Gastartikel von Guido Kröber, Koordinator der AG Waffenrecht
“Wir haben eine AG Waffenrecht?”, das habe ich in letzter Zeit öfter gehört, oft gefolgt von einer verblüfften Reaktion wie groß und aktiv diese AG ist. Die nächste Frage ist dann meist, ob Waffenrecht denn überhaupt ein Thema für die Piraten sein kann. Tatsächlich ist mir selber das Waffenrecht als Piratenthema erst aufgefallen, nachdem ich schon fast zwei Jahre Pirat war.
Das Waffenrecht schränkt den Zugang zu und den Umgang mit Waffen ein, um damit Ziele für die innere Sicherheit des Landes zu erreichen. Schaut man sich an, wie der deutsche Gesetzgeber zu anderen Aspekten der inneren Sicherheit völlig untaugliche Gesetze schafft, so liegt es nahe, dass auch das Waffenrecht durch die Piraten kritisch betrachtet werden sollte.
Die Grundanforderungen an ein Gesetz sind ja, dass es eine tatsächliche Notwendigkeit für eine Regelung gibt und dass die Regelung verhältnismäßig ist. Die grundsätzliche Notwendigkeit für ein Waffengesetz ist offensichtlich. Es kann nicht im Sinne einer zivilen Gesellschaft sein, dass Waffen jeglicher Art frei zugänglich sind und im öffentlichen Raum präsent. Viel schwieriger ist es die Frage nach der Verhältnismäßigkeit der einzelnen Regelungen zu beantworten.
Waffen sind ein Thema bei dem manche Leute rein emotional reagieren und fundamental die Idee ablehnen, dass überhaupt jemand das Recht haben könnte, eine Waffe zu besitzen. Dabei ist es wie bei jedem anderen Thema auch notwendig sachlich und faktenbasiert heranzugehen.
Status Quo
Betrachten wir zunächst erst mal den aktuellen Zustand. Das Waffengesetz in Deutschland regelt u.A. den Besitz und die Verwendung von Messern und Schusswaffen und enthält Verbote für einige Gegenstände wie z.B. Schlagringe, vollautomatische Schusswaffen und Kriegswaffen. Besonders umfangreich sind die Regeln für den Besitz und die Verwendung von Schusswaffen.
Es gibt in Deutschland ca. 1,8 Millionen legale Waffenbesitzer, die zusammen etwa 7 Millionen Schusswaffen besitzen. Dem gegenüber stehen geschätzte 20-30 Millionen illegale Schusswaffen. Die legalen Waffenbesitzer sind in den alten Bundesländern in der Mehrzahl Erben und Altbesitzer, in den neuen Bundesländern sind dies in der Mehrzahl Sportschützen, Jäger und Waffensammler.
Um in Deutschland legal eine Schusswaffe erwerben zu können, muss man eine Erwerbserlaubnis beantragen. Die zuständige Behörde überprüft den Antragsteller (u.a. seine Rechtstreue und Sachkunde), den Grund des Erwerbs (Sportschießen, Jagd oder Sammeln) und die beantragte Waffe. Die Bestimmungen hierfür sind sehr vielfältig und werden mit jeder Gesetzesänderung umfangreicher, um auszuschließen, dass legale Waffen in die falschen Hände geraten.
In allen Bundesländern gibt es eine kleine Anzahl von Sicherheitsdiensten und besonders gefährdeten Personen, die Waffen aus beruflichen oder privaten Gründen zum Selbstschutz erhalten. Nur diese ca. 4.000 Menschen haben das Recht, eine geladene Schusswaffe in der Öffentlichkeit zu tragen. Dazu gehören Werttransporteure, Personenschützer, Objektschützer und Politiker. Alle anderen Schusswaffenbesitzer müssen ihre Waffen ungeladen und in einem Futteral getrennt von der Munition zum Einsatzort (Jagd, Schießstand, Reparatur oder Sammlerausstellungen) transportieren.
Auch nach dem Erwerb werden Schützen, Jäger und Sammler mindestens alle drei Jahre kontrolliert. Tritt ein Umstand auf, der den Anlass gibt, dass sie unzuverlässig sein könnten, müssen sie ihre Waffen abgeben und versuchen nachzuweisen – meist in einem Rechtsstreit -, dass diese Vermutung nicht stimmt. Die Einschränkung der Mündigkeit, Trunkenheit am Steuer, Verurteilung wegen einer Straftat in Bezug zum Waffen- oder Jagdgesetz oder Gewalt oder einer beliebigen Verurteilung über 60 Tagessätzen führen zum sofortigen Verlust des Rechts auf Waffenbesitz. Die Waffen werden dann von der Polizei eingezogen. Das Recht auf Besitz von Schusswaffen ist also sinnvollerweise an die Zuverlässigkeit der Person gebunden.
Die Waffen und Munition müssen ungeladen in speziellen Schränken gelagert werden, so dass ein Diebstahl von Waffen mit der passenden Munition kaum möglich ist.
Seit der letzten Novelle des Waffenrechts in Deutschland in 2009 haben die Behörden das Recht, verdachtsunabhängig den Zugang zur Wohnung eines Waffenbesitzers zu verlangen, um die Lagerung der Waffen zu überprüfen. Eine Regelung, die eine bedenkliche Einschränkung der Grundrechte darstellt.
Entwicklung
In den letzten Jahren ist das Waffenrecht zunehmend verschärft worden. Altersgrenzen wurden angehoben, so dass es beim Schießsport teilweise zu erheblichen Problemen beim Nachwuchstraining kommt (Kleinkaliber ab 14, Großkaliber ab 18, Kleinkaliber ist z.B. für Biathlon relevant).
Der Bedürfnisnachweis wird von einigen Landesbehörden gezielt dazu benutzt, legalen Waffenbesitzern das Besitzrecht zu entziehen und deren Waffen zu vernichten. So wurde im Februar 2010 in Baden-Württemberg eine Waffenvernichtungsverordnung verabschiedet, die die Verwertung der eingezogenen Waffen nur noch in Ausnahmefällen zulässt. Damit wird das Recht auf Eigentum mit Füßen getreten.
Die Vorschriften für die Lagerung wurden verschärft, so wie auch die Bedingungen für den Transport. Dies gilt auch für jeden Bürger in Bezug auf Messer, Spielzeug- , Schreckschuss- und Luftdruckwaffen.
Aktuell sind viele Politiker dabei, weiter Druck zu machen, um den privaten Waffenbesitz einzuschränken. In Bremen und anderen Städten möchten die SPD und Die Grünen gerne eine Steuer auf Waffen erheben und zwar in einer jährlichen Höhe, die den Zeitwert vieler Sportwaffen übertrifft. Grüne, Linke und SPD fordern Zentrallagerung von Waffen. Von der CDU, den Grünen und der SPD kommen immer wieder Vorschläge zu biometrischen Sicherungen, ohne genaue Erklärung was das bringen sollte, ausser Umsatz für die entsprechenden Hersteller.
Gefährlich oder nicht?
Dem gegenüber steht die Frage nach der Gefährdungslage, also die Frage ob die durch das Waffenrecht reglementierte Bevölkerungsgruppe Auffälligkeiten zeigt, die eine weitere Verschärfung der Gesetzeslage oder überhaupt den aktuellen Status rechtfertigt.
Leider ist diese Frage nicht mit aktuellen Zahlen zu beantworten. Seit 2002 werden in der Kriminalitätsstatistik des BKA die Straftaten mit legalen Waffen nicht mehr getrennt von denen mit illegalen Waffen ausgewiesen, da diese Information durch den Gesetzgeber als vertraulich eingestuft wurde, weil sie den Verbrechern helfen könnte. Zieht man jedoch die Zahlen aus vorangegangenen Jahren heran, dann entsteht eher der Eindruck, dass die Zahlen so niedrig sind, dass sie nicht dazu taugen, Stimmung gegen den privaten Waffenbesitz zu machen und deshalb nicht einsehbar sein sollen.
Im Durchschnitt gibt es in Deutschland pro Jahr knapp 2.200 Tötungsdelikte, davon 170 mit Schusswaffeneinsatz. Nach den Zahlen von vor 2002 werden fast alle mit illegalen und freien Waffen begangen. Bei gefährlicher Körperverletzung sind Schusswaffen, egal welcher Herkunft, an 0,7% der Fälle beteiligt.
Somit liegt der Anteil bei Tötungsdelikten und Körperverletzungen mit legalen Waffen im Promillebereich. Stellt man die Zahl der Fälle pro Jahr ins Verhältnis zur gesamten Gruppe der legalen Waffenbesitzer von ca. 1,8 Millionen, dann ergibt sich ganz deutlich das Bild, dass hier eine Überregulierung vorliegt, die nicht sachlich begründet werden kann.
Die Tatsache, dass in Deutschland keine signifikante Gefährdungslage durch legale Schusswaffenbesitzer vorliegt, unterstreichen auch Äusserungen der Polizeigewerkschaft, die sich wiederholt gegen die Verschärfungen des Waffenrechts ausgesprochen hat, die wertvollerer Polizeiarbeit die Zeit rauben, da nicht straffällige Bürger unnötig aufwändig überprüft werden
Eine Diskussion über Maßnahmen wie zentrale Lagerung von Waffen und/oder Munition erübrigt sich aufgrund der nicht vorhandenen Bedrohungslage völlig.
Thema oder nicht?
Trotz einer objektiv nicht vorhandenen Bedrohungslage werden die (verabscheuungswürdigen) Taten Einzelner dazu verwendet, die Rechte einer nicht mal sehr kleinen Bevölkerungsgruppe einzuschränken. Unbequeme Fakten werden per Verwaltungsanweisung unter Verschluss gebracht und das Grundrecht der Unverletzbarkeit der Wohnung ohne hinreichenden Verdacht und Richterbeschluss wird für vorgetäuschte Sicherheit geopfert.
Die in den letzten ca. 15 Jahren betriebene Verschärfung des Waffenrechts in Deutschland liegt in einer Linie mit den anderen unsäglichen “Sicherheitsgesetzen”, die nichts anderes zur Folge haben, als eine Einschränkung der Freiheiten. Und das nur, um bei unaufmerksamen Bürgern ein flüchtiges Gefühl von Sicherheit zu erzeugen.
Ungeachtet des Stellenwertes von z.B. Biathlon und olympischen Disziplinen wird ein Breitensport diskriminiert, der in Deutschland nach Fußball, Turnen und Tennis die vierthäufigste Sportart ist.
Unausgegorene Regelungen verursachen jährlich Zehntausende von Rechtsverfahren wegen Verstößen gegen das Waffengesetz, weil Bürger (über 50% Ersttäter) Messer, Luftdruckwaffen und Schreckschusswaffen nicht rechtskonform transportieren oder führen. Manch ein Camper mit einem Messer wird so zu einem Straftäter.
Es ist definitiv an der Zeit, die Diskussion zu versachlichen und die Politik zum Waffenrecht auf die Füße zu stellen.
Die AG Waffenrecht arbeitet daran Standpunkte zum Waffenrecht für unsere politische Arbeit zu erstellen. Über konstruktive Mitarbeit würden wir uns freuen.
Gleichzeitig werden am Donnerstag, den 26. Januar 2012 ab 20.30 Uhr, zahlreiche Mitglieder der AG Waffenrecht zu einem Themenabend im Dicker Engel anwesend sein und sich einer sachlichen Diskussion stellen.
Weiterführendes zum Thema:
- Zeitung der Gewerkschaft der Polizei (GdP) zur Verschärfung in 2002 (ab Seite 23)
- 2. Sicherheitsbericht 2006
- Rechtspsychologisches Gutachten zum Schusswaffenmissbrauch