Politiker und ihre Parteien scheinen nicht ohne Feindbilder auszukommen. Zu jeder Gesetzesinitiative wird eine Bevölkerungsgruppe benannt, die es leider notwendig mache, die Gesetze zu verschärfen.
Eigentlich ist die Schaffung von Feindbildern ein Mittel von Diktatoren und Populisten! Die US Kavallerie knallte die Indianer ab, in Nazideutschland wurde eine religiöse Minderheit für so ziemlich jeden Missstand verantwortlich gemacht. Hinter dem eisernen Vorhang war der Westen an allem Schuld, während für die 68er alles Schlechte aus den USA kam. In Ungarn geht es gegen die Fremdherzigen, während sich islamophobe Populisten in Westeuropa eine religiöse Minderheit als Ursache und Sündenbock für tatsächliche oder empfundene Fehlentwicklungen heraussuchten – oder diese anderen einfach so hassen. Der Anschlag in Minsk schließlich machte in der Regierungspropaganda Oppositionelle zu Terroristen – woraus die Notwendigkeit weiterer Bürgerrechtseinschränkungen abgeleitet wurde.
Man könnte das als so lange her abtun oder sich mit wir sind ja inzwischen vernünftig beruhigen. Aber: Suchen unsere Politiker (und wir als Bürger) bei Probemen wirklich ein Optimum für alle? Oder erliegen wir der Versuchung, den einfachen Weg zu gehen: verbieten, wegsperren und durchsetzen – um die eigenen Interessen zu 100% berücksichtigt zu sehen?
Die Psychologie liebt Quadrantenmodelle. Sehr bekannt ist das Eisenhower-Prinzip, um anstehende Aufgaben in Kategorien einzuteilen. Auch die Konfliktforschung hat ein Quadrantenmodell entwickelt, das die eigenen Interessen sowie die Interessen des Gegenübers aufträgt.
Den größten Raum nehmen darin die Kompromisse ein – jeder muss sich ein wenig bewegen. Rechts oben, im +/+ Feld, befindet sich ein besonderer Zustand: die Win-Win-Situation. Hier werden die Interessen aller berücksichtigt. Ein einfaches Beispiel: Die Stadt holt im Januar alte Weihnachtsbäume von Sammelstellen ab. Der Bürger hat das nadelnde Ungetüm los, die städtischen Gärtnereien bekommen Kompost für die Grünanlagen.
Leider bewegt sich unsere Politik nur allzu oft im Quadrant, der mit Unterdrücken – Egoist bezeichnet ist. Den Mohammedaner will der durchschnittliche Innenpolitiker gerne ins Umerziehungslager stecken oder gleich in die Heimat (wo immer das sein soll) schicken. Dabei könnten alle profitieren, wenn man zulässt, dass sich unsere Kulturen gegenseitig ergänzen und wir die Menschen verbinden, statt sie in zwei Lager zu dividieren.
Für den alkoholisierten Autofahrer wurde unlängst eine härtere Strafe und dazu noch eine Wegfahrsperre gefordert. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Betrunken am Steuer sitzen geht gar nicht. Aber die Forderung nach härteren Strafen und technischen Lösungen wirkt nicht gerade originell. Die hohe Politik könnte erforschen, warum auch Angetrunkene zum Zündschlüssel greifen, um dann eine Alternative zur Alkoholfahrt zu bieten. Vielleicht muss nur der öffentliche Personennahverkehr ausgebaut werden, um 90% Alkohol am Steuer-Fahren zu verhindern? Verbote alleine reißen es nicht raus, es muss auch Anreize geben!
Das sind nur zwei Negativbeispiele der letzten Tage, doch in der Zeitung finden sich weitere. Wenn alle Politiker sich die Zeit nähmen, ein Zielbild zu überlegen (wie soll es in 1-10-100 Jahren aussehen), könnte man jeden Aktionismus und die Phrasendrescherei sein lassen. Und sich so wohltuend von Diktaturen und Populisten abheben!
Redaktionsmitglied Michael Renner
Meine Karriere als Redakteur bei der Piratenpartei startete 2009 beim Bundesnewsletter, aus dem 2010 die Flaschenpost hervorging. Im Sommer 2012 wurde ich stellvertretender Chefredakteur, Anfang 2014 Chefredakteur. Da die unzähligen Aufgaben an der Spitze der Flaschenpost einen Vollzeitjob in der Freizeit mit sich bringen, machte ich nach zwei guten, aber auch stressigen Jahren zwei Schritte zurück und gab die Redaktionsleitung ab. Die gewonnene Freizeit wird in die Familie und mein zweites großes Hobby, den Amateurfunk, investiert.