letztlich geht es gerade sozial Schwachen nicht darum Versprechen oder Utopien präsentiert zu bekommen. Von Versprechen kann man sich nichts kaufen und Utopien, welche sich auf Zustände irgendwann in der Zukunft beziehen, helfen im Hier und Heute auch nicht weiter. Was diese Menschen benötigen und auch suchen, ist ganz konkrete Hilfe sowie vor allem eine Perspektive für die nahe Zukunft. Nichts drückt Menschen mehr als eine hoffnungslos unveränderliche Situation aus welcher ein Befreien, egal ob mit fremder oder auch aus eigener Kraft, nicht möglich erscheint. Vielleicht hilft dabei auch die Idee eines in einer der Arbeitsgemeinschaften angesprochenes Wohlstands- oder Perspektivministeriums. In diesem könnte man wegweisende Handlungsempfehlungen aus dem Sozial-, Bildungs- und Wirtschaftsbereich bündeln und koordinieren. Indem man ein solches ressortübergreifendes Ministerium mit Inhalten füllt können Piraten vermitteln, wie das Ziel erreicht werden soll. Jeder Bürger soll verschiedene Möglichkeiten für die eigene Lebensgestaltung haben. Will man lernen, will man arbeiten, will man erziehen oder pflegen oder etwas anderes – das sind Entscheidungsoptionen, welche wir für alle Bevölkerungsgruppen schaffen können. Dies und die wirtschaftlichen und finanziell-regulativen Rahmenbedingungen, welche im Hier und Jetzt machbar und realisierbar sind um das zu erreichen, kann die Piratenpartei aufzeigen. Denn die Perspektiven und Möglichkeiten werden dringendst erwartet und nicht etwa die Antwort auf die Frage, ob HartzIV nach einem erfolgten Datenstriptease denn nun 5 Euro oder 8 Euro steigen wird oder ob es einer stigmatisierende Bildungscard für Arme bedarf.
Die Aufgabe der nächsten Jahre wird sein, sich die verschiedenen Sozialsysteme genauer anzusehen und konkrete Verbesserungen anzubringen. Maßnahmen um eine drohende Altersarmut abzuwenden, Verbesserung der Versorgung im Gesundheits- und Pflegebereich, Reformen des Sozialversicherungssystems mit Grundrente, Arzneimittelpolitik, das Verringern von Kinderarmut, mehr Transparenz im Gesundheitssystem – all das bietet uns sehr viel Stoff für programmatische Arbeit, um reale Verbesserungsmöglichkeiten zu nutzen.
Es sind alle Piraten aufgerufen diese Entwicklung mitzugestalten und sich aktiv in die weitere Gestaltung der programmatischen Sozialpolitik einzubringen. Die Piratenpartei ist auch im sozialen Bereich eine zukunftsorientierte Partei. Sie kann das sein was in der politischen Landschaft in Deutschland, welche bisher von falschen Versprechungen und hehren Visionen angefüllt ist, bislang fehlt:
Eine Partei der realen Perspektiven.
Autor: Otmar