Nachdem das Bundesverfassungsgericht im Mai 2010 schon einmal die entworfene Praxis zur Vorratsdatenspeicherung gekippt hat, war die Regierung nun verpflichtet ein verbessertes Konzept, das nicht gegen die europäische Grundrechte-Charta verstößt und die Menschenrechte schützen soll, auszuarbeiten und vorzulegen.
Nun steht die Bundesregierung, federführend durch Innenminister Friedrich, kurz vor Veröffentlichung ihres neuen Entwurfs. Darin wird gefordert, dass die anlass- und verdachtsunabhängige Vorratsspeicherung all unserer Telefon- und Internet-Verbindungs- und Standortdaten für 6 Monate vorzuhalten ist. Bei der FDP ist derzeit schwer zu erkennen wie die Fraktion zu dieser Thematik stehen wird, hierzu gibt es derzeit verschiedenste Aussagen innerhalb der Partei. Die SPD setzt sich inzwischen deutlich positioniert für eine solche umfangreiche Speicherung ein.Darin enthalten wären alle Daten aus Telefonaten, Browseraktivitäten, Emails oder Verbindungsprotokollen und Aktivitäten, sowie die Aufzeichnung der Bewegungen durch Handynetze und Funkzellen, welche dann die Möglichkeit geben ein komplettes Bewegungsprofil zu erstellen. Dies könnte dann mit weiteren Daten (sozialen Netzwerken, Emailkorrespondenz) beliebig abgegliche werden. Was dies bedeuten kann, hat Malte Spitz als Onlineredakteur anhand seiner Daten auf eine sehr ernüchternde Weise visualisiert.
Dies würde nun also bedeuten, dass nach dem Vorschlag der verantwortlichen Ministerien die Strafverfolgungsbehörden Internetnutzer noch nach Tagen (bis zu sieben Tage lang) ermitteln dürfen, und zwar „für die Aufklärung aller Straftaten“ und das ohne richterliche Prüfung oder Genehmigung. Erlaubt wäre zudem ein vorab initiierter Datenzugriff ohne begründeten Tatverdacht und Zugriffe durch inländische und ausländische Geheimdienste (§ 113 TKG), denn selbst an 29 ausländische Staaten, einschließlich der USA, könnten diese Daten dann auf Anfrage herausgegeben werden. Hier wird sehr schnell deutlich, welche Auswirkungen eine solche Erfassung und Verknüpfung der Daten haben kann und welches Missbrauchspotential hier schnell „orwell´sche Zustände“ schaffen wird. Derzeit werden nur abrechnungsrelevante Daten gespeichert, bei Flatrate-Tarifen oder anderen Pauschalabrechnungsmodellen geben selbst diese nur sehr dürftig Auskunft über die Verbindungsdaten.
Auch dieses Modell scheint erneut ein grober Verstoß gegen die in der Menschenrechtscharta der EU hinterlegte informationelle Selbstbestimmung und das Recht auf Privatsphäre zu sein. Hier werden Mechanismen geschaffen um Vertraulichkeit in Berufen oder Aktivitäten klar einzuschränken, es wird eine Bevormundung gegenüber „klassischen“ Kommunikationsmedien wie dem Briefverkehr noch verstärkt oder die Privatsphäre einer fiktiven Notwendigkeit zur Erfassung gegenübergestellt. Zudem scheint nicht einmal erwiesen, dass derartige Maßnahmen die oft angeführte Notwendigkeit zur besseren „Terrorismusbekämpfung“ oder „Abwehr von Straftaten“ gewährleisten. Selbst nach Einschätzung EU-weit operierender Behörden scheint eine solch groß angelegte Speicherung der Daten weder verhältnismäßig noch ergiebiger im Blick auf das Ergebnis.
Ein Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags vom April diesen Jahres unterstützt genau diese Behauptung, und zwar dass diese Richtlinie überhaupt nicht mit der europäischen Grundrechte-Charta zu vereinbaren ist. Der Europäische Gerichtshof wird nicht vor 2012 über die Gültigkeit der Richtlinie in Bezug auf die flächendeckende Vorratsdatenspeicherung entschieden haben. Derzeit läuft erneut eine Petition gegen einen oben geschilderten Gesetzesentwurf, hier könnt ihr noch bis zum 27.05.2011 mitzeichnen. Weitere Informationen findet ihr unter anderem auch auf der Website Vorratsdatenspeicherung.de
Quellen:
netzpolitik.org – vorratsdatenspeicherung.de – campact.de – zeit.de