Im Jahr 2013 wird eine Abgabe pro Wohnung die derzeitige Fernsehgebühr ersetzen. Zukünftig spielt es keine Rolle mehr, ob jemand ein Radio, ein Fernsehgerät oder einen Computer besitzt. Ausschlaggebend ist, vereinfacht gesagt, der Wohnsitz in Deutschland. Die Flaschenpost sprach mit Dr. Hermann Eicher, dem ARD-Spezialisten für alle Fragen rund um den neuen Rundfunkbeitrag und Justitiar beim SWR in Mainz.
Flaschenpost: Herr Eicher, 2010 haben die Ministerpräsidenten der Länder beschlossen, das derzeitige geräteabhängige Gebührenmodell in einen Rundfunkbeitrag zu wandeln. Was ändert sich, wenn die heutige Rundfunkgebühr durch den Rundfunkbeitrag ersetzt wird?
Hermann Eicher: Ab 2013 soll der einfache Grundsatz gelten: „Eine Wohnung – ein Beitrag“. Komplizierte Nachfragen, wer welche Geräte in welcher Anzahl und zu welchem Zweck zum Empfang bereit hält, werden damit entfallen. Die einfache Rechnung soll zukünftig heißen: Pro Wohnung entrichtet ein Bewohner den Rundfunkbeitrag für alle Mitbewohner und alle Medien. Ich sage bewusst „soll“, weil die Länderparlamente dieser Regelungen bis Ende 2011 noch zustimmen müssen.
Auch im nicht privaten Bereich, gemeint sind unter anderem Unternehmen, Verbände und Vereine, kann zukünftig ebenfalls auf das aufwändige Zählen von Geräten verzichtet werden. Gezahlt wird dann pro Betriebsstandort gestaffelt nach Mitarbeiterzahlen. Aus statistischen Angaben wissen wir, dass 90 Prozent aller Betriebsstandorte voraussichtlich nur einen Drittelbeitrag (bei bis zu acht Mitarbeitern) oder einen Beitrag (bei bis zu 19 Mitarbeitern) zahlen werden. Hinzugerechnet wird dann noch ein Drittelbeitrag für jedes nicht privat genutzte Kraftfahrzeug, wobei das jeweils erste eines Betriebsstandortes frei ist.
Flaschenpost: Warum wird überhaupt unterschieden, ob jemand in der Arbeitszeit oder der Freizeit Radio hört oder fernsieht? Man sollte meinen, es sind die selben Ohren und Augen?
Hermann Eicher: Man könnte natürlich grundsätzlich auf eine Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks durch den nicht privaten Bereich (z.B. Unternehmen, Behörden, Selbstständige) auch verzichten, müsste dann aber die Last der entstehenden Finanzierungslücke vollständig auf die Privathaushalte übertragen. Der Gesetzgeber hat sich im Rahmen seines Gesta ltungsspielraumes anders entschieden und sogar zur Voraussetzung der Reform gemacht, dass der nichtprivate Bereich ungefähr im gleichen Verhältnis wie bisher zur Finanzierung beiträgt.
Flaschenpost: Weshalb ist diese Änderung notwendig?
Hermann Eicher: An das Bereithalten von unterschiedlichen Geräten eine Gebühr zu knüpfen, ist einfach nicht mehr zeitgemäß. Die rasante technische Entwicklung eröffnet allen Rundfunkteilnehmern diverse Optionen. So können sie per TV-Gerät oder Computer fernsehen. Und es gibt kaum noch ein Handy ohne eingebautes Radio. Niemand kann all die mobilen Geräte einer Person noch tatsächlich zuordnen. Deshalb ist das bisherige geräteabhängige Modell ein Anachronismus und wird durch den neuen Rundfunkbeitrag abgelöst.
Wird sich mit dem Rundfunkbeitrag das Auftreten der öffentlich-rechtlichen Anstalten im Internet ändern? Derzeit sind ja nicht alle Sendungen im Netz zu sehen. Auch müssen die Sender ihre Beiträge innerhalb bestimmter Fristen von ihren Servern löschen.
Nein, das Angebot der Öffentlich-Rechtlichen im Internet wird sich ab 2013 nicht automatisch wegen des neuen Rundfunkbeitrags ändern. Die Neuordnung der Rundfunkfinanzierung und der Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Internet sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Die uns mit dem 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag auferlegten Beschränkungen im Internet bleiben daher leider vorerst bestehen.
Flaschenpost: Der klassische „Schwarzseher“ stritt einfach ab, einen Fernseher zu besitzen. Die Existenz einer Wohnung lässt sich nicht so einfach wegdiskutieren. Die GEZ soll jedoch über das Jahr 2013 hinaus bestehen. Welche Aufgaben wird sie zukünftig wahrnehmen?
Hermann Eicher: Auch die GEZ wird sich verändern, aber diese Art der Einrichtung wird im neuen Beitragsmodell nicht überflüssig werden. Schließlich gilt es auch nach 2012, die Einnahmen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks von über ungefähr 42 Millionen Teilnehmerkonten zu verwalten. Jemand muss sich um die Änderung von Adressdaten kümmern, säumige Zahler mahnen oder Ab- und Ummeldungen entgegennehmen. Dennoch gehen wir davon aus, dass auch bei der GEZ nach der Umstellungsphase ein weiterer Abbau von Kosten und Personal erfolgen kann, weil der Beitragserhebung an vielen Stellen einfacher wird. Und: Wir werden weitgehend auf die ungeliebten Gebührenbeauftragten verzichten können, die sich früher an der Wohnungstür nach der Einhaltung der Rundfunkgebührenpflicht erkundigt haben.
Flaschenpost: Was ist mit Bürgern, die tatsächlich keinen Fernseher haben und sich auch am Computer nicht für die Sendungen der Öffentlichen-Rechtlichen interessieren?
Hermann Eicher: Der Rundfunkbeitrag ist so konzipiert, dass er für die Möglichkeit, sich über die vielfältigen öffentlich-rechtlichen Rundfunkangebote zu informieren, zu bilden und zu unterhalten, zu zahlen ist. Auf die tatsächliche Nutzung kommt es dabei nicht an. Die wäre im Übrigen auch nicht zu kontrollieren. Ferner basiert die Idee vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk auf einem Solidarmodell, zu dem alle Bürger finanziell beitragen – unabhängig von ihrem persönlichen Nutzungsverhalten. Ansonsten könnten gerade Sendungen für Minderheiten aus Kostengründen nicht mehr produziert werden. Ausgenommen sind lediglich die Menschen, die aufgrund ihrer persönlichen finanziellen Situation einen Anspruch auf Befreiung vom Rundfunkbeitrag haben.
Im Übrigen beteiligt sich auch die gewerbliche Wirtschaft an der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks – und das etwa in gleichem Umfang wie bisher. Das sind ca. acht Prozent der Gesamteinnahmen. Wir sehen darin einen fairen Weg, die Unternehmen adäquat in die Finanzierung einzubinden.
Flaschenpost: Herr Eicher, nach rund 35 Jahren geht die Ära der Rundfunkgebühr zu Ende. Wie lang wird der Rundfunkbeitrag Bestand haben?
Hermann Eicher: Na, mal mindestens so lange, bis die „Sendung mit der Maus“ mit 67 in Rente geht. Und die Maus ist in diesem Jahr 40 geworden.
Flaschenpost: Herr Eicher, wir danken für dieses Gespräch
Redaktionsmitglied Michael Renner
Meine Karriere als Redakteur bei der Piratenpartei startete 2009 beim Bundesnewsletter, aus dem 2010 die Flaschenpost hervorging. Im Sommer 2012 wurde ich stellvertretender Chefredakteur, Anfang 2014 Chefredakteur. Da die unzähligen Aufgaben an der Spitze der Flaschenpost einen Vollzeitjob in der Freizeit mit sich bringen, machte ich nach zwei guten, aber auch stressigen Jahren zwei Schritte zurück und gab die Redaktionsleitung ab. Die gewonnene Freizeit wird in die Familie und mein zweites großes Hobby, den Amateurfunk, investiert.