
Georg Kreisler in Ravensburg (gemeinfrei)
Anfang dieser Woche starb der grossartige Kabarettist und Chansonnier Georg Kreisler im 90. Lebensjahr. Er hatte schwarzen Humor, er sang böse Lieder und eckte oft an. Doch erhielt sich Georg Kreisler bis ins hohe Alter eine klare Sicht auf die Dinge und auf die Welt – und wie sie ihn sah. Kreisler war kein Pirat, doch hätte es die Piratenpartei bereits zu seiner Zeit gegeben wäre er Pirat geworden – so sprach er nur wie einer.

In seinem letzten Interview Ende Juli gewährte er tiefe Einblicke in seine Gedankenwelt. Er plauderte über die Musikindustrie – und dass sie ihm Steine in den Weg legte wo dies nur möglich war. Über revoltierende Volksmassen, das Potential des Internets und den Auftrag zum Einlullen, den das Fernsehen entgegen nahm. Die Flaschenpost veröffentlicht die piratigen Ausschnitte aus diesem letzten Interview, und verneigt sich vor einem grossen Unterhalter.
Auf die Frage warum ihn nie ein Theater engagiert um einige Stücke pro Jahr zu schreiben antwortete Kreisler:
Kreisler: […] im Großen und Ganzen lag es eher daran, dass die Intendanten und Regisseure und Fernsehgewaltigen sich dachten: Hm, der Kreisler ist ein Mensch, der mir Schwierigkeiten macht. Und so blieb ich immer außerhalb ihrer Sichtweite. Ich werde entweder total boykottiert – wie in Wien bis heute –, oder man zieht mich gar nicht erst in Betracht.
Kreisler: […] Die Medien, vor allem das Fernsehen, dienen doch bloß noch der lockeren Unterhaltung, der allgemeinen Verblödung. Die Menschen sollen alles gut finden, wie es ist, und vergessen, dass sie regiert werden von einigen wenigen, die nur an sich selber denken und an weiteren Profit.
Kreisler: […] Viele meiner Lieder waren jahrelang in Funk und Fernsehen verboten. Heute gelten sie als harmlos, und man hat andere Lieder, andere Themen gefunden, die verboten sind. Eine Zensur findet statt. »Empört euch!«, hat der französische Philosoph Stéphane Hessel gerufen. Und ich empöre mich. Mehr kann ich leider nicht tun.
ZEIT: Das heutige Deutschland – ist das in Ihren Augen ein schlafender Antisemit?
Kreisler: Ich glaube, Deutschland ist ein schlafender Revolutionär. Man wird auch in Deutschland in Massen auf die Straße gehen. Das Fernsehen wird eines Tages als Betäubung nicht mehr reichen, um die Elendsviertel in Berlin zu vergessen, wo die Ausgegrenzten leben. Sie sehen: Ich werde im Alter immer kraftloser und gleichzeitig immer wütender.
ZEIT: Ihre amerikanischen Lieder kann man heute im Internet hören.
Kreisler: Zu meiner Zeit gab es kein Internet, da konnten die Fernsehsender und die Plattengesellschaften verhindern, dass die Öffentlichkeit mich hört. Seither agierte ich am Rande. Heute sind die Leute klüger durch das Internet. Und deshalb wird eines Tages auch eine Revolution kommen. Dann werden die Massenmedien aufwachen und ihrem Erziehungsauftrag wieder nachgehen. Erziehung kann ja durchaus unterhaltsam sein.
ZEIT: […] in der ersten Hälfte Ihres Lebens war die Masse eher bestialisch.
Kreisler: Jetzt erweist sie sich eventuell als heilsam. In den arabischen Ländern weiß man, man will nicht zu den Mubaraks zurück. Die Masse ist durch das Internet nicht mehr so manipulierbar wie zu meiner Zeit. Früher wurden die Leute durch das Radio beschallt. Das Internet dagegen ist Anarchismus. Es wird dort natürlich auch viel Schmarren verbreitet, das sehe ich schon, wenn ich mich hin und wieder an den Computer begebe und aufrufe, was über mich selbst geschrieben wird. Aber trotzdem könnten die Völker durch das Internet aufgeklärt werden und erfahren, dass es eine Welt außerhalb von Diktaturen gibt.
Wer mehr über Georg Kreisler und die Alten bösen Lieder erfahren möchte wird mit Hilfe von Google einiges finden.
RIP!
Redaktionsmitglied Michael Renner
Meine Karriere als Redakteur bei der Piratenpartei startete 2009 beim Bundesnewsletter, aus dem 2010 die Flaschenpost hervorging. Im Sommer 2012 wurde ich stellvertretender Chefredakteur, Anfang 2014 Chefredakteur. Da die unzähligen Aufgaben an der Spitze der Flaschenpost einen Vollzeitjob in der Freizeit mit sich bringen, machte ich nach zwei guten, aber auch stressigen Jahren zwei Schritte zurück und gab die Redaktionsleitung ab. Die gewonnene Freizeit wird in die Familie und mein zweites großes Hobby, den Amateurfunk, investiert.